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Schließlich setzte sie sich auf und sah Eistaucher an. — Er ist fort.

Sie hielten noch eine Weile seine Hände. Jetzt hatten sie es nicht mehr eilig.

Achter Teil

Schamane

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Alle aus dem Rudel nahmen sich etwas aus Dorns Besitz als Erinnerung, aber alles, was Dorn von Pfeifhase erhalten hatte, also seine Flöte, seine Pfeife, sein Feuerzeug, sein Malwerkzeug und der Umhang mit dem Bisonkopf, ging an Eistaucher.

Eistaucher spielte die Flöte, während sie Dorns Leichnam auf der Rabenplattform oben auf dem Gewundenen Berg auslegten. Es kam ihm vor, als machte die Flöte von allein die Musik und er müsse nur hineinblasen und könne zusammen mit den anderen auf die entstehende Melodie lauschen. Das war eine bemerkenswerte Entdeckung. Während er spielte, sah er den Leuten in die Gesichter und war überrascht, wie verstört die übrigen Rudelangehörigen wirkten. Ihm war nicht klar gewesen, wie viel Dorn ihnen bedeutet hatte. Er war immer zu dicht an ihm dran gewesen, um es zu erkennen. Eistaucher selbst spürte nichts.

Als sie seinen Leib auf der Plattform ausgelegt hatten, hörte Eistaucher auf zu spielen und sagte:

Wir, die wir dich zu Lebzeiten liebten, Die wir uns um dich gesorgt haben wie du dich um uns, Übergeben nun deinen Leib dem Himmel, Damit deine Knochen friedlich in Mutter Erde ruhen können Und deine Seele befreit von dieser Welt leben kann In den Träumen jenseits des Himmels. Wir werden dich niemals vergessen.

An jenem Abend stand Eistaucher mit Dorns Bisonkopf angetan vor den anderen am Feuer und erzählte ihnen die Geschichte von der Schwanenbraut. Ein junger Mann heiratet die Schwanenfrau, zieht fort, um bei den Schwänen zu leben, doch die Sache geht nicht gut, und er endet als Möwe. Es war eine von Dorns Lieblingsgeschichten, und alle hatten sie schon oft von ihm gehört. Und dann hatten Eistaucher und Elga und Dorn die Geschichte gelebt.

Genau wie die Flötenmelodie kam auch die Geschichte einfach aus ihm heraus. Mit einem Mal musste er sie nicht mehr kennen. Sie flog ihm mit jedem Atemzug zu, gleichmäßig ein und aus, und er musste immer nur so viel von der Geschichte ausatmen, wie in einen Atemzug passte. Ein paar Mal sprang er zurück, um Einzelheiten, die er vergessen hatte, hinzuzufügen, und ein paar Sachen erzählte er im Voraus; doch das gehörte dazu. Diesmal erzählte er die Geschichte allerdings so einfach wie möglich.

Den ganzen Tag über stand Heide am Rand der Gruppe, hielt den Blick abgewandt und sprach kein Wort. Als er mit der Geschichte fertig war, half Eistaucher ihr zurück ins Bett, und sie kam ihm leicht und uralt vor.

Sie setzte sich auf ihre Schlafstatt. Eistaucher sah auf sie hinab und erkannte, wie verzweifelt sie war. In seiner seltsamen neuen Entrücktheit, seiner Vogelsicht, bei der es sich vielleicht um den Blick des Schamanen handelte, überraschte ihn das ein wenig. Sie und Dorn hatten sich immer so schlimm gestritten. — Es tut mir leid, sagte er.

Sie sah ihn nicht an. — Ich weiß einfach nicht, mit wem ich jetzt reden soll, sagte sie.

An jenem Abend konnte er nicht einschlafen, und unter dem abnehmenden Mond wurde ihm klar, dass er allein in die Höhle gehen wollte, um etwas Neues zu malen. Im Herbst wäre es an Dorn gewesen, und Eistaucher wusste, dass Dorn große Pläne gehabt hatte, obwohl er wie immer nicht viel über sie verraten hatte. Doch Eistaucher wollte nicht so lange warten. Er wollte jetzt hineingehen.

Am nächsten Tag sagte er zu Moos: — Wenn ich schnell arbeite, dann ist Dorns Geist noch in der Nähe, um mir beim Malen zu helfen. Ich muss es also tun, bevor die Raben mit ihm fertig sind.

Moos nickte. — Heide wird dir dabei helfen, alles Nötige zu packen, und wir halten hier draußen alles beisammen, solange du in der Höhle bist.

— Guter Mann. Er hielt Moos mit seinem Blick fest. — Jetzt ist es an uns.

— Ich weiß, sagte Moos.

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Sie halfen Heide dabei, einen Rucksack mit Malsachen und mehreren Beuteln voll Fett für die Öllampen zu packen, und auch etwas Nahrung und Wasser. Falke und Moos begleiteten Eistaucher zur Felswand hinauf und über die schmale Rampe, die zum Höhleneingang führte. Pfeifhases Höhle, die größte und schönste von allen, lag direkt über dem Gewundenen Tal. Der Schamanenzugang zu Mutter Erde, die Kolbi der Welt.

Am Eingang hielten sie an und hoben ihm den vollen Rucksack auf den Rücken. Moos nahm ein Stück Glut von seinem Gürtel und entzündete damit einen Docht und steckte damit zwei Fettlampen an. Im Nachmittagslicht konnte man das Lampenfeuer kaum sehen, und es war schwer, sich vorzustellen, dass es in den Tiefen der Erde genug Licht spenden würde.

Er setzte sich mit Falke und Moos hin, um Dorns Pfeife zu rauchen. Beide sogen begierig an der Glut. Während sie rauchten, aß Eistaucher einige von Dorns getrockneten Pilzen und etwas Beifuß und sang anschließend den Höhlengruß.

Falke und Moos sahen besorgt aus; sie waren nur zweimal im tiefsten Innern der Höhle gewesen, als sie sich als Kinder über die Regeln hatten hinwegsetzen wollen, und beim zweiten Mal hatten sie sich beinahe verlaufen. Sie hielten es für gefährlich, allein hineinzugehen, und obwohl sie vom Leben ständig zu gefährlichen Dingen gezwungen wurden, widerstrebte es ihnen vielleicht gerade deswegen, in aller Seelenruhe unnötige Risiken auf sich zu nehmen.

Doch genau das taten Schamanen. Also saßen sie Schulter an Schulter mit ihm, während er den Höhlengruß sang, und auch sie sangen, als sie die Worte gelernt hatten. In ihren Mienen war so etwas wie andächtiges Staunen zu lesen, als er sie zum Abschied umarmte und in den großen, dunklen Durchgang zum Tagesbereich der Höhle trat, hinein in die Finsternis.

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Vorne war der Eingang breit und vom Tageslicht erhellt. Dann kam die Biegung in die Finsternis, gefolgt von einem schmalen Durchgang. Dahinter wurden die Schatten schwärzer, und seine Lampen spendeten immer mehr Licht, bis er ohne die beiden hellen Flammen in seinen Händen schließlich nichts mehr hätte sehen können. Die erleuchteten Wände und schwarzen Schatten bewegten sich mit ihm, flackerten mit den Flammen, und es war offensichtlich, dass all das zusammen mit Eistaucher eine Einheit bildete.

Er hielt einen Moment lang inne, damit seine Augen sich an das Halbdunkel gewöhnten, wie Dorn es ihm beigebracht hatte, bevor er in den kurzen Schritten weiterging, die in der Höhle angeraten waren, wenn man nicht über einen vorspringenden Stein stolpern oder in ein Loch treten wollte. Es würde ihm übel ergehen, wenn er hinfiel und seine Lampe ausging. Dorn hatte versucht, ihm beizubringen, wie man im Dunkeln ein Feuer entfachte. Man musste im Licht der Funken den Mulm so weit erkennen, um ihn in Brand zu setzen, und dann den Docht an den brennenden Mulm halten und pusten, bis er entflammte; aber das hatte sich als sehr schwer erwiesen. Heute steckte in Eistauchers Gürteltasche ein Stück Wurzelholz mit brennender Glut darin. Mit der würde er die Lampe nötigenfalls wieder anbekommen. Aber viel besser wäre es, wenn es überhaupt nicht so weit kam. Besser war es, die Lampe wie seinen eigenen Seelenfunken zu behandeln, als etwas so Kostbares, dass man sagen konnte, er hielte sein Leben in den Händen.

Es war also ein langer, langsamer Marsch bis ans andere Ende der Höhle mit den hellen Wänden, durch die verschiedenen großen Räume und die schmalen Durchgänge, die sie verbanden. Hier unten atmete er die immer gleiche Höhlenluft, kühl, aber belebend und im Winter wärmer als die Luft draußen. Kein Laut vom Höhleneingang reichte bis hier hinein. Der Leib der Erde bedeckte ihn ganz und gar. Weil es fast vollkommen still war, konnte er das leise Knacken und Glucksen hören, das immer wieder aus den Schatten außerhalb der lichtdurchflackerten Bereiche drang und oft auch aus dem Boden zu kommen schien. Es roch modrig, nach Höhlenbär und Schlamm. Eine entfernte Ahnung von Holzkohle. Wenn eine große Gruppe so weit vordrang, dann brachte sie Kiefernholzfackeln mit, deren Sirupfeuer die Wände zum Tanzen und Springen brachte. Doch das war ein Licht fürs Sehen, nicht fürs Malen.