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Gefolgt von Officer Cooper stürmte Harry ins Schlafzimmer. »Schluß jetzt, ihr zwei!«

Mrs. Murphy hüpfte auf die Matratze, schlug einen vollendeten Purzelbaum, und als Harry sie packen wollte, flitzte sie davon und drückte sich flach unters Bett. Tucker war schon da.

Der Musselinstoff an der Unterseite der Matratze hing einladend herunter. Von Zeit zu Zeit pflegte sich Mrs. Murphy auf den Rücken zu legen und sich Pfote für Pfote von einem Ende des Betts zum anderen zu hangeln. Stoffetzen zeugten von ihrer Klettertechnik in Rückenlage. Sie langte hinauf und schlug die Krallen hinein.

»Nicht«, warnte Tucker.»Sie ist so schon wütend genug.«

»Jetzt reicht's, ihr zwei! Ich meine es ernst, wirklich ernst diesmal. Verdammt, die Lampe ist kaputt.«

»War sie wertvoll?« Officer Cooper kniete sich hin, um die Scherben aufzulesen. Sie sah sich einem Hündchen mit angelegten Ohren gegenüber, das sie anstarrte. »Der Hund lacht mich aus, ich schwöre es.«

»Eine echte Komödiantin.« Harry ging ebenfalls auf die Knie. »Mrs. Murphy, was hast du mit meinem Bett gemacht?«

»Wenn du hier drunter öfter saubermachen würdest, hättest du es längst gemerkt«, antwortete Mrs. Murphy.

»Die Lampe war nicht nur nicht wertvoll, es war die scheußlichste Lampe weit und breit. Ich bin bloß nie dazu gekommen, eine anständige zu kaufen. Ich habe ja kaum noch Zeit zum Zähneputzen und zum Essen.«

»Hmm«, sagte Cooper.

»O nein«, stöhnte Mrs. Murphy.»Jetzt kommt das Klagelied über den Fluß der Zeit, graue Haare und verlangsamte Reflexe. Ich wünschte, sie wäre schon fertig damit! Verdammt, Harry, die Papiere!«

»Maunz mich nicht an, Miezekatze. Ich könnte mich aufs Bett setzen und so lange warten, bis du rauskommst«, drohte Harry, noch auf den Knien. »Ich räum das Durcheinander lieber mal auf.« Sie begann, die Papiere aufzusammeln.

Officer Cooper las ein Blatt, während sie half. »Wo haben Sie die gefunden?«

»Das wissen Sie ganz genau. Oder informiert Rick Shaw Sie nicht über alles?«

»Oh, das hier und dieser Ordner, sind das die Sachen, die Sie aus Maudes Pult geklaut haben? Darüber hat er sich wirklich ins Hemd gemacht.« Sie kicherte.

»Ja.« Harry legte die Papiere aufs Bett. »Mrs. Hogendobber und ich haben sie kopiert. Wir haben aber die Arbeit der Polizei nicht behindert.«

»Unser Sheriff will alles wissen. Er ist ein guter Sheriff.« Sie fing wieder an zu lesen.

»Welchen Brief haben Sie da?« Harrys Knie knackten, als sie sich aufrichtete, um sich aufs Bett zu setzen.

»Vom 4. November 1851. An den Präsidenten und die Direktoren, Amt für öffentliche Bauvorhaben, vom Ingenieurbüro der Blue Ridge Railroad Company.«

»Zu schade, daß er nicht mitLieber Schatz< beginnen konnte - stellen Sie sich vor, wieviel Schreibpapier er dabei gespart hätte«, bemerkte Harry. »Ich glaube, in dem Brief geht es um die Behelfsbrücke bei Waynesboro, damit die Männer das Material über die Berge schleppen konnten.«

»Ja, das ist der Brief. Kaum zu glauben. Der ursprüngliche Arbeitslohn bei Abschluß des Tunnelvertrags betrug fünfundsiebzig Cent am Tag, und er schnellte für einige Arbeiter auf siebenundachtzigeinhalb hoch, für andere sogar auf einen Dollar. Die Männer haben für siebenundachtzigeinhalb Cent ihr Leben riskiert!«

»Eine andere Welt.« Harry reichte Officer Cooper ein anderes Blatt. Die Deckenlampe warf einen matten Schatten auf die blonden Haare der Polizistin. »Der hier ist interessant.« Sie fing an zu lesen.

»8. November 1853. Er hat viel im November geschrieben, nicht?« Sie las weiter. »,.. wurden wir plötzlich vom Ausbruch einer großen Wasserader überrascht, weswegen wir gezwungen waren, Kräfte von der Arbeit abzuziehen und zum Pumpen abzustellen, bis wir Maschinen für denselben Zweck beschaffen konnten, die von Pferden angetrieben wurden. Dieser Umstand hat sich im Laufe des Jahres mehrmals wiederholt, trafen wir doch immer wieder auf Wasseradern, und nun belaufen sich die Wassermassen, die wir in Schach halten müssen, auf nicht weniger als dreihundertfünfzig Liter pro Minute, mehr als zwanzigtausend Liter pro Stunde.« Sie pfiff. »Die hätten da drin ertrinken können.«

»Tunnels graben ist eine gefährliche Arbeit, und damals gab es noch kein Dynamit, müssen Sie bedenken. Er baute eine Unterführung, um das Wasser abzupumpen, und das war die längste Unterführung, von der je berichtet wurde. Hier ist noch ein Brief.«

Mrs. Murphy murrte.»Ich hab keine Lust, unterm Bett zu schlafen. Werden sie's nun endlich kapieren oder nicht?«

»Keine Ahnung.« Tucker gähnte.

»Hmm.« Cooper betrachtete blinzelnd das Blatt. »9. Dezember 1855. Lauter technisches Zeug über Gefälle und Kurven und das Verschalen der Ausschachtung.« Sie wählte eine dramatischere Stelle aus.»>…irgendwann im Februar 1854 blockierte ein immenser Bergrutsch den westlichen Eingang vollkommen, und da er, aus einer Höhe von etwa dreißig Meter kommend, ebenso schnell niederging, wie er weggeschaufelt werden konnte, verhinderte er bis spät in den Herbst desselben Jahres den Bau eines Bogens an diesem Ende des Tunnels. <« Sie wandte sich an Harry. »Wie alt war Claudius Crozet damals?«

»Er ist am 31. Dezember 1789 geboren, also muß das kurz vor seinem sechsundsechzigsten Geburtstag gewesen sein.«

»Und da hat er diese körperlichen Strapazen noch durchgestanden? Er muß unglaublich zäh gewesen sein.«

»War er auch. Er war wirklich ein Genie. Die Politik kostete ihn seine Stellung als Chefingenieur des Staates Virginia, doch weil zwölf Ingenieure zusammen nicht die Arbeit eines Crozet leisten konnten, mußte Richmond 1831 klein beigeben und ihn zurückholen. Das war lange bevor er die Tunnels baute. Wissen Sie, was er sonst noch gemacht hat?«

»Keine Ahnung.«

»Er hat die erste Tafel in West Point eingeführt. Er begann dort 1816 zu unterrichten. Können Sie sich einen Unterricht ohne Tafel vorstellen? Amerika muß primitiv gewesen sein. Das Bildungsniveau in West Point war so niedrig, daß er seinen Schülern Mathematik beibringen mußte, bevor er sie in Maschinenbau unterrichten konnte. Ein Wunder, daß wir den Mexikanischen Krieg nicht verloren haben.«

»Offenbar hat er den Bildungsstandard angehoben. Lee war Ingenieur, wissen Sie.«

»Ich weiß. Das weiß jedes brave Südstaatenkind - und es weiß von Stonewall Jacksons Talschlacht. Und daß >Jedermann< mehrere sind, nicht einer, und daß Maisbrot - wie bin ich da drauf gekommen?«

»Sie sind aufgedreht. Der viele Zucker in Susans Sauce zu dem Kalbfleisch.«

»Schon möglich. Hier, der ist mir der liebste.« Harry zog einen Brief aus dem unordentlichen Haufen. »Crozet wurde von den Zeitungen kritisiert, weil er so lange für die Tunnels brauchte, und wegen ihrer Lage, und er schrieb einem Freund: >Seltsame Dinge gehen hier vor, von denen Du gewiß etwas vernommen hast. In etlichen Zeitungen sind höchst unflätige und ungerechte Angriffe gegen mich erschienen, insbesondere im Valley Star. Obwohl wenige Menschen solche Dinge bemerken werden, es sei denn mit Abscheu, geziemt es sich doch, daß ich davon unterrichtet werde, andernfalls die Saat der Verleumdung rings um mich her gedeihen könnte, ohne daß ich die Möglichkeit hätte, sie rechtzeitig zu beschneiden. < Dann bittet er seinen Freund, ihm Zeitungsausschnitte zu schicken, die ihm in die Hände fallen. Als Adresse gab erBrooksville, Albemarle< an.« Sie streifte ihre Schuhe von den Füßen und legte den Brief hin. »Je mehr Dinge sich verändern, desto mehr bleiben sich gleich. Versucht man etwas Neues zu tun, etwas Fortschrittliches, wird man gekreuzigt. Ich kann es ihm nicht verdenken, daß er verärgert war.«