Tucker kam bellend in die Küche und sprang auf die Hinterbeine.»Das ist er! Das ist er!«
»Tucker, geh da runter. Du darfst das Glas ausschlecken, wenn ich fertig bin.«
Mrs. Murphy, die den Radau hörte, erhob sich vom Wohnzimmersofa.»Was ist los, Tucker?«
»Da ist dieser Geruch.« Tucker drehte sich so schnell im Kreis, daß ihr schneeweißer Latz nicht mehr klar zu erkennen war.»Ähnlich wie der Schildkrötengeruch, bloß angenehmer, süßer.«
Mrs. Murphy sprang auf die Anrichte und beschnupperte die Weizenkeim- und Mandelkrümel. Der Eiscremegeruch war stark. Sie schnüffelte angestrengt und sprang dann von der Anrichte auf Harrys Schulter.
»He, jetzt ist es aber genug. Diese schlechten Manieren habt ihr nicht zu Hause gelernt.« Harry stellte ihren Becher auf die Anrichte, hob Mrs. Murphy von ihrer Schulter und setzte sie sachte auf die Erde.
Tucker gab der Katze einen Nasenkuß.»Was hab ich dir gesagt?«
»Ziemlich ähnlich. Die Mandeln riechen nicht direkt nach Schildkröte, aber eine Schildkröte riecht auch nicht direkt wie das, was wir bei der Betonfabrik und auf den Bahngleisen gerochen haben. Was mag das bloß sein?«
Mrs. Murphy und Tucker saßen nebeneinander und starrten zu Harry hinauf, die den letzten Tropfen trank.
»Ach ja, richtig.« Harry nahm Hundekuchen und Katzenkekse aus dem Schrank. Sie gab jedem Tier ein Stück. Die beiden ignorierten das Futter.
»Nicht bloß schlechte Manieren, obendrein auch noch wählerisch.« Harry wedelte mit dem Katzenkeks vor Mrs. Murphys Nase. »Ein Häppchen für Mommy.«
»Wenn sie mit der Mommy-Nummer anfangt, wird sie als nächstes gurren und surren. Iß lieber auf«, riet Tucker.
»Ich versuche den Mandelgeruch in der Nase zu behalten… Oh, hm, wahrscheinlich hast du recht.« Mrs. Murphy nahm den Keks zierlich aus Harrys Fingern.
Tucker, weniger zurückhaltend, verschlang ihren Kuchen mit dem glasurähnlichen Überzug.
»Braves Kätzchen. Braves Hündchen.«
»Ich wünschte, sie wurde aufhören, mit uns zu reden wie mit kleinen Kindern«, murrte Mrs. Murphy.
24
Der Samstag war ein strahlender Tag, ziemlich ungewöhnlich für den schwülen Julimonat. Die Berge glitzerten hellblau, der Himmel zeigte sich in einem cremigen Rotkehlcheneierblau. Mim Sanburne stolzierte zu dem kleinen Anlegesteg am See, der ebenfalls im klaren Licht schimmerte. Ihr Pontonboot Mim's Vim, die Seitenwände geschrubbt, das Deck geschrubbt, schaukelte sachte auf den plätschernden kleinen Wellen. Die Bar lief über von alkoholischen Genüssen. Ein großer Weidenkorb voll leckerer Spezialitäten, wie mit Rahmkäse gefüllte Schotenerbsen, stand neben dem Steuerrad. Alles war glänzend, Mims Ausstaffierang eingeschlossen. Sie trug eine strahlendweiße Matrosenhose, rote Espadrilles, ein quergestreiftes rot-weißes T-Shirt und ihre Kapitänsmütze. Ihr Lippenstift, ein grellroter Fleck, reflektierte das Licht.
Jim Sanburne und Rick Shaw steckten im Haus die Kopfe zusammen. Mim hatte ihren Mann sagen hören, man solle das FBI einschalten, aber Rick wiederholte ständig, der Fall lohne nicht für das FBI.
Little Marilyn folgte einem Diener, der die hübschen Körbchen mit den Partygeschenken trug. Beim Anblick der Körbe kam Mim flüchtig der Gedanke an Maude Bly Modena. Sie verbannte ihn schleunigst wieder aus ihrem Kopf. Ihre Theorie war, daß Maude Kellys Mörder überrascht haben mußte und deswegen umgebracht worden war. Mim wußte aus zahlreichen Fernsehsendungen, daß ein Mörder oft ein zweites Mal morden mußte, um seine Spuren zu verwischen.
Nachdem sie die kleinen Geschenke auf ihrem Boot arrangiert hatte, schlenderte Mim trage zur Terrasse hinauf und ging ums Haus herum nach vorn. Trichterlilien prunkten knallgelb und orangerot. Seltsamerweise blühte ihre Glyzine noch, und der Lavendel stand in voller Pracht. Sie konnte die Ankunft ihrer Freundinnen Port und Elliewood sowie Miranda Hogendobber kaum erwarten. Nicht daß Miranda ihnen gesellschaftlich das Wasser hatte reichen können, aber Mim hatte Harry gestern abend bei Josiah deutlich zu ihr sagen hören, daß sie dem neu gebildeten Komitee »Wir feiern Crozet« vorstehen solle, und Big Marilyn beabsichtigte, einem solchen Komitee ebenfalls anzugehören. Überdies waren die niederen Klassen mächtig geschmeichelt, wenn sie hin und wieder an den kleinen Zusammenkünften der Elite teilhaben durften. Mim war überzeugt, daß Miranda sich überschlagen wurde, wenn Mim zu verstehen gab, daß auch sie in den Komiteevorstand einzutreten gedenke. Vorrangiges Ziel des Tages wurde es sein, Miranda von der Religion, Port von den Enkelkindern und Elliewood von den Morden fernzuhalten. Keine Mordgespräche heute - die verbat sie sich entschieden.
Während Mim darauf wartete, daß die beiden vornehmen Damen sowie die eine weniger vornehme über die gut drei Kilometer lange Zufahrt vorgefahren kamen, erlaubte sie sich einen geistigen Rückblick auf ihre »Weiße Party«. Von Josiah in Silber und Weiß dekoriert, hätte es diejenige von Mims Parties werden sollen, über die inTown and Country berichtet wurde. Sie hatte für die Anwesenheit eines Reporters gesorgt. Josiah hatte den Kontakt mit der Presse hergestellt. Sie hätte sich nie dazu herabgelassen, offen Publizität zu suchen.
Jim hatte den Learjet zwischen New York und Kalifornien hin- und herdüsen lassen, um die Leute abzuholen. Nur zweihundert von Mims besten und liebsten Freunden.
Josiah, der sich der Planierkünste von Stuart Tapscott bediente, hatte am Ende des parkartigen Gartens einen zehn Meter langen, ovalen Teich angelegt. Die Tische wurden zwischen den Gartenwegen gedeckt, und die ganz besonderen Gäste wurden rund um den Teich plaziert. Josiah kleidete den Boden des Teichs aus, so daß es ein richtiges Schwimmbecken war. Er strich den Grund kobaltblau, und unter Wasser leuchteten Lampen. Doch von der Beleuchtung abgesehen paßte der Teich gut in die Landschaft. Prachtvolle Seerosen zierten die Wasserfläche, desgleichen gesetzte Schwäne, die mit Medikamenten ruhiggestellt waren. Je weiter der Abend fortschritt, desto mehr ließ die Wirkung des Mittels nach, und die Schwäne durchliefen eine Persönlichkeitsveränderung. Sie schalteten von heiter auf kampflustig um. Tropfend, flügelschlagend und heftig aufeinander einhackend schritten sie aus dem Teich, um ihren Anspruch auf Brandy und Petits fours geltend zu machen. Sie schrieen und attackierten die Gäste, von denen einige, die zuviel Brandy konsumiert hatten, in den Teich flohen. Mim selbst wurde von einem der größeren Schwäne belästigt. Sie wurde in letzter Minute von Jim gerettet, der sie einfach hochhob und den Tisch dem gierigen Vogel überließ.
Fotos von dem Debakel erschienen in großer Aufmachung in Town and Country. Das Heft, in unbeschwertem Ton gehalten, erklärte den Abend zwar nicht zur gesellschaftlichen Katastrophe, aber Mim wurmte es dennoch.
Miranda Hogendobber kam überpünktlich in ihrem uralten, aber makellosen Ford Falcon die Zufahrt hinauf, alsbald gefolgt von Elliewood und Port. Nach überschwenglichen Begrüßungen half Little Marilyn ihrer Mutter, die Damen zu verladen. Sie stieß das Pontonboot ab und winkte ihm vom Ufer aus nach. Dann setzte sie sich auf den Steg und ließ die Zehen ins Wasser baumeln.
Die erste Runde Drinks lockerte alle etwas auf. Selbst Miranda erlaubte sich ein wenig Alkohol, da er ein effektives Mittel gegen das Magenleiden war, das sie letzte Nacht heimgesucht hatte. Sie schlug die zweite Runde aus, nahm jedoch bei der dritten wieder ein winziges Schlückchen.
Mim nahm ein frisches Kartenspiel aus der Zellophanhülle, das noch nach Farbe roch. Port und Elliewood spielten gegen Miranda und Mim. Mim mühte sich unausgesetzt um Miranda, was Port und Elliewood amüsierte, die merkten, daß Mim auf irgendwas aus war. Gelegentlich winkte Mim der sonnenbadenden Little Marilyn auf dem Steg zu. Alles war einfach perfekt, denn Mim gewann.