Выбрать главу

— Nein, sagte Eistaucher.

— Doch, erwiderte Elga. — Vier Tage. Also sind wir reingekommen.

— Darüber bin ich froh, sagte Eistaucher. — Mir sind die Lampen ausgegangen. Ich habe sie nicht wieder anbekommen. Hier war es sehr lange dunkel.

— Wo sind wir?, fragte sie und blickte sich um. Es waren keine Tiere an den Wänden, obwohl es an einer Stelle Schraffuren gab, die zu ordentlich waren, um von den Krallen eines Höhlenbären zu stammen.

— Ich weiß es nicht, sagte Eistaucher. — Ich glaube nicht, dass ich schon mal in diesem Teil der Höhle war. Das hier erkenne ich nicht wieder. Ein kurzer, heftiger Angstschauer überkam ihn, und Elga drückte ihn fester an sich.

Sie hatten vom letzten Punkt, von dem aus man Moos’ Fackel sehen konnte, ein Seil hinter sich ausgelegt; es wand sich über den Höhlenboden wie eine Schlange. Auf dem Rückweg rollten sie es wieder auf, und schon bald sahen sie weiter vorne etwas leuchten. Als sie den Durchgang passierten, erkannte Eistaucher, dass sie in seine Höhle zurückkehrten, mit seinem neuen Bild zur Rechten an der Wand. Er war tiefer in die Erde vorgedrungen, aber durch einen Durchgang, der nicht in Dorns Löwenhöhle geführt hatte. Vor seinen Augen befand sich sein Bild, und er betrachtete es, neugierig auf sein Werk.

Die anderen hielten ebenfalls inne, um es sich anzusehen. Aber Elga wollte so schnell wie möglich nach draußen. — Wir kommen später mit dem ganzen Rudel zurück, sagte sie. — Erst bringen wir dich hier raus.

Eistaucher hob den Höhlenbärenschädel auf, den er in der Schwärze ertastet hatte. Als er ihn betrachtete, erkannte er das schwarze Gefühl, das er in der Finsternis verspürt hatte. Etwas hatte versucht, ihn zu fressen.

Er legte den Schädel auf einen etwa hüfthohen Steinklotz in der Mitte des Raums. Dann blickte er sich in der Höhle um, in der er vier Tage verbracht hatte, erst malend und dann in der Finsternis. Er wusste nicht, welcher der beiden Abschnitte länger gewesen war. Es war ihm vorgekommen wie vier Jahre, oder vier Leben. Wenn sie hierher zurückkehrten, würde er sein Rudel darum bitten müssen, jeden Höhlenbärenschädel, den sie fanden, einzusammeln und ihn hier hereinzubringen, als Zeichen für diese vier verlorenen Leben. Etwas sollte davon künden, was hier geschehen war.

Elga schob ihn weiter. Vorbei an der Eule auf dem Stein, vorbei an dem Steinschilf. Dann sahen sie weiter vorne Moos’ Licht, am anderen Ende des großen, leeren Raums. Moos rief ihnen zur Begrüßung laut zu, erfreut, dass sie Eistaucher lebend gefunden hatten. Er rannte ihnen mit lodernder Fackel entgegen, schloss Eistaucher fest in die Arme und wirbelte ihn herum. — Guter Mann! Du hast es geschafft!

— Ja, das habe ich.

— Aber du bist völlig schlammverschmiert!

— Ich bin viel herumgekrochen, gab Eistaucher zu.

Eine Weile standen die anderen um ihn herum und plapperten auf ihn ein. Er zitterte. Durch den gegenüberliegenden Ausgang fiel ein schwaches Licht herein, von dem sie alle wussten, dass es Tageslicht war. Es war gut, solches Licht zu sehen.

Mit einem Mal merkte Eistaucher, wie müde er war. Jetzt, wo sie beinahe draußen waren, stellte er fest, dass er kaum noch gehen konnte. Er spürte seine Füße nicht. Moos und Elga gingen zu seinen Seiten, hielten ihn bei den Armen und halfen ihm über den klumpigen Matsch bei den alten Bärenschlafstätten hinweg. Sie hielten inne, um ihn behutsam aufstampfen zu lassen, damit er etwas Gefühl zurück in die Füße bekam. Sein linkes Bein schmerzte leicht. Er tanzte ein bisschen im Kreis, um es zu lockern.

Mit einem Mal stand er vor einer Wand mit einer großen, glatten freien Fläche, zwischen den beiden Durchgängen zu dem Raum, in dem die Bären schliefen. Ein roter Farbfleck war darauf zu sehen, und mit einem Mal sagte Eistaucher: — Moment mal, ich sehe etwas. Eines muss ich noch tun.

Den anderen gefiel das ganz und gar nicht, und das sagten sie auch, aber Eistaucher fiel ihnen ins Wort.

— Eines muss ich noch tun!

Er sah sie nacheinander an, und sie verstummten und ließen ihn gewähren. Schließlich wartete die Welt nur ein paar Dutzend Schritte weiter hin zum Licht, da konnten sie ihm seinen Wunsch schlecht abschlagen.

Eistaucher holte den Beutel mit Erdblutpulver und eine Schüssel aus seinem Rucksack und bat Elga um Wasser. Dann mischte er Pulver und Wasser zu roter Farbe und dickte sie mit Spucke an, die er sich von den anderen erbitten musste; sein eigener Mund war zu trocken.

Als die Farbe fertig war, trat er an die Wand und tauchte die rechte Hand in die Farbe, wobei er sorgfältig darauf achtete, nur die Handfläche zu benetzen. Dann drückte er sie an die Wand. Als er die Hand wegzog, blieb ein beinahe rechteckiger roter Abdruck zurück.

Das tat er immer wieder. Erst hockte er sich hin, um unten Abdrücke zu hinterlassen, dann streckte er sich so weit er konnte nach oben. Er platzierte die Handabdrücke so, dass sie die groben Umrisse eines Bisons bildeten. Eine neue Art des Tupfens, konnte man sagen. Je öfter er die Hand aufdrückte, desto wütender wurde er. Er wusste nicht, warum oder über was. Irgendwie hatte es etwas mit Dorn zu tun oder mit Dorns Tod. Wir hatten einen schlimmen Schamanen, wir hatten einen guten Schamanen, wir hatten einen Schamanen. Und mit dieser Tupfzeichnung eines Bisons, die er mit seiner eigenen, lebenden Hand und mit dem Blut der Erde selbst anfertigte, würde er Dorns Geist an der Wand bannen. Sollte Dorn für immer in dieser Höhle wohnen, die Eistaucher beinahe umgebracht hatte, während er nach draußen in die Welt entkam. So konnte man sehen, wie der Bisonmann gewesen war, wie groß und mächtig. Eistaucher drückte die Hand in die Farbe und an die Wand: Er wollte die schiere Körperfülle dieses Geschöpfes erkennbar machen. Wenn er aufdrückte, verschwand sein Arm bis zum Ellbogen in der Wand. Alle Welten in dieser einen Wand. Er machte die roten Abdrücke, bis alle Farbe aufgebraucht war. Das war Dorn.

Danach war er wahrhaft erschöpft. Er trank etwas von Elgas Wasser, und dann legte er die Arme um Moos’ und Elgas Schultern, und sie stiegen mit ihm aus der Höhle. Sein linkes Bein wurde langsam taub. Es versuchte, ihn für immer in der Höhle zu halten. Ohne darauf zu achten, stapfte Eistaucher in den Tag hinaus.

— Mamma mia, du siehst wirklich übel aus, bemerkte Elga. — Völlig schlammverschmiert.

Moos sagte: — Du siehst aus, als hättest du Feuer gefangen und wärest in eine Schlammgrube gesprungen, um es zu löschen.

— Ja, sagte Eistaucher.

Nach einer Weile passten seine Augen sich an das Licht an, sodass er es ertrug, in die Welt hinauszublicken. Unter ihnen lag die Gewundene Au. Es war Frühsommer, und der Steinbison wölbte sich über den Fluss. Es herrschte Stille, morgendlicher Frieden. Der Himmel war bewölkt, und Wind umspülte sie. Sie trugen Eistaucher ins Lager hinab.

67

Im Lager wuschen sie ihn und setzten ihn ins Bett, und Elga kümmerte sich einen Tag lang um ihn. Es pochte in seinen Füßen, als sie sich erwärmten. Obwohl er schon viel getrunken hatte, war er durstig. Hunger hatte er auch. Und er wollte alles sehen.

Nachdem er sich einen Tag lang ausgeruht hatte, machte er einen Spaziergang.

Als er den Blick durch ihr Flusstal schweifen ließ, sah er alles sehr klar. Er wollte nichts als Elga, er wollte die Tage, die sie zusammen hatten. Ihnen stand nur eine begrenzte Anzahl Tage zur Verfügung, eine begrenzte Anzahl Jahre. Aber gleichzeitig war er jetzt der Schamane, ob er es wollte oder nicht. In dieser Hinsicht würde er die Höhle nie wieder verlassen. Und seine Wanderschaft würde niemals enden.

Beim darauffolgenden Vollmond, dem sechsten des Jahres, machte er sich wie schon so oft mit Falke und Moos auf den Weg zu dem Aussichtspunkt, von dem aus man die Große Schlucht überblicken konnte. Der vertraute, Ehrfurcht gebietende Schimmer des Mondlichts lag in der Luft.