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»Oh.« Courtney war interessiert. »Hatten Sie einen?«

»Das war etwas vor meiner Zeit, aber ich habe einmal einen Duesenberg gesehen, und mein Vater, der Autos liebte, hat mir davon erzählt.«

Für Courtney waren die zwanziger Jahre so fern wie das elfte Jahrhundert. Alter war etwas, das sie nicht verstand, und sie war nicht sicher, ob sie Mrs. Hogendobber soeben beleidigt hatte. Sie wußte, daß ihre Frage Mrs. Sanburne beleidigt haben würde. In diesem Nebel der Verwirrung verließ Courtney das Postamt.

»Ein liebes Kind.« Mrs. Hogendobber schwenkte ihre Handtasche. »In dieser Stadt vergißt niemand etwas. Ich jedenfalls nicht.«

»Ja?« Harry wartete auf einen Satz, der den Sinnzusammenhang herstellte.

»Ach, ich weiß nicht«, sagte Mrs. Hogendobber. »Ist mir bloß eben durch den Kopf gegangen. Ich hätte schon vor fünf Minuten in der Bibelstunde sein sollen, aber ich halte ständig Verbindung mit Ihnen und möchte, daß Sie es umgekehrt auch tun.«

»Abgemacht.«

Mrs. Hogendobber enteilte zu ihrem kirchlichen Damenkränzchen, und Harry wartete auf den Durchmarsch der Truppen, die in Erwartung eines Liebesbriefs gespannt ihre Schließfächer öffneten und stöhnten, wenn sie statt dessen eine Rechnung vorfanden. Sie wartete auch auf Rick Shaw. Sie

wußte nicht, ob er ein guter Sheriff war oder nicht. Es war noch zu früh, das zu beurteilen, aber sie fühlte sich sicherer, wenn er in der Nähe war.

26

Fair Haristeen wusch sich die Hände, nachdem er einen ungeborenen zehn Monate alten Foetus operiert hatte. Bei dem Stammbaum war das Fohlen hunderttausend Dollar wert, schon bevor es geworfen wurde. Fetaloperationen waren eine neue Technik, und Fair, ein begabter Chirurg, war bei den Züchtern von Vollblutpferden in Virginia gefragt. Sein Können und die Achtung, die ihm entgegengebracht wurde, stiegen ihm nicht zu Kopf. Fair machte nach wie vor auch in bescheidenen Ställen seine Runde. Er liebte seine Arbeit, und wenn er sich einmal Zeit gönnte, über sich nachzudenken, wußte er, daß es seine Arbeit war, die ihn am Leben hielt.

Als er die Tür des Operationszimmers öffnete, sah er Boom Boom Craycroft in seinem Sprechzimmer sitzen. Sie lächelte.

»Kummer mit den Pferden?«

»Nein. Bloß. Kummer. Ich bin gekommen, um mich zu entschuldigen für mein Benehmen an dem Tag, als Kelly ermordet wurde. Ich hab meinen ganzen Frust an dir ausgelassen - aber an so etwas mußt du inzwischen ja gewöhnt sein.«

Fair, der auf eine Entschuldigung nicht gefaßt war, räusperte sich. »Ist schon gut.«

»Gar nichts ist gut und mir ist nicht gut und die ganze Stadt ist verrückt.« Ihre Stimme schnappte über. »Ich habe mir ein paar ernste Gedanken gemacht. Das wird aber auch Zeit, wirst du sagen. Nein, du würdest gar nichts sagen. Du bist zu sehr Gentleman, bis auf das eine Mal, als du im Suff die Beherrschung verloren hast. Aber ich habe über mich und Kelly nachgedacht. Er ist eigentlich nie erwachsen geworden. Er war immer der schlaue Junge, der den Leuten eines draufgab, und ich bin auch nie erwachsen geworden. Wir hatten es nicht nötig. Reiche Leute werden nicht erwachsen.«

»Manche reichen Leute schon.«

»Nenn mir bloß drei.« Boom Booms schwarze Augen blitzten.

»Stafford Sanburne in unserer Generation.«

Sie lächelte. »Einer. Schön, ich nehme an, du hast recht. Vielleicht muß man leiden, um erwachsen zu werden, und wir können gewöhnlich jemanden bezahlen, damit er für uns leidet. Diesmal hat es nicht funktioniert. Hiervor kann ich nicht weglaufen.« Sie legte den Kopf zurück und ließ ihren graziösen Hals sehen. »Ich bin auch gekommen, um mich zu entschuldigen, weil ich nicht verstanden habe, wie wichtig deine Arbeit für dich ist. Ich glaube nicht, daß ich je verstehen werde, daß es wunderbar ist, einem Pferd in die Eingeweide zu greifen, aber - für dich ist es wunderbar. Jedenfalls, es tut mir leid. Ich hab mich entschuldigt. Das wollte ich dir sagen, und jetzt gehe ich.«

»Geh nicht.« Fair fühlte sich wie ein Bettler, und das Gefühl war ihm zuwider. »Gib mir die Chance, auch etwas zu sagen. Du warst nicht alle Tage ein verwöhntes Gör, und ich war auch kein Heiliger. Wir waren noch Kinder, als wir geheiratet haben. Harry ist ein anständiger Mensch. Kelly war ein anständiger Mensch. Aber was wußten wir denn mit Anfang Zwanzig? Ich dachte, die Liebe wäre Sex und Lachen. Eine einzige große Party. Himmel, Boom Boom, ich hatte nicht mehr Ahnung, was ich von einer Frau brauchte, als. hm. von Kernfusion.«

»Fission.«

»Fission ist, wenn sie auseinanderknallen. Fusion ist, wenn sie zusammenkommen«, verbesserte Fair sie.

»Ich habe dich verbessert. Eine unfeine Angewohnheit.«

»Boom Boom, ich kann verstehen, daß du über dein Leben nachdenkst, aber mußt du so umwerfend höflich sein?«

»Nein.«

»Jedenfalls, ich habe auch Fehler gemacht, und Harry hat sie zu spüren bekommen. Ich frage mich, ob jeder nur dadurch lernt, daß er andere Menschen verletzt.«

»Ist es nicht komisch? Ich habe das Gefühl, Kelly jetzt besser zu kennen als zu seinen Lebzeiten. Ich nehme an, du hast irgendwie das Gefühl, Harry besser zu kennen, seit ihr einen gewissen Abstand habt. Weißt du, daß wir gerade zum erstenmal offen und ehrlich miteinander reden? Gott, ist das immer so? Muß es eine Krise geben, damit man ehrlich zueinander ist?« »Ich weiß nicht.«

»Müssen wir unsere Ehen ruinieren, bevor wir Freunde werden können? Warum können wir nicht gleichzeitig Freunde und Liebende sein? Ich meine, schließt sich das etwa gegenseitig aus?«

»Ich weiß nicht. Ich weiß nur« - Fair senkte die Augen - »daß ich, wenn wir zusammen sind, etwas fühle, das ich noch nie gefühlt habe.«

»Liebst du Harry noch?« Boom Boom hielt den Atem an.

»Nicht auf die romantische Art. Im Moment bin ich so wütend auf sie, daß ich mir nicht vorstellen kann, jemals mit ihr befreundet zu sein, aber alle sagen, das geht vorbei.«

»Sie liebt dich.«

»Nein, tut sie nicht. Im Grunde ihres Herzens weiß sie das. Ich hasse es, sie anzulügen. Ich kenne alle ihre Gründe, aber wenn sie selbst dahinterkommt, wird sie mich am meisten wegen der Lügen hassen.«

Boom Boom saß einen Moment schweigend. Für sie als Frau gab es vieles, was sie Fair über seine Gefühle für Harry hätte sagen können, aber sie hatte schon genug riskiert, indem sie hergekommen war, um sich zu entschuldigen. Sie würde kein weiteres Risiko eingehen, jedenfalls nicht, bis sie sich stärker fühlte. »Ich leite jetzt die Firma, weißt du.« Sie wechselte das Thema.

»Nein, das wußte ich nicht. Es wird dir und der Firma guttun.«

»Ist das nicht ein Witz, Fair? Ich bin dreiunddreißig Jahre alt, und ich mußte nie im Leben pünktlich zur Arbeit kommen oder irgendwem für irgendwas verantwortlich sein. Ich bin. ich bin richtig aufgeregt. Ich bedaure, daß so etwas Entsetzliches passieren mußte, damit ich aufwachte. Ich wünschte, ich hätte etwas tun, etwas aus mir machen können, als Kelly noch lebte, aber. ich werde es jetzt tun.«

»Das freut mich für dich.«

Sie schwieg einen Moment, und Tränen traten ihr in die Augen. »Fair« - sie konnte kaum sprechen - »ich brauche dich.«

27

Ein heftiges Nachmittagsgewitter verdüsterte und durchnäßte Crozet. Es war ein Gewittersommer. Harry konnte in dem strömenden Regen nicht einmal zu den Bahngleisen hinübersehen. Tucker hatte sich auf ihr Lager verkrochen, und Mrs. Murphy, der der Donner ebenfalls nicht geheuer war, heftete sich an Harry wie eine Klette.

Sie hörte ein Zischen und einen Knall. Der Strom war ausgefallen, kein unübliches Vorkommnis.

Der Himmel war schwärzlich-grün. Er war Harry unheimlich. Sie tastete unter dem Schalter nach den Kerzen, die sie dort immer vorrätig hielt, fand sie und zündete ein paar an. Dann stellte sie sich an das vordere Fenster und beobachtete die von heftigen Windböen gepeitschte Sintflut. Mrs. Murphy sprang auf ihre Schulter. Harry griff nach ihr und nahm die Katze in den Arm. Sie hätschelte sie wie ein Baby, wiegte sie und dachte an Rick Shaws Reaktion auf die Postkarte: »Bedeckt halten.«