»Herzchen, es ist zum Kotzen.« Susan setzte sich zu ihr und legte einen Arm um sie. »Möchtest du nach Hause?«
»Nein. Da ist es noch gräßlicher als hier.« Boom Boom zitterte beim Einatmen. »Spielen wir. Ich fühl mich besser, wenn ich in Bewegung bin. Tut mir leid, daß ich dich angebrüllt habe. Ich fühlte mich einfach ins Verhör genommen. Bei Rick Shaw hat es mir nicht soviel ausgemacht, aber diese lächerlichen Reporter gehören ausgepeitscht. Ich hab ihnen die Tür vor der Nase zugeknallt. Ich wollte es einfach nicht auch noch von dir hören.«
»Es tut mir wirklich leid. Harry und ich denken, wenn wir Freundinnen untereinander herumschnüffeln, finden wir vielleicht was. Es ist eine furchtbare Strapaze für dich, und ich war keine Hilfe.«
»Doch, warst du. Ich hab geschrieen und gebrüllt und meine Tasche auf die Erde geschmissen. Jetzt fühl ich mich leichter.« Sie stand flink auf und drehte ihre Tasche wieder richtig herum.
Susan hob die Bälle auf. »Hier.« Sie bemerkte den Markennamen. »Wann hast du die gekauft?«
»Vorige Woche. Die müßten vergoldet sein, die teuren Scheißdinger. Guck, da steht mein Monogramm drauf.« Sie zeigte auf das rote B.B C. das sorgfaltig in die glänzend weiße Oberfläche eingeritzt war.
»Wie hast du das gemacht?«
»Das war ich nicht. Das war Josiah. Er hat Werkzeug für alles. Der Mann geht mir auf die Nerven, kauft all diesen Mist, hübscht ihn ein bißchen auf und verkauft ihn dann irgendeinem Parvenü für ein Vermögen.«
»Aber er ist amüsant.« Susan griff nach ihrem Ball.
Boom Boom wartete, bis Susan mitten im Rückschwung war. »Josiah sagt, Mims Börse klemmt. Ich hab Möse verstanden. Paßt beides, nicht?« Sie lachte.
Natürlich verpatzte Susan ihren Schlag. »Verdammt.«
Der Ball klatschte ins Wasser, und eine Fontäne spritzte hoch.
Das heiterte Boom Boom für kurze Zeit auf. Sie fand ihren Ball, umrundete ihn, als sei er eine Schlange, und bekam ihn schließlich aus dem Rough heraus. Kein schlechter Schlag.
»Wenn dir irgendwas einfällt, sagst du's mir?«
»Ja.« Boom Boom hob ihre Tasche auf. Sie benutzte keinen Golfwagen, weil das in ihren Augen gegen den Sinn des Golfspielens verstieß. Am Wochenende nahm sie einen, weil der Club sie dazu zwang, aber sie beklagte sich ausgiebig darüber. Sie hatte es fertiggebracht, an der Bar im Clubhaus auf ein fettes Vorstandsmitglied zu zeigen und zu erklären, wenn er aus dem Golfwagen stiege und zu Fuß ginge, würde er vielleicht nicht mehr aussehen wie der Michelinmann.
Susan guckte ins Wasser. Die vorübergleitenden Enten guckten zurück. Susan hatte eigens zu diesem Zweck einen Ballkescher dabei, und mit einigem Geschick befreite sie ihren Ball aus der Tiefe.
»Ich sollte mir auch so einen zulegen.«
»Zumal du soviel Geld für Golfbälle ausgibst.« Susan schob den Kescher wieder zusammen und verstaute ihn in ihrer Tasche. Dann ließ sie ihren Ball fallen.
»Wieso denkst du, daß es ein und dieselbe Person getan hat?« Boom Boom hatte sich genügend beruhigt, um auf Susans ursprüngliche Frage zurückzukommen.
»Zwei grausame - ganz besonders grausame - Morde, und das innerhalb einer Woche.«
»Das ist nicht stichhaltig. Der zweite Mord könnte eine Nachahmung sein. Die Titelseiten der Zeitungen, die Abendnachrichten und Gott weiß was noch waren voll von Einzelheiten über Kellys Ermordung. Es gehört nicht viel Grips dazu, um festzustellen, daß die Zeit günstig war, um eine alte Rechnung zu begleichen, und dann gute Nacht, Maude Bly Modena.«
»Daran hab ich noch nicht gedacht.«
»Ich hab noch an was anderes gedacht.«
»Was?«
»Susan, was, wenn die Polizei uns nicht alles sagt? Wenn sie mit irgendwas hinterm Berg hält?«
»Auch daran hab ich noch nicht gedacht.« Susan schauderte.
15
Rick Shaw beugte sich über einen weiteren Bericht des Untersuchungsrichters. Normalerweise versank das Büro am Wochenende in einen Zustand der Erstarrung, abgesehen von den Fällen wegen Trunkenheit am Steuer. Nicht so an diesem Wochenende. Die Leute waren angespannt. Er war angespannt, und die verfluchte Zeitung hatte ihm einen Reporter an die Fersen geheftet. Der Vogel nistete auf dem Parkplatz, seit er ihn aus dem Büro geworfen hatte.
Es gab keine Anzeichen für sexuellen Mißbrauch des Opfers. Maude war zwei Stunden tot gewesen, bevor der Zug sie überfuhr; auch das berichtete der Untersuchungsrichter. Es gab aber auch keine Schußwunden, keine Schwellungen am Hals und keinerlei Quetschungen. Auch diesmal fand sich eine winzige Spur Zyanid in den Haaren. Wer auch immer diese Menschen mit Zyanid umbrachte, verstand eine Menge von Chemie. Er oder sie ging keineswegs verschwenderisch mit dem Zeug um. Der Mörder bezog das Körpergewicht des Opfers in seine Berechnungen ein. Rick schüttelte den Kopf und klappte den Bericht zu, dann schlurfte er zu Officer Coopers Schreibtisch, wo er aus einem offenen Päckchen eine Zigarette schnorrte. Ein verbotenes Vergnügen, das bald von Schuldbewußtsein abgelöst werden würde, aber nicht bevor die Zigarette geraucht war.
Ein tiefer Zug beruhigte ihn. Er durfte nicht vergessen, auf dem Nachhauseweg Pfefferminz zu kaufen, damit seine Frau seinen Atem nicht roch. Er studierte eine Karte des Bezirks an der Wand. Die Fundorte der zwei Leichen lagen im selben Landstrich, nur wenige Kilometer auseinander. Der Mörder war höchstwahrscheinlich aus der Gegend, aber nicht unbedingt ein Einwohner von Crozet. Albemarle County umfaßte fast zweitausend Quadratkilometer, und jedermann konnte mühelos nach Crozet hinein- und wieder hinausfahren. Natürlich kannte man sich untereinander. Ein Fremder wäre aufgefallen. Keine Meldung dieser Art. Selbst jemand aus Charlottesville oder ein Freund von außerhalb wäre beobachtet worden.
Die Posthalterin und Market Shiflett bildeten den Mittelpunkt des öffentlichen Lebens. Officer Cooper hatte erwähnt, daß die Posthalterin eine Idee mit irgendwelchen Postkarten hatte. Die Menschen dachten gewöhnlich, was sie taten, sei von Belang, und Mary Minor Haristeen war keine Ausnahme. Der Sheriff überprüfte die Postkarten binnen einer Stunde nach Harrys Telefonat. Die Poststempel waren aus verschiedenen Orten.
Trotzdem beschloß er, Harry anzurufen. Nach einigen Höflichkeiten dankte er ihr für ihre Wachsamkeit und sagte ihr, er habe die Postkarten überprüft, und sie schienen ihm in Ordnung.
»Könnte ich sie haben - für kurze Zeit?« bat Harry ihn.
Er überlegte. »Wozu?«
»Ich mochte sie mit den Stempelfarben bei mir im Amt vergleichen - bloß für alle Fälle.«
»In Ordnung, wenn Sie versprechen, sie nicht zu beschädigen.«
»Bestimmt nicht.«
Nach Rick Shaws Telefonat rief Harry Rob an, und er erklärte sich bereit, die erste Postkarte aus Frankreich, die ihm im Hauptpostamt in die Hände fiel, »auszuleihen«. Sie gelobte, sie ihm am nächsten Tag zurückzugeben.
Dann fiel ihr ein, daß sie Mrs. Hogendobber befragen mußte. Sie rief Mrs. H. an, die erstaunt war, von ihr zu hören, sich aber mit einer gemeinsamen Teestunde einverstanden erklärte.
16
Mrs. Hogendobber servierte einen verdächtig grünen Tee. Kleine weiche Schokoladenkekse, aus denen labberig gewordene Eiweißmasse herausrann, ruhten auf einem Teller aus altmodischem Porzellan. Mrs. Hogendobber schnappte sich einen und verschlang ihn mit einem Biß.
Harry mußte an eine menschliche Ausgabe von Pewter denken. Sie unterdrückte ein Kichern und nahm einen tropfenden Schokoladenkeks, um nicht undankbar für das üppige Mahl zu erscheinen - na, Mahlzeit.
»Ich vermeide seit einiger Zeit Koffein. Hat mich reizbar gemacht.« Mrs. H. spreizte den kleinen Finger ab, wenn sie ihre Tasse hielt. »Ich habe meinen Haushalt von Limonade, Kaffee, sogar schwarzem Tee befreit.«