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Nach langer Zeit, vielleicht nach einer Faust oder mehr, musste er aufgeben, zumindest mit diesem Ast. Der Splitterbrei war etwas zu dicht und nach einer Weile auch leicht feucht geworden. Die Stelle unter dem Feuerstock hatte er so weit erhitzt, dass man sich die Fingerspitze daran verbrennen konnte, und die Splitter darum herum waren sogar etwas angekohlt, aber sie wollten einfach nicht Feuer fangen.

Eistaucher saß da. Es würde ihn einiges an Überwindung kosten, Dorn davon zu erzählen, vorausgesetzt, er überlebte. Der alte Zauberer würde ihm sicher einen Schlag auf die Ohren verpassen. Man musste jederzeit und überall ein Feuer entfachen können. Je schlechter die Bedingungen waren, desto wichtiger war das. Wie die meisten Schamanen beim Großen Tanz war Dorn außergewöhnlich gut im Feuermachen und hatte viel Zeit damit verbracht, Eistaucher und den anderen Kindern seine Kniffe beizubringen. Er hatte ihnen Feuerstöcke auf die Unterarme gedrückt und sie gedreht, um ihnen zu zeigen, wie heiß sie wurden. Irgendwann war Eistaucher dazu in der Lage gewesen, immer Feuer zu machen, egal, wie schwierig der Alte es ihm machte. Aber es hatte immer etwas trockenen Mulm gegeben.

Jetzt kroch er schluchzend vor Enttäuschung unter der Fichte hervor, stand auf und tanzte, bis die Kälte von einer dünnen Schweißschicht abgehalten wurde. Als der Regen etwas nachließ, dampfte er. Schon jetzt war er hungrig, aber dagegen war nichts zu machen. Am besten kaute er auf einem Steinchen herum und dachte an etwas anderes. Kaute auf einem Steinchen herum und tanzte im Regen. Ob er nun fror oder nicht, dies war seine Wanderschaft. Wenn es endlich hell wurde, würde er schließlich einen besseren Unterschlupf, trockenen Mulm und eine Balme oder einen kleineren Überhang finden. Dann konnte er sich für seine Rückkehr bei Vollmond ausstaffieren. Er würde bekleidet ins Lager einziehen, mit vollem Bauch und einen Speer in der Hand! In ein Löwenfell gehüllt! Mit einer Kette aus Bärenzähnen um den Hals! Im Kopf sah er es alles vor sich. Er schrie seine Geschichte in die Nacht hinaus.

Nach einer Weile saß er wieder unter der besten Fichte, den Kopf auf den Knien, die Arme um die Beine geschlungen. Später ging er hinaus und schleppte sich durch das Wäldchen, auf der Suche nach einem besseren Unterschlupf. Einen nach dem anderen probierte er aus. Die guten fügte er einer stetig wachsenden Runde von Rastplätzen hinzu, jeder mit seinen eigenen Stärken und Schwächen. Über weite Strecken sang er, und dann und wann fluchte er auf Dorn. Möge dir der Pimmel abfallen, mögest du von einem Löwen gefressen werden … und von Zeit zu Zeit schrie er laut. — Es ist kalt! Dorn brüllte seine Gedanken manchmal auf diese Art hinaus, wobei er alte Worte aus der Schamanensprache ausstieß, Worte, die wie die Dinge selbst klangen: Esch var kelt! Esch var k-k-k-KEEEELT!

Er stieß sich den großen Zeh an und spürte es nur im Knochen; das Fleisch war taub. Wieder fluchte er. Mögen die Raben auf dich scheißen, mögen deine Kinder sterben … Dann legte er sich unter einer großen Fichte auf den Boden, sodass nur seine Kniescheiben und Zehen und seine Handflächen und seine Stirn den Boden berührten. Immer wieder drückte er sich mit den Armen hoch und hielt seinen Körper dabei starr. Wenn er nur mit der Erde hätte ficken können, um sich warm zu halten, doch sie war zu kalt, sein armer Pimmel wollte nicht zum Horn werden, der war ebenso taub wie seine Zehen, und er würde wie verrückt wehtun, wenn er sich wieder erwärmte, er würde kribbeln und brennen, bis Eistaucher die Tränen kämen. Vielleicht, wenn er an das Mädchen aus dem Löwenrudel dachte, das ebenfalls zur Rabensippe gehörte und ihm deshalb verboten war, zumindest im Prinzip, schöne Augen hatten sie einander trotzdem gemacht, und der Gedanke daran, in sie einzudringen, würde ihn wärmen. Oder Salbei aus seinem eigenen Rudel.

Mit diesen Gedanken konnte er etwas Zeit einfangen: damit, all das hinter seinen Lidern zu beobachten, zuzusehen, wie sie die Schenkel vor ihm spreizte. Dort in ihrer Kolbi konnte er diesen kalten Regen vergessen. In ihrer Kolbi, ihrer Baginare, ihrem Fuchs. Er wollte ein kleines Feuer hinter seinem Bauchnabel entfachen und seinen Visel spritzen lassen. Aber es war zu kalt. Er konnte nur das geschundene Fleisch etwas kneten und leicht zum Brennen bringen, es wärmen, damit es nicht vor Kälte abstarb. Das wäre wirklich schlimm.

Nach einer Weile ließ der Regen nach. Der graue, wolkendunkle Himmel wirkte etwas heller. Kein Mond, keine Sterne, an denen sich erkennen ließ, ob die Morgendämmerung nahte. Aber er hatte das Gefühl, dass sie nicht mehr fern sein konnte. Bald musste es so weit sein. Es war eine lange, lange Nacht gewesen.

Schwankend erhob er sich. Das Grau am Himmel war eindeutig heller geworden. Er sang ein warmes Lied, ein Lied für die Sonne. Er rief nach der Sonne, dem großen Gott der Wärme und des Frohsinns. Er war müde, und ihm war kalt. Aber die Kälte würde ihn nicht umbringen. Er würde bis zur Morgendämmerung durchhalten, das spürte er. Das war seine Wanderung, so wurde ein Schamane geboren. Er heulte, bis er eine raue Kehle hatte.

Schließlich kam die Morgendämmerung, feucht, grau, trübe, kalt. Unter dem Gewitterhimmel blieben alle Farben gedämpft, aber immerhin konnte Eistaucher nun sehen. Von Westen her schoben sich weitere, tief hängende Wolken heran und kappten die Höhenzüge. Ihre Unterseiten hingen durch wie fette schwarze Brüste. Stromabwärts von ihm gingen breite Regenschleier im Untertal nieder. Sie sahen aus wie Ginstergesträuch, das zwischen Wolken und Wald in der Luft hing. Durch die großen Schneeflecken überall war der Boden heller als der Himmel.

Und dann wurde innerhalb weniger Lidschläge alles sehr viel heller, und ein weißer Fleck glomm in den Wolken über den östlichen Höhenzügen auf. Die Sonne, der wunderbare Gott der Wärme, war endlich über den Berg gekrochen. So bewölkt es auch sein mochte, jetzt würde es sicher bald angenehmer werden. Nur bei den schlimmsten Gewitterstürmen war der Tag kälter als die vorangegangene Nacht. Und derzeit sah der Himmel in Windrichtung gar nicht so übel aus: Zwischen den Wolken, die über den grauen Hügeln wogten, war helles Weiß zu sehen. Es war allerdings nach wie vor windig, und Regen ging in kleinen Schauern nieder.

Doch ob der Tag nun wärmer als die Nacht würde oder nicht, er musste in Bewegung bleiben, wenn er nicht frieren wollte. Erholen konnte er sich erst, wenn er ein Feuer in Gang gebracht hatte. Also sammelte er die Ausrüstung für sein missglücktes Feuer ein, nahm sie in die linke Hand, ergriff mit der rechten einen guten Wurfstein und folgte dem Bachlauf. Er brauchte ein größeres Wäldchen, mit einer guten Mischung aus Fichten und Kiefern, Zedern und Erlen. Die Hänge und Höhenzüge und auch das dahinterliegende Hochland bestanden vor allem aus kahlem, von Grasbüscheln übersätem Felsgestein, auf dem noch alter Schnee lag. Aber an den Wasserläufen wuchsen meistens Bäume, ausgefranste grüne Bänder in den Talsohlen. Ein kurzes Stück stromabwärts, wo ein Rinnsal über den Osthang in den Bach des Untertals mündete, befand sich an einer flachen Stelle ein größeres Wäldchen, das sich zu beiden Seiten an den Talwänden emporzog, in der Mitte eine kleine, ovale Wiese.

Vorbei am überfluteten Teil der Wiese ging er in den dichtesten Teil des Wäldchens. Dort schlüpfte er zwischen die Stämme, dankbar für ihren Schutz. Es war windiger geworden und regnete heftiger, als er es beim Verlassen seines Nachtlagers gedacht hatte. Doch in diesem größeren Wäldchen war seine Lage sehr viel besser. Er war hier gut geschützt, und jetzt, wo es Tag war, konnte er bei der Arbeit sehen. Sein Blick fiel auf eine umgestürzte Zeder in der Mitte des Wäldchens, deren innere Rinde er herausziehen konnte, um sich Kleidung daraus zu fertigen. Und mehrere schneeberingte Ameisenhaufen vor einer weiteren, verrotteten Zeder verrieten ihm, wo er Zunder finden konnte. Am Ende des Stamms befand sich ein kleines Loch. Er schlug mit seinem Stein dagegen, um es zu weiten, griff hinein und drehte die Finger tastend nach oben. An der Unterseite des noch festen Außenholzes befand sich ein Bereich mit zundrigem Mulm, der ziemlich trocken war — O Mutter!, rief er. — Danke!