"sind Sie gern gekommen?"
"Gern!"
"Und hat dieser - dieser Scriblifax, dessen Sie sich nicht erwehren können, nicht Beschlag auf den heutigen Abend gelegt?" "O ja!"
"Und Sie sind nicht mit ihm gegangen! Meinetwegen, nicht wahr, mein himmlisches Mädchen?"
"Ja, nur Ihretwegen, Herr Lieutenant!"
"Recht so, meine Venus, mein unvergleichlicher Engel! Habe mich lieb, nur mich allein, dann wirst Du Glück finden ohne Ende, ein Glück, von welchem wir heut die süßesten Tropfen schlürfen können. Komm, laß uns gehen!" Sie folgten dem vorausgegangenen Paare.
(\67\)B Karl lehnte hinter dem Thore und hatte die fieberheiße Stirn an die kalte Mauer gelegt.
"Verloren - Alles, alles verloren! Sie wird ihm gehören und dann zu Grunde gehen. Emma, wie lieb, wie unendlich lieb habe ich Dich gehabt! Und nun - - aber, ist sie wirklich verloren? Noch nicht, wenn ich sie nicht aufgebe! Sie wird, sie muß erkennen, welcher Unterschied ist zwischen einer schmutzigen Sinnlichkeit und den reinen, treuen Gefühlen, welche ich ihr entgegenbringe. Ich werde ihnen folgen, oder vielmehr, ich werde einen anderen Weg einschlagen, um ihnen zuvorzukommen.
Er kannte den Ort, welcher das Ziel ihres Spazierganges war, und es konnte ihm nicht leicht fallen, denselben noch vor ihnen zu erreichen. Als das erste Paar dort anlangte, hatte er sich bereits ein bequemes Versteck hinter derjenigen Bank, welche am verborgensten lag, hergerichtet, und als dann auch Emma mit ihrem Begleiter erschien und sich hart vor ihm plazirte, hätte er sie mit der Hand erreichen können, und er vermochte jedes ihrer Worte zu verstehen.
Der Offizier hatte den Überrock ausgezogen und als Teppich für das Mädchen auf den Sitz gelegt. Später nahm er auch die Mütze vom Kopfe, jedenfalls um durch den Anblick seines schönen, reich gelockten Haares die Zahl seiner sichtbaren Vorzüge zu vermehren. So wurde sein Gesicht vollständig frei; Karl konnte ihn ganz genau erkennen.
(\68\)A "Der tolle Prinz - in Lieutenantsuniform!" murmelte er überrascht. "Das gibt eine Schlägerei, wenn ich mich unterstehe, ihm den Besitz meiner Braut streitig zu machen! Pah," setzte er zähneknirschend hinzu - "mir ganz gleich!"
Es waren fürchterliche Augenblicke für den jungen Mann, welcher zusehen mußte, daß der Gegner sich in Zärtlichkeiten erging, die ihm selbst verweigert gewesen waren, doch wollte er so lang wie möglich unbemerkt bleiben, um zu erfahren, wie weit die Untreue seines Mädchens bis jetzt gegangen war.
"Hast Du den Schmuck bereits getragen, den ich Dir brachte?" hörte er fragen.
"Noch nicht."
"Warum?"
"Vater darf ihn nicht sehen, und die Garnitur ist so kostbar, daß ich beschlossen habe, sie zu ersten Male an - an - an unserem Hochzeitstage zu tragen."
"Recht so, mein Herz, denn daraus erkenne ich, daß Du ein sparsames, haushälterisches
Weibchen sein wirst. Doch bis zur Hochzeit kann noch mancher Monat, vielleicht sogar ein ganzes Jahr vergehen. Ehe ich mir eine Frau nehmen kann, muß ich erst Hauptmann sein.
Wird Dir das nicht zu lang?"
"Nein, denn ich werde Dich ja öfters sehen."
"Natürlich, auf der Promenade oder - - oder wohl auch bei Dir?"
"Bei mir? Ich danke, Papa soll noch nichts von unserer Liebe wissen!" "Allerdings, doch ist dies noch immer kein Hinderniß, uns in Deiner Wohnung zu sehen. Papa braucht ja nichts davon zu wissen."
"Das ist unmöglich! Er würde trotzdem bemerken, daß ich Dich bei mir sehe." "Er würde es nicht bemerken. Soll ich Dir das beweisen?" "Wie so?"
"Heut ist er ausgegangen?"
"Ja. Es ist heut der Tag, an welchem er ein Spielchen zu machen pflegt."
"Wenn komm er da nach Hause?"
"Vor Mitternacht sicher nicht."
"Weckt er Dich dann, wenn Du bereits schläfst?"
(\68\)B "Nie."
"Also! Es ist jetzt ein Viertel vor elf Uhr. Laß uns aufbrechen!" "Warum?"
"Ich werde Dich recht schön ersuchen, einmal sehen zu dürfen, wie mein zukünftiges Weibchen wohnt."
"Das geht nicht; nein, das ist unmöglich!" "Warum? Verlange ich mit dieser Bitte zu viel?"
"Nein, aber zu so später Stunde - - nein, es ist unmöglich, Du mußt früher kommen!"
Ja, mein Herz, kann ich früher kommen, ohne bemerkt zu werden?"
"Ich darf nicht!"
"So liebst Du mich nicht!"
"Odoch!"
"Nein. Ich glaube nicht an eine Liebe, welche mir einen so einfachen Wunsch verweigert. Darf ich nicht einmal das Zimmer sehen, welches mein Mädchen bewohnt, so ist von Liebe und Vertrauen keine Rede." "Du bist grausam!"
"Nein. Entscheide Dich! Soll ich allein gehen oder wollen wir jetzt mit einander aufbrechen?"
Sie zögerte eine Weile mit der Antwort, dann klang es gepreßt:
"Komm!"
Sie erhoben sich und traten den Rückweg an. Das andere Paar schien zu sehr in seine eigenen Angelegenheiten vertieft zu sein, um diese Entfernung zu bemerken. Karl erhob sich, um noch vor den Vorangegangenen die Stadt zu gewinnen.
Er glaubte jetzt zu der Annahme berechtigt zu sein, daß er Emma noch nicht verloren geben dürfe; es galt nur, den Einfluß des prinzlichen Abenteurers zu zerstören, und das konnte ja nicht schwer fallen.
Er suchte gegenüber dem Wohnhause eine dunkle Thüröffnung, in welche er trat, bis sie mit ihrem Begleiter erschien. Sie zog den Hausschlüssel hervor, um zu öffnen, und eben wollte sie zur Seite treten, um dem Prinzen den Vortritt zu geben, als es hinter ihnen erklang: "Halt! Magst Du nicht allein hinaufgehen, Emma?" Sie fuhr erschrocken herum. (\69\)A "Karl!"
"Ja, ich bin es. Bitte, geh hinauf! Ich werde Dir morgen am Tage meinen Besuch machen, um weiter mit Dir zu sprechen; zu so später Zeit aber verlangt kein ehrlicher Mann Zutritt bei einer Dame."
"Herr, wer sind Sie?" brauste der Prinz auf.
"Ich habe keine Veranlassung, meinen wahren Namen zu verbergen; doch brauche ich ihn nicht zu nennen; ich bin der Scriblifax, von welchem diese Dame Ihnen erzählt hat." "Schön! Dann treten Sie gefälligst zur Seite! Ich gestehe Ihnen nicht das mindeste Recht zu, uns den Eingang zu verwehren." "Und ich gestehe Ihnen nicht die Erlaubniß zu, ein Mädchen unglücklich zu machen, welche brav war, ehe es Ihnen gelang, Sie durch Lüge und Verstellung zu bethören. Dieses Haus werden Sie heut nicht betreten!" "Wirklich?" klang es höhnisch. "Marsch, zur Seite!"
Emma war bereits nach den ersten Worten der Gegner im Flur verschwunden, doch stand die
Thür noch offen. Wer Sieger blieb, konnte eintreten. Der Prinz hatte den Literaten beim Arme gefaßt und versuchte, ihn von der Thür zu drängen; es gelang ihm nicht.
"Herr, nehmen Sie die Hand von mir," drohte Karl. "Ich möchte sonst vergessen, wer Sie sind!"
"Ah! Wer bin ich denn?"
"Entweder ein Prinz oder ein Schurke, was Beides zuweilen recht gut vereinigt zu sein scheint. Wählen Sie zwischen Beiden!"
"Spion!" knirschte der Prinz und faßte seinen Gegner mit beiden Fäusten vor der Brust. "Fort, sage ich, und zwar zum letzten Male!"
Karl drängte die Fäuste des Prinzen von sich ab, faßte ihn bei der Hüfte und schleuderte ihn gegen die Mauer.
"Wollen sehen, wer fortgeht, Sie oder---oh - Hülfe - - oh - - !"
Er brach zusammen, ohne den Satz vollständig aussprechen zu können. Der Prinz, von Wuth hingerissen, hatte den Degen gezogen und ihm denselben in die Brust gestoßen. "So, Bursche; Du bist beseitigt. Jetzt hinauf!"
Ohne sich um die Folgen seiner That zu bekümmern, tastete er sich den Flur entlang nach der Treppe hin und stieg dieselbe empor. Droben stand Emma, zitternd vor Angst und Besorgniß. "Wer da? Bist Du es, Emma?" "Ja."
"Öffne! Du wohnst doch hier, nicht wahr?"
"Ja. Aber bitte, laß mich heut allein! Wo ist Goldschmidt?"
"Vor der Thür."
"Was ist mit ihm? Um Gottes willen, sage es! Ich hörte ihn um Hülfe rufen." "Ich mußte ihm ein wenig die Haut ritzen; das ist Alles!" "Himmel, Du hast nach ihm gestochen?"