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»Ich werde ihn zerstören! Den Blutsauger! Er hält uns alle als seine Geiseln, unsere Körper und unsere Seelen, er läßt uns verfaulen, wenn wir ihm nicht dienen, er…«

»Werden Sie nicht auch noch melodramatisch, Roger. Wir dienen dem Vorsitzenden, weil wir Spezialisten mit besonderen Kenntnissen und Fähigkeiten sind und weil dies der geeignete Ort ist, sie anzuwenden«, erwidert Schadrach und glaubt seine Stimme von einem Tonband im Büro des Sicherheitschefs zu hören. »Es ist nicht unsere Schuld, daß die Welt ist, wie sie ist. Die Regierung tut alles, um die Lage der werktätigen Massen zu verbessern. Wenn Sie lieber in Liverpool oder Manchester geblieben wären, um mit durchlöcherten Eingeweiden in irgendeinem stinkenden Keller zu vegetieren, dann hätten Sie es tun sollen.«

»Reizen Sie mich nicht, Mordechai!«

»Aber es ist wahr. Wir können uns glücklich schätzen, hier zu sein. Wir tun unser Bestes an einer Stelle, wo wir gebraucht werden. Schuld ist ein Luxus, den wir uns nicht leisten können. Sie und ich, wir haben den Viruskrieg und seine Folgen nicht zu verantworten. Wenn Sie jetzt aussteigen wollen, Buckmaster, dann tun Sie es, gehen Sie. Aber morgen früh, nachdem Sie sich beruhigt haben, werden Sie anders darüber denken.«

»Hören Sie auf, in dieser gönnerhaften Art mit mir zu reden, Mordechai«, sagt Buckmaster zornig. »Ich brauche mir das nicht gefallen zu lassen.«

»Ich versuche Sie zu schützen. Ich versuche Sie dahin zu bringen, daß Sie den Mund halten und aufhören, gefährlichen Unsinn in die Gegend zu brüllen.«

»Und ich versuche Sie dahin zu bringen, endlich den Stöpsel zu ziehen und uns von dem blutsaugerischen alten Teufel zu befreien!« ruft Buckmaster wildblickend.

»Sie denken also, wir wären ohne ihn besser dran?« sagt Schadrach. »Welches ist Ihre Alternative, Buckmaster? Was würden Sie vorschlagen? Reden Sie schon, es ist mir ernst. Sie haben mir eine Menge unfreundlicher Namen gegeben, aber nun können Sie vernünftig reden. Sie wollen die Revolution also weiterführen, richtig? Gut. Was ist Ihr Programm? Was wollen Sie?«

Aber Buckmaster ist über philosophische oder ideologische Erörterungen hinaus, jedenfalls in diesem Augenblick. Er starrt Mordechai in mühsam beherrschtem Abscheu an, während sein Mund Worte formt, die seine Kehle als unzusammenhängende gutturale Grunzlaute verlassen; er öffnet und schließt die Fäuste, schwankt besorgniserregend, und seine geröteten Wangen verfärben sich violett. Schadrach, dessen Mitgefühl längst verflogen ist, läßt ihn stehen und nimmt Nicki Crowfoot beim Arm. Als sie zusammen fortgehen, stürzt Buckmaster sich mit fuchtelnden Armen in einem unbeholfenen Ansturm auf Schadrach und versucht ihn zu Boden zu reißen. Es gelingt Schadrach, ihn bei den Handgelenken zu packen und festzuhalten. Buckmaster zappelt und windet sich, spuckt Gift und Galle und tritt mit den Füßen, vermag aber nichts auszurichten. »Nur ruhig«, murmelt Schadrach. »Beruhigen Sie sich schon, Roger. Lassen Sie den Unfug.« Er hält Buckmaster fest, bis er den Widerstand erlahmen fühlt, dann läßt er die Handgelenke des Engländers los und tritt zurück, die Hände abwehrbereit in Brusthöhe, aber Buckmaster hat genug. Er zieht sich zurück, läßt die Schultern hängen, ein geschlagener Mann. Nach ein paar Schritten bleibt er stehen, blickt finster zurück und murmelt: »Na gut, Mordechai. Bastard. Bleiben Sie bei dem alten Teufel. Wischen Sie ihm den altersschwachen Arsch. Sie werden ja erleben, was dabei herauskommt! Im Ofen werden Sie enden, Schadrach, im Feuerofen!«

Schadrach lacht. Die Spannung ist gebrochen. »Im Feuerofen. Das gefällt mir; bemerkenswert literarisch, Buckmaster.«

»Ja, lachen Sie nur, Mordechai, aber Sie werden im Verbrennungsofen enden!«

Schadrach lächelt und nimmt Nicki wieder beim Arm. Sie zeigt noch immer den verklärten Ausdruck, ist in ihrer transzendentalen Erfahrung wie gefangen. »Komm, gehen wir«, sagt er. »Ich halte das nicht mehr aus.«

Leise und verträumt, mit abwesender Stimme sagt sie: »Was meinte er damit, Schadrach? Mit dem Ofen?«

»Das ist ein biblischer Bezug. Schadrach, Meschach, Abed-Nego.«

»Wer?«

»Du weißt es nicht?«

»Nein. Schadrach, es ist ein so schöner Abend. Laß uns irgendwohin gehen.«

»Schadrach, Meschach, Abed-Nego. Im Buch Daniel. Drei jüdische Statthalter, die sich weigerten, Nebukadnezars goldenes Idol anzubeten. Der König ließ sie daraufhin in einen Feuerofen werfen, aber Gott schickte einen Engel zu ihnen, der sie beschützte, und die Flammen konnten ihnen nichts anhaben. Seltsam, daß du die Geschichte nicht kennst.«

»Was wurde aus ihnen?«

»Das sagte ich gerade. Sie blieben unversehrt. Nicht ein Haar wurde ihnen versengt, und Nebukadnezar ließ sie vor sich rufen und sagte ihnen, daß ihr Gott ein mächtiger Gott sei, und gab ihnen ihre Ämter im Reiche Babylon wieder. Der arme Buckmaster. Er sollte begreifen, daß ein Schadrach keinen Feuerofen fürchtet. Hattest du einen guten Trip?«

»O ja! Es war schön, Schadrach.«

»Wohin haben sie dich geschickt?«

»Zur Hinrichtung der Jeanne d’Arc. Ich sah sie auf dem Scheiterhaufen verbrennen, und es war schön, wie sie lächelte und zum Himmel aufblickte.«

Er runzelt die Stirn und sieht sie befremdet von der Seite an, aber sie merkt es nicht, schmiegt sich an ihn, während sie gehen.

Ihre Stimme scheint noch immer aus einem Traumbereich zu kommen; der brennende Scheiterhaufen hat sie aus irgendeinem Grund wie trunken gemacht. »Der begeisterndste Trip, den ich je hatte. Der am tiefsten vergeistigte.« Sie schüttelt sich, schmiegt sich von neuem an. »Wo können wir hingehen, Schadrach? Wo können wir allein sein?«

8

Nach seiner Auseinandersetzung mit Buckmaster hat er genug von Karakorum, und in seinem Überdruß sieht er jetzt, wie dieser ganze lange Tag ihn körperlich und geistig erschöpft hat; wenn es nach ihm ginge, würde er jetzt zur U-Bahn-Station wanken und sich zurück nach Ulan Bator und seiner Wohnung und einer Nacht tiefen, erholsamen Schlafs bringen lassen. Aber Nicki Crowfoot, von einer unheimlich anmutenden Begeisterung erfüllt, scheint jetzt obendrein von drängenden Lustgefühlen durchglüht, und er fühlt sich nicht stark genug, sich mit ihrer Enttäuschung auseinander zu setzen, wenn er ihr jetzt nicht zu Gefallen ist. Darum gehen sie Arm in Arm zum Stundenhotel am nördlichen Ende des Vergnügungsparks, und er mietet einen Raum für drei Stunden.

Das Zimmer ist ziemlich schäbig, eine fensterlose Kammer mit einer häßlichen, stellenweise abgelösten Tapete in blauen und lila Tönen. Zwischen Bett, Duschecke und Kleiderständer bleibt nur ein schmaler Streifen fleckigen Teppichbodens, aber mehr ist für den Zweck nicht nötig. Obwohl irgendwo eine alte Klimaanlage surrt und vibriert, herrscht ein abgestandener Geruch von Schweiß, Körperausdünstungen und ungelüfteter Garderobe. Nicki entledigt sich ihrer Kleider, noch ehe er die Tür richtig geschlossen hat, und von ihrem nackten Körper geht eine solche Anziehungskraft verführerischer Energie aus, daß Schadrach seine Müdigkeit und mit ihr Cotopaxi und Buckmaster und alles andere vergißt. Er kommt zu ihr, küßt sie, während seine Hände ihre Brüste liebkosen. Sie umarmt ihn, dann streift sie ihm die Kleider ab und klatscht angesichts seiner steifen Männlichkeit in die Hände.

Sie fallen aufs Bett. Mit Händen, deren Geschicklichkeit er gern mit jener des Chirurgen Wahrhaftig zu vergleichen pflegt, beginnt er das gewohnte Vorspiel, aber mit einem ungeduldigen Schulterzucken gibt sie ihm zu verstehen, daß er diese Phase überspringen kann; und er drängt mit einem so jähen, schonungslosen Stoß in den straffen, verborgenen Hafen zwischen ihren Schenkeln ein, daß beide vor Lust genüßlich grunzen.