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Pewter zog die Nase kraus.»Ich hörte Ozzie was von einer Schildkröte sagen, aber ich habe nicht richtig hingehört. Es war so viel los.« Sie seufzte.

»Habt ihr schon mal Fischbällchen gerochen?« Pewters Gedanken kehrten zum Futter zurück, ihrem Lieblingsthema. »Die riechen vielleicht gut. Mrs. Murphy, hat Harry keine Leckerbissen mehr?«

»Doch.«

»Meinst du, sie gibt mir was?« »Ich geb dir was, wenn du versprichst, daß du uns alles erzählst, was du über Kelly Craycroft hörst. Absolut alles.

Und ich verspreche, daß ich mich nicht über dich lustig mache.«

»Versprochen.« Die dicke Katze schwabbelte feierlich.

Mrs. Murphy sprang vom Schalter und lief zum Schreibtisch. Die untere Schublade stand einen Spalt offen. Sie quetschte ihre Pfote hinein und angelte ein Stückchen gedörrtes Rindfleisch heraus. Sie warf es Pewter zu, die es augenblicklich vertilgte.

10

Bob Berryman lachte während des Films mehrmals laut auf. Er war allein. Außer Bob kannten Harry und Susan keinen Menschen im Kino. Charlottesville, gedrängt voll mit lauter neuen Leuten, war eine neue Stadt für sie geworden. Man konnte nicht mehr in die Stadt fahren in der Erwartung, Freunde zu treffen. Nicht daß die neuen Leute nicht nett waren - nein, das waren sie durchaus -, aber es war schon verdrießlich, sich an dem Ort, wo man geboren und aufgewachsen war, plötzlich wie ein Fremder vorzukommen.

Die neuen Einwohner strömten in solchen Scharen in den Bezirk, daß ihnen die Aufnahme in die etablierten Clubs und die Übernahme der etablierten Gepflogenheiten nicht schnell genug ging. Folglich schufen die neuen Leute ihre eigenen Clubs und Gepflogenheiten. Früher hatten die vier wichtigen gesellschaftlichen Zentren - der Jagdclub, der Country Club, die Kirchen der Schwarzen und die Universität - der Gemeinde Stabilität gegeben wie die vier Ecken eines Quadrats. Jetzt zog es die jungen Schwarzen fort von den Kirchen, der Country Club hatte eine sechsjährige Warteliste für neue Mitglieder, und an der Universität studierten fast nur noch junge Leute von außerhalb. Und was den Jagdclub anging, so konnten die meisten neuen Leute nicht reiten.

Auch das Straßennetz war den neuen Belastungen nicht mehr gewachsen. Der Staat Virginia schacherte nun darum, einen großen Teil der Landschaft mit Umgehungsstraßen zuzupflastern. Die Bewohner, alte wie neue, opponierten erbittert gegen die Zerstörung ihrer Umwelt. Den Leuten vom Verkehrsamt wäre inzwischen in einem Raum voller Skorpione wohler gewesen, denn die Sache wurde brenzlig. Die naheliegende Lösung, die zentrale Durchgangsstraße, die Route 29, auszubauen oder eine Direktverbindung oberhalb der bestehenden Straße zu schaffen, kam für die maßgeblichen Instanzen in Richmond nicht in Frage. Sie riefen »zu teuer« und ignorierten dabei die horrenden Summen, die sie bereits vergeudet hatten, indem sie ein Forschungsunternehmen engagierten, um für sie die Drecksarbeit zu verrichten. Sie dachten, die Bevölkerung würde ihren Zorn gegen das Forschungsunternehmen richten, und das Verkehrsamt könnte sich hinter diesem Schutzschild verstecken. Die republikanische Partei ergriff sofort die Gelegenheit, die regierenden Demokraten in eine prekäre Lage zu bringen und verwandelte die Umgehungsstraße in ein politisch heißes Eisen. Das Verkehrsamt blieb hartnäckig. Den Demokraten, deren Macht schwand, wurde mulmig zumute. Die Angelegenheit entwickelte sich zu einem interessanten Drama, in welchem politische Karrieren begannen und endeten.

Harry war der Ansicht, jede veröffentlichte Zahl müsse man im Geist noch verdoppeln. Aus einem absurden Grund konnte die Regierung nicht mit Geld umgehen. Das bekam Harry im Postamt zu spüren. Die Bestimmungen, die eigentlich zu ihrer Erleichterung erlassen wurden, machten alles nur noch schlimmer, so daß sie ihr Postamt schließlich so betrieb, wiees für die Gemeinde am besten paßte, und nicht, wie es irgendeinem fernen Sowieso paßte, der in Washington, D.C. auf seinem fetten Arsch saß. Dasselbe galt für die Leute von der Staatsregierung in Virginia. Sie würden nicht auf den Straßen fahren, die sie bauten; ihnen brach nicht das Herz, weil herrliches Ackerland vernichtet und die Wasserscheide gefährdet wurde. Sie zogen eine hübsche Linie auf der Landkarte und erzählten dem Gouverneur etwas von Verkehrsfluß. Alle Regierungsangestellten rechtfertigten ihr Vorhandensein, indem sie die Prozedur so stark wie möglich komplizierten und dann die Komplikationen lösten.

Unterdessen erzählte man den Bürgern von Albemarle County, sie müßten den Raub ihres Landes zugunsten der südlicheren Bezirke akzeptieren, Bezirke, die erhebliche Beträge zur Wahlkampfführung gewisser Politiker beigesteuert hatten. Nicht einer erwog die Idee, die Leute selber Geld aufbringen zu lassen, um die zentrale Durchgangsstraße auszubauen. Wie hoch auch die zusätzlichen Kosten im Vergleich zu einer Umgehungsstraße sein würden, Albemarle war bereit, sie zu zahlen. Doch eine derartige Selbstverwaltung - allein schon der Gedanke daran war allzu revolutionär.

Harry, in dem Glauben erzogen, die Regierung sei ihr Freund, hatte durch Erfahrung gelernt, die Regierung für ihren Feind zu halten. Sie relativierte ihre Einstellung nur städtischen Beamten gegenüber, die sie kannte und mit denen sie persönlich reden konnte.

Etwas sprach für die Neulinge: Sie waren politisch aktiv. Gut, dachte Harry. Sie werden es brauchen.

All diese Dinge hatte sie mit Susan in der Blue Ridge- Brauerei bequatscht. Eiskaltes Bier an einem schwülen Abend schmeckte köstlich.

»Und?«

»Was und, Susan?«

»Du sitzt seit zehn Minuten da und hast keinen Ton gesagt.«

»Oh, Verzeihung. Mein Zeitgefühl muß mir abhanden gekommen sein.«

»Anscheinend.« Susan lächelte. »Komm schon, was ist los? Wieder Streit mit Fair?«

»Weißt du, ich kann nicht entscheiden, wer das größere Arschloch ist, er oder ich. Ich weiß bloß, wir können nicht im selben Zimmer sein, ohne zu streiten. Selbst wenn wir in freundschaftlichem Ton anfangen. es endet immer mit gegenseitigen Vorwürfen.«

Susan wartete. Harrys Satz blieb unvollendet. »Gegenseitige Vorwürfe weswegen?«

»Ich hab ihn gefragt, ob er mit Boom Boom schläft.«

»Was?« Susans Unterlippe klappte herunter.

»Du hast richtig gehört.«

»Und?«

»Er hat nein gesagt. Oh, und dann ging es weiter. Jeden Fehler, den ich gemacht habe, seit wir uns kennen, hat er mir ins Gesicht geworfen. Gott, ich bin's so leid, ihn, die Situation« - sie machte eine Pause - »mich selbst. Da draußen ist eine ganze Welt, und alles, woran ich denken kann, ist diese dämliche Scheidung.« Wieder eine Pause. »Und Kellys Ermordung.«

»Zum Glück gibt es da keine Verbindung.« Susan trank einen tiefen Zug.

»Hoffentlich nicht.« »Bestimmt nicht.« Susan verwarf den Gedanken sofort. »Das glaubst du doch auch nicht. Er war vielleicht nicht der Mann, den du gebraucht hast, aber er ist kein Mörder.«

»Ich weiß.« Harry schob das Glas weg. »Aber ich kenne ihn nicht mehr - und ich traue ihm nicht.«

»Ist dir je aufgefallen, daß Freunde einen lieben, weil man ist, wie man ist? Liebhaber versuchen, einen zu verändern, wie sie einen haben wollen.« Susan trank Harrys Bier aus.

Harry lachte. »Mom hat immer gesagt, eine Frau heiratet einen Mann, weil sie hofft, ihn ändern zu können, und ein Mann heiratet eine Frau, weil er hofft, daß sie sich nie ändern wird.«

»Deine Mutter war umwerfend.« Susan erinnerte sich an Graces scharfen Witz. »Aber ich glaube, daß auch Männer versuchen, ihre Partnerinnen zu ändern, wenn auch auf andere Art. Es ist so verwirrend. Je älter ich werde, desto weniger verstehe ich von menschlichen Beziehungen. Ich dachte, es wäre umgekehrt. Ich dachte, ich würde klüger.«