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Das Komplizierte an Schiefer war, dass er mit Donner verheiratet war, die gerade beim Frauenhaus saß. Zusammen mit ihrer Schwester Blauhäher war sie die oberste Frau im Rudel und trug ebenso viel wie Schiefer dazu bei, alles in Gang zu halten. Und Donner war ziemlich raubeinig. Sie und Schiefer waren zusammen im Wolfsrudel aufgewachsen und hatten jung geheiratet, was angeblich alles an ihnen erklärte. Allerdings war Schiefer gelassen und liebenswürdig, während Donner so aufbrausend und herrisch sein konnte, dass es hieß, ihre Mutter habe während der Schwangerschaft Otterfleisch gegessen. Ihre Schwester Blauhäher war sogar noch schlimmer, und die beiden standen einander nahe. Im Scherz erzählte man sich, dass Schiefer zwei Frauen geheiratet habe, die beide gemeiner seien als er. Wie konnte er das Rudel anführen, wenn er nicht mal im Ehebett das Sagen hatte? Aber irgendwie wurde alles Nötige erledigt. Letztendlich wollte das Rudel gar kein richtiges Oberhaupt, drückte Schiefer mit seinem Verhalten aus. So war es besser für sie alle. Nur bei der Nahrung lagen die Dinge anders. Wenn es um Nahrung ging, war Schiefer ein unverrückbarer Fels. Diesen Bereich überließen ihm Donner und Blauhäher, weil sie einen Streit vermeiden wollten, bei dem sie den Kürzeren gezogen hätten. Und so widmete er seine Tage ganz seinen vielfältigen Aufgaben. Er bat um Hilfe, wenn er welche brauchte, und die Leute halfen ihm, wenn er sie darum bat. Im Moment bat er wohl Steinbock um Hilfe, auch wenn er dabei erregter wirkte als sonst. Es hieß, dass er gut zu Eistauchers Vater gewesen war, als Tulik in das Rudel eingeheiratet hatte.

Eistaucher blickte auf die winzig kleinen Leute hinab, und ihm wurde bewusst, dass er sie selbst dann noch sah, wenn er die Augen schloss. Jeder kannte jeden. Die Erwachsenen waren verheiratet, die Kinder nicht, die jungen Leute waren irgendwo dazwischen und auf der Suche. Ihre Körper fingen an zu bluten oder zu spritzen, und die Älteren unterzogen sie ihren Initiationen. Es gab keinen Ausweg, kein Verstecken.

Der Hunger trieb ihn ins Lager zurück. Er war nicht glücklich.

4

Falke und Moos saßen in der Sonne und begradigten mit einem knöchernen Spitzenstrecker ihre Speerspitzen aus Stoßzahn. Falke lachte, als er die weiße Spitze in das Loch einführte, und machte Bewegungen wie mit einem Visel in einer Kolbi, rein und raus, rein und raus. Dann drehte er behutsam den Knochengriff, um die Spitze zurechtzubiegen. Mammutstoßzahn war leicht und stabil, aber beim Trocknen verzog sich das Material, und auch, wenn es nass wurde. Spitzen zu begradigen war immer vergnüglich, weil es bedeutete, dass sie bald wieder auf Jagd gehen würden. Aber Eistaucher wurde zu sehr durch seine Verletzung behindert, um zu jagen.

Wenn man einen Mann kennt, kennt man sein Gesicht, nicht sein Herz. Hilf nie jemandem, der selbst niemandem hilft. Je mehr man gibt, desto mehr erhält man.

Eistaucher schienen diese Sprichwörter nahezulegen, dass er seine Zeit vor allem damit verbringen sollte, Frauen zu helfen. Heide sagte das oft: Such dir die richtige Frau und mach, was sie dir sagt. Eine Frau kocht für dich, und dann kannst du jagen. Und er wollte wirklich gerne mit seinen Freunden auf die Jagd gehen.

Heide sagte ihm, dass sich die Verletzung an seinem Bein dadurch nur noch verschlimmern würde. — Echte Freunde würden dich nicht gehen lassen, sagte sie. Sie konnte die Männer des Rudels nicht leiden. Manchmal konnte Eistaucher die Worte in ihrem Gebrabbel verstehen, auch wenn er ihren Sinn nicht immer begriff: — Ein Haufen besoffener alter Rumtreiber, ihr Schamanen, und ihr Jäger seid nichts als Eberstecher und Wichser; mit euren riesig großen aufgeblasenen Hanswurstereien und Arschereien, Dudeleien und Palavereien, wie ihr herumlauft und euch für Männer haltet, schafft einfach Fleisch ran! Schafft Nüsse ran! Schafft Feuerholz ran! Tut eure Arbeit! Geht mir fort mit euren Lügen, den Prahlereien und Fantastereien, der ganzen so oberoffensichtlichen beschissenen Dummheit! Macht eure Arbeit und gebt hinterher damit an, wenn es sein muss, sonst scheiße ich nämlich auf euer großes Gerede, weil es nur ein Haufen Schleim vom Eimerboden ist!

Die Leute vom Wolfspack hörten Heide schon lange nicht mehr zu, und das wusste sie ganz genau. Manchmal schrie sie sie an, nur um mit anzusehen, wie sie sich umdrehten und weggingen. Aber Eistaucher musste bleiben. Nach dem Tod seiner Eltern hatten Heide und Dorn ihn großgezogen, und jetzt war er zwischen beiden gefangen. — All diese Witwen und Waisen, ich bin es so leid!, sagte Heide zu ihm, wenn er sich darüber beklagte. — Hört auf, euch umbringen zu lassen, dann passiert so etwas nicht mehr! Heide die Hebamme, Heide die Kräuterfrau, das Großmaul, die Hexe, die Vettel, die garstige Alte, die tödliche Giftmischerin. Eine geschäftige und herrische alte Frau, klein und gebeugt und stolz auf die drei Zähne in ihrem Mund, von denen zwei aufeinanderbissen. Ihr Tier war die Spinne, und angeblich verwandelte sie sich manchmal in eine.

Jetzt schickte sie ihn mit einem Wink fort, während sie in die Schierlingstanne über ihrem Nest hinaufblickte. Die Katze, die, angelockt von Heides Gaben, um ihr Lager herumstreunte, kletterte über ihr in den Ästen und knabberte anmutig an den Frühlingsnadeln und den jungen Zweigen. Das kam ihm gar nicht katzenhaft vor.

— Verschwinde von hier, ich muss mit Schiefer reden.

5

Er konnte nicht auf die Jagd gehen. Den ganzen Tag und auch die darauffolgenden Tage hatte er zunehmend das Gefühl eines drohenden Verhängnisses, und der Himmel schien mit seinem ganzen Gewicht auf ihm zu lasten.

Wenn er alle Angehörigen des Rudels tötete, konnte er alleine losziehen, sich für die Nacht weit oben einen Schlafplatz suchen und immer ein Feuer haben und alles, was er sonst noch brauchte, eine Höhle zum Malen, neue Leute, wenn er welche wollte; er konnte kommen und gehen, bei Festen vorbeischauen, und er wäre keinem Rudel oder irgendwem sonst verpflichtet. Ein Reisender, ein Waldmann, ein grüner Mann. Er konnte es nachts vor der Morgendämmerung tun, bevor Heide erwachte; sie würde er zuerst töten müssen, weil nur sie es ahnen würde, weil sie am schwersten zu überraschen sein würde, er würde sie im Schlaf erwischen müssen, ein Schlag mit dem Hackstein auf den Hinterkopf oder auf die Schläfe; dann zu denen, die immer als Erste aufwachten, dann zu den Tiefschläfern, den Langschläfern, die würden wirklich lange schlafen am nächsten Morgen! Und bei Sonnenaufgang, wenn alle tot waren, konnte er eine Wanderschaft beginnen, die niemals enden würde. Er konnte jeden Monat ein ganzes Leben leben.

6

Besser Glück haben als gut sein. Diese Erfahrung hatte die Katze schon oft gemacht. Ein knackendes Geräusch klang in ihrem Kopf wie Donnerhall, und sie war weit oben in dem Baum, der sich über das Lager neigte, ehe sie auch nur begriff, dass es von einem der Menschen stammte, der auf einen trockenen Zweig getreten war. Lieber vorsichtig sein, als das Nachsehen zu haben. Die Menschen töteten jeden, und anschließend aßen sie ihre Beute nicht nur, sondern zogen ihr das Fell ab und rissen ihr die Zähne aus, um die schaurigen Trophäen mit sich herumzutragen. Das war einer der Gründe dafür, dass Menschen so entsetzlich waren, neben ihrem Geruch und ihrer Fähigkeit, auf Entfernung zu töten, indem sie Steine und Stöcke warfen. Dazu war kein anderes Tier in der Lage. Die Katze konnte keines der anderen Tiere leiden, nicht einmal ihre eigenen Artgenossen. Aber Katzen hielten gerne Abstand voneinander, sie besaßen zumindest dieses Grundmaß an Anstand. Mit Ausnahme der Löwen. Löwen benahmen sich, als wären sie Wölfe. Ganz schlecht konnte einem davon werden. Die größten Tiere jeder Art waren gesellig, was die Katze rätselhaft fand. All die kleineren Wölfe waren Einzelgänger: Füchse, Kojoten, Nerze, Wiesel. Das Gleiche galt für die kleineren Katzen. Aber die größten Vertreter beider Arten, Wölfe und Löwen, zogen in Gruppen umher. Natürlich war man zu mehreren sicherer. Also blieben sie beisammen und waren in Sicherheit. Und ihre Beute, die großen Herdentiere, blieben auch beisammen. Die Löwen hätten es besser wissen müssen.