Bären ließen ihre kleinen Geschwister in Ruhe, und Wölfe auch, aber große Katzen aßen kleine Katzen. Jeder, der eine kleine Katze erwischte, aß sie auch. Deshalb war sie so schreckhaft. Zuzusehen, wie die großen Katzen sich zu Rudeln zusammenrotteten, war ein bisschen widerlich, ein bisschen peinlich, und auch Furcht einflößend. Die Löwen sahen in jeder Hinsicht wie Katzen aus, und dann führten sie sich plötzlich wie Wölfe auf. Wie konnten sie nur so etwas tun?
Zu Beginn waren alle Tiere gleich gewesen, und dann waren Dinge geschehen, und das Gleiche war zu Sonne und Mond, zu Nordlichtern und Gewittern und all den verschiedenen Tieren geworden, die innerlich immer noch gleich waren und die Dinge in gleicher Weise sahen. Aber manche töteten und manche wurden getötet, und viele taten beides, wie Katze. Am besten war man vorsichtig. Wenn man ein Gewitter anfauchte, ging es vielleicht anderswohin.
Erneut das ohrenbetäubende Krachen eines Zweigs. Der Katze sträubte sich das Fell, und ihr Schwanz wurde buschig vor Unbehagen. Unter dem Baum befanden sich jetzt zwei weitere Menschen. Es handelte sich um die beiden dominanten Männchen aus dem Rudel der Kräuterfrau, beide tödlich mit Stein oder Stock. Katze spähte an dem Ast vorbei, um sie zu beobachten, und sah, dass die beiden Menschen mit einem weiteren Menschenpaar redeten. Es gehörte zu dem Rudel, in dem sie sich die kleinen Finger abschnitten und sie den Katzen gaben. Natürlich mochte Katze diese Menschen lieber, aber sie hatten keine Kräuterfrau wie die von Katze, weshalb sie die meiste Zeit über bei der Frau blieb. Bei diesem Rudel gab es viele Lagermäuse, und die Reste, die die Alte für sie liegen ließ, waren interessant. Die Alte neckte Katze mit sonderbaren Geschenken.
Jetzt stritten die Männer und zeigten dabei in beide Richtungen die Schlucht entlang. Es ging um Reviere, und sie standen Brust an Brust, pumpten sich mächtig auf. In diesem Zustand würden sie Katze nie bemerken, also streckte sie den Kopf vor, um besser zu sehen. Vielleicht würden sie ja beim Kämpfen etwas fallen lassen, oder es würde etwas Essbares zurückbleiben, seien es nur ein paar Tropfen Blut oder Leichen.
Aber die Fingerschneider gaben nach. Sie wollten nicht kämpfen. Mit den Bewegungen ihrer Hände bedeuteten sie, dass ihr Revier weit weg unter der sinkenden Sonne lag. Die Führer des Rudels der Kräuterfrau waren damit zufrieden, und so gingen die Fingerschneider talaufwärts davon.
Dann stritten die beiden zurückgebliebenen Männer miteinander. Etwas an dem Treffen hatte Unfrieden zwischen ihnen gestiftet. Katze folgte ihnen auf dem Weg zurück zu ihrem Feuer, nervös von Ast zu Ast springend. Immer schön vorsichtig. Neugier war schon mancher Katze zum Verhängnis geworden. Trotzdem war sie neugierig genug, um aus der Entfernung zuzusehen, wie die Männer das Lager betraten und zur Frau des dominanten Männchens gingen. Die große Frau lauschte ihrem Bericht und bedachte dabei beide mit finsteren Blicken. Als sie fertig waren, schimpfte die Frau mit ihnen, und sie schlichen betreten davon.
7
Früher, als kleine Jungen, waren Eistaucher und Falke und Moos zusammen auf die Jagd gegangen und auf ein Rudel Löwen gestoßen, die ein gerade getötetes großes Pferd fraßen. Während die Jungen sie von einem Felsüberhang herab beobachtet hatten, war mit dem Westwind ein Schwarm Raben herangeflattert und hatte begonnen, im Sturzflug nicht nur auf die Löwen hinabzuscheißen, sondern vor allem auf den aufgerissenen und zerfetzten Pferdeleib — wie deutlich zu erkennen war, als die Löwen fauchend den Rückzug vor dem Scheißeregen antraten. Die Raben schissen und pinkelten weiter auf das tote Pferd, bis kaum noch mehr als ein unregelmäßiger Haufen unter dem geronnenen weißen Kot zu erkennen war. Beleidigt trotteten die Löwen davon. Anschließend landeten die Raben, um mit den Schnäbeln in der Sauerei herumzupicken und das Pferd selbst zu fressen.
Die Jungen beglückwünschten sich zu dieser großartigen Gelegenheit, und als die Löwen fort waren, rannten sie hinunter und vertrieben die Raben, und wenn die schwarzen Vögel zum Gegenangriff herabstießen, bewarfen sie sie mit Steinen. Für die Raben waren die Jungen gefährlicher als die Löwen, und nach einem kurzen Scharmützel, begleitet von zahlreichen Flüchen in beiden Sprachen, flogen die Raben mit schweren Flügelschlägen und unglücklich krächzend davon.
Die drei Jungen waren sehr zufrieden mit sich, und schnell hackten sie Teile des Pferds los und trugen die Hinterkeulen und den Kopf an den Fluss hinab, um sie zu säubern. Über eine Nachmittagsfaust verbrachten sie damit, die Pferdestücke im kalten Strom des oberen Ordech zu waschen und mit Sand abzureiben, bevor sie sie nach Hause trugen und den Leuten im Lager auf Falkes Drängen hin erzählten, dass sie die Pferdefrau selbst getötet hätten und nun ihr Fleisch brächten. Dorn nahm eine der Hinterkeulen, schnupperte daran, knabberte an ihr wie Heides Katze und schlug dann Falke mit der Keule, weit ausholend wie mit einem Ast. Falke ging schreiend zu Boden, und dann versammelten sich alle, und Dorn hob die Keule auf und gab sie Heide. Heide biss hinein und verzog das Gesicht. — Wenn Raben auf ein Beutetier scheißen, verändert sich das Fleisch, erklärte sie den Jungen. — Das kann man nicht einfach abwaschen.
— Oh, sagte Falke.
Die drei Jungen mussten wohl ziemlich dumme Gesichter gemacht haben, denn plötzlich fing Dorn an, sie auszulachen, und dann lachten alle. Allerdings bekamen sie danach noch etliche Ohrfeigen.
8
Heute mischst du Farbe, krächzte Dorn eines Morgens.
— Ich mische dauernd Farbe.
— Dann mach meinen Platz sauber.
— Nein!, sagte Eistaucher mit finsterer Miene.
Dorns Grinsen erriet, dass er Eistaucher hatte provozieren wollen. — Dann misch Farbe. Ich zeige dir, was man machen muss, damit sie im Regen nicht verläuft.
Genau das hatte Eistaucher wissen wollen, weshalb er Dorn misstrauisch anstarrte. Dorn lachte ihn aus.
Ohne zu lächeln, beobachtete Heide die beiden.
— Wie geht es deinem Bein?, fragte sie.
Eistaucher zuckte mit den Schultern. — In Ordnung.
In Wirklichkeit machte er sich deshalb Sorgen. Nächsten Monat würden sie sich nach Norden zu den Rentieren aufmachen, und dann würde er beide Beine brauchen.
Jetzt folgte er dem Alten humpelnd zu seinem Nest, nahm seinen Lederbeutel mit Erdblut und Holzkohle und folgte dem Schamanen dann zum bemalten Teil der Felswand.
Dorn stand in der Morgensonne und betrachtete mit zusammengekniffenen Augen die Felswand, die immer wieder übermalt worden war. Die vielen erhobenen Schwänze und geöffneten Kolbis würdigte er keines Blickes, nicht einmal eine ziemlich gelungene Reihe, die einen Mann mit einem Visel zeigte, der so groß war, dass er die Spitze hinunterbiegen musste, um an ihr zu lutschen. Stattdessen betrachtete er eine Gruppe von zehn rostbraunen Höhlenbären. Die Bären gefielen ihm: Sie hatten sich zu einem Rudel zusammengerottet, etwas, das sie auf Erden niemals taten. Einige von ihnen standen, einige schlurften dahin, und einige hielten die unglaublichen Nasen in den Wind. Jeder Bär verriet seine Stimmung oder seine Aufgabe durch eine geschickt dargestellte Augen- oder Ohrenbewegung oder durch Falten auf den schrägen Stirnen. Einige der Bären bestanden nur aus drei Linien, aber die meisten waren ausgemalt, und Holzkohle war über die rote Farbe gerieben, um genau den Rostton zu erzeugen, den die Bären in ihrem Spätsommerkleid hatten. Und sie waren alle fett. Also war es auf dem Bild Herbst; und nach ihren Gesichtern zu urteilen, hatte etwas unten am Fluss ihre Aufmerksamkeit erregt. Oft waren die Unebenheiten der Felswand ein Teil der Darstellung, waren zu Schultern oder Rümpfen der Tiere geworden. Es war, als hätte der Maler, wer auch immer es gewesen war, die Bären aus der Felswand heraustreten sehen und sie anschließend entsprechend gemalt. Die Malereien blätterten bereits ab, und Dorn sprach schon seit einer Weile davon, sie auszubessern. Jetzt zeigte er auf den hintersten Bären.