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»Glauben Sie, daß in einem der Tunnels ein Schatz liegt?«

»Oh - das würde ich gern glauben.« Harry krümmte ihre Zehen.

»Auto! Auto! Auto!« warnte Tucker und rannte unter dem Bett hervor zur Haustür.

»Licht aus!« befahl Officer Cooper. »Legen Sie sich auf den Boden!«

Harry warf sich so fest auf den Boden, daß sie einen Moment lang keine Luft mehr bekam und sich Nase an Nase mit Mrs. Murphy sah, die sich gerade unter dem Bett hervorwand.

Officer Cooper, die Pistole in der Hand, schlich zur Eingangstür. Sie wartete. Wer immer in dem Wagen war, stieg nicht aus, obwohl die Scheinwerfer ausgeschaltet worden waren. Das Licht im Wohnzimmer zeugte davon, daß jemand zu Hause war, und Tucker heulte sich die Seele aus dem Leib.

»Halt die Schnauze.« Mrs. Murphy gab dem Hund einen Stoß. »Wir wissen, daß draußen ein Auto ist. Du sicherst die Hintertür. Ich nehm die vordere.«

Tucker tat wie geheißen. Officer Cooper drückte sich flach neben die Eingangstür.

Die Wagentür schlug zu. Schritte klapperten zur Haustür. Einen langen, quälenden Augenblick geschah nichts. Dann ein leises Klopfen.

Ein lauteres Klopfen, gefolgt von: »Harry, bist du da?«

»Ja«, rief Harry aus dem Schlafzimmer. »Es ist Boom Boom Craycroft«, sagte sie zu Officer Cooper.

»Bleiben Sie auf dem Boden!« schrie Cooper.

»Harry, was ist los?« Boom Boom hörte Cynthia Coopers Stimme, erkannte sie aber nicht.

»Bleiben Sie, wo Sie sind. Heben Sie die Hände hinter den Kopf.« Officer Cooper knipste das Verandalicht an und erblickte eine verdatterte Boom Boom mit hinter dem Kopf verschränkten Händen.

»Ich bin nicht bewaffnet«, sagte Boom Boom. »Aber im Handschuhfach liegt eine Achtunddreißiger. Sie ist registriert.«

Mrs. Murphy folgte Officer Cooper auf den Fersen. Wenn etwas schiefging, konnte sie immer noch ein Bein hochklettern - in Boom Booms Fall ein nacktes - und sich so tief wie möglich hineinkrallen.

Officer Cooper öffnete langsam die Tür. »Bleiben Sie, wo Sie sind.« Sie durchsuchte Boom Boom.

Harry, auf allen vieren, spähte um die Schlafzimmertür. Leicht belämmert stand sie auf.

Boom Boom erhaschte einen Blick auf sie. »Harry, ist alles in Ordnung?«

»Klar. Boom Boom, was machst du hier?«

»Darf ich reinkommen?« Boom Booms Augen richteten sich auf Officer Cooper.

»Wenn Sie die Hände hinter dem Kopf behalten.«

Boom Boom trat ins Haus, und Cooper schloß die Tür hinter ihr, die Waffe noch im Anschlag. Boom Boom hatte Harry eine Menge erzählen wollen, aber in Officer Coopers Gegenwart fühlte sie sich gehemmt.

»Harry, ich habe Kellys Büro komplett durchgewühlt. Seit du vorbeigekommen bist, hab ich dauernd dran denken müssen, und - ich hab was gefunden.«

35

Zerknüllte Bögen gelbes Karopapier, die mit Bleistift eingekreisten Kilometerangaben verschmiert, leuchteten unter der Küchenlampe. Harry, Boom Boom, Officer Cooper, Mrs. Murphy und Tucker waren um den alten Tisch mit der Porzellanplatte versammelt. Immer noch mißtrauisch, behielt Coop ihre Pistole in der Hand.

»Ich habe die Fahrten der Lastwagen mit der Abschreibung in Maries Ordner verglichen. Sie stimmen nicht überein«, erklärte Boom Boom. »Und diese Rechnung ist nirgends abgebucht.« Sie brachte eine verblichene Rechnung über eine Riesenmenge Epoxyd und Harzlack zum Vorschein. Die Rechnung kam aus North Carolina.

»Vielleicht bedeuten die Mehrkilometer bei den Wagen, daß sie die Ware wieder hierher zurücktransportiert haben?« meinte Harry.

»Es sind drei Stunden bis Greensboro und drei Stunden zurück. Wir haben hier Tausende von Kilometern vor uns.« Boom Booms blaß-mokka lackierter Fingernagel pinnte die lange Zahlenreihe fest wie einen Schmetterling. »Und noch was. Ich habe in der Fabrik herumgefragt, ob jemand in den letzten vier Jahren Extra-Fuhren hatte. Kein Mensch hatte welche. Das besagt nicht, daß nicht jemand vielleicht lügt, aber meine Vermutung ist, daß, was immer transportiert wurde, Kelly selbst gefahren ist.«

Officer Cooper blätterte die Kilometerzahlen der vergangenen vier Jahre durch.»Es läßt sich nicht sagen, ob es kurze oder weite Fahrten waren. Sie haben bloß die Zahlen pro Monat.«

»Stimmt. Aber ich habe sie von Maries Zahlen abgezogen, vielmehr, ich habe Maries Zahlen von diesen hier abgezogen, und dabei kam für den großen Lastwagen ein Durchschnitt von anderthalbtausend Kilometern pro Monat heraus. Bei den anderen Lastern ist die Differenz kleiner.«

»Herrgott, das ist wirklich eine Menge Harz.« Harry schob ihren Stuhl zurück. »Möchte jemand was trinken?«

»Nein danke«, sagten beide.

»Er hat nicht Harz und Epoxyd transportiert. Darüber habe ich eine einzige Rechnung gefunden. Ich meine, es könnten noch mehr dasein, aber ich hab nur die eine gefunden, deshalb denke ich, er hat in dem großen Laster etwas anderes befördert und gelegentlich auch einen kleineren Lieferwagen benutzt.«

»Boom Boom, anderthalbtausend Kilometer im Monat, das ist die Strecke nach Miami, Drogenhochburg der USA«, bemerkte Coop. »Nein, das nehme ich zurück. Jede Stadt mit mehr als fünfhunderttausend Einwohnern ist heutzutage eine Drogenhochburg.«

»Wenn Kelly Rauschgift verschoben hat, war er bestimmt schlau genug, es als was anderes zu tarnen.« Harry hatte Kelly immer gern gemocht. »Und er hat die Laster oft gefahren. Er war gern im Freien, er liebte körperliche Arbeit. Ich vermute, er und Maude haben sich vor vier Jahren zusammengetan. Sie muß ihm geholfen haben, das Zeug zu verpacken - falls es Rauschgift war.«

»Versteifen Sie sich nicht auf Kokain oder gar Heroin«, riet Officer Cooper. »Es gibt einen großen Markt für Speed und Steroide. Damit hätte er die Südamerikaner umgangen. Die lassen nicht mit sich spaßen.«

»Er hatte früher schon mal mit Rauschgift zu tun, nicht?« fragte Harry.

Boom Boom sagte nichts.

»Er ist tot. Gegen Verbrechen aus der Vergangenheit kann ich nicht vorgehen«, sagte Coop.

Boom Boom seufzte. »Er hat es aufgegeben. Er hat aufgehört, das Zeug zu nehmen. Er sagte immer, zwischen den Drogenbaronen und hohen Regierungsbeamten bestünde eine geheime Absprache über den Drogenhandel. Die bestechlichen Kongreßabgeordneten und ihre Untergebenen wollten sich ihr steuerfreies Einkommen nicht nehmen lassen.>Eine verfluchte Sünde ist das<, sagte er immer.>Das amerikanische Volk verliert Milliarden von Dollars an Steuern wegen der Drogen, Steuern, mit denen Menschen geholfen werden könnte. Warum ist ausgerechnet Alkohol eine vom Staat subventionierte Droge, wenn alle anderen verboten sind? Den Handel kann man nicht unterbinden. Man kann ein bestimmtes Verhalten derMenschen nicht durch Gesetze erzwingen. < Er hat sich sehr darüber aufgeregt.«

»Tabak«, setzte Officer Cooper lakonisch hinzu.

»Was?« fragte Boom Boom.

»Eine legale Droge. Die am weitesten verbreitete Droge, die wir haben. Fragen Sie Rick Shaw.« Bei der Vorstellung, wie Rick immer wieder mal eine Zigarette stibitzte, mußte Coop lachen.

»Wir hier in Virginia wissen alles über Tabak.« Harry betrachtete die gelben Bögen. »Wo hast du die gefunden?«

»Hinter dem Rahmen des Posters, das er an der Wand hatte. Du weißt doch, das, wo die Ente mit einem Drink in ihrem Liegestuhl sitzt, und über ihrem Kopf sind Einschußlöcher. Dort habe ich natürlich zuallerletzt nachgesehen. Die Ecke der Rückenverstärkung war umgeknickt.«

»Ich muß das beschlagnahmen.« Cooper griff nach den Papieren in Harrys Hand.

»Ich möchte nicht, daß irgendwas hiervon in die Zeitung kommt. Wenn Sie endlich herauskriegen, wer der Mörder ist, kriegen Sie auch heraus, was sie tatsächlich gemacht haben. Die bisherige Publizität war aufreibend genug. Mir reicht's!«