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Das war eigentlich alles, was man brauchte, und dazu noch einen Speer und eine Speerschleuder. Mit dieser Ausrüstung konnte man auf Reisen gehen. All das nahm man einem Jungen weg, wenn er auf Wanderschaft ging, angeblich, damit er beweisen konnte, dass er alleine zurechtkam; aber nun kam Eistaucher der Gedanke, dass viele Jungen vielleicht überhaupt nicht zurückkehren würden, wenn man ihnen erlaubte, ihre Sachen mitzunehmen.

Eistaucher dachte sich selbst ein Rätsel aus: Moment, ich sehe etwas: Mein Herz ist von Schilf bedeckt. Marder und Murmeltier sind mein Pelz. Rentier und Saiga bedecken meine Beine. Mit Rehen an den Füßen wandele ich auf dem Rücken eines Bären. Ich kann Stein zerbrechen       Holz zersägen       Feuer entzünden, Knochen schnitzen       Wände bemalen       Schnitte zukleben, Jedes Tier töten       außer einem, wie ein Vogel singen       wie der Donner trommeln. Was bin ich? Ich bin Eistaucher der Wanderer.

Dritter Teil

Elga

18

Am siebten Tag des siebten Monats traten sie ihren Som mermarsch an, durchwanderten das Obertal, zogen über die Hochheide Richtung Norden, querten drei kleine Spalten und erreichten schließlich das Lier-Tal. Jeder trug einen Sack auf dem Rücken; einige dieser Säcke waren an Holzgestelle mit Schultergurten gebunden, auf denen sie schwerere Lasten und die neuen Kinder trugen, die noch zu klein für einen Namen waren.

Die Flusstäler und ihre Seitenschluchten waren oft mit Gestrüpp zugewuchert oder von Geröllfeldern versperrt, weshalb sie fast die ganze Zeit über die Grate wanderten. Die dortigen Pfade wurden offenbar schon seit Urzeiten benutzt, so gut, wie sie markiert waren. Wann immer sie auf ihrer Reise die besten Wege fanden, zeigte sich, dass es dort schon Pfade gab, die manchmal knöcheltief ausgetreten waren. Wenn der Pfad über felsigen Grund verlief, dann markierten Steinmänner den Weg — mal waren es nur zwei oder drei übereinandergeschichtete Felsbrocken, manchmal Haufen, größer als ein Mensch, in denen sich zahlreiche sorgfältig aufgeschichtete, verschiedenartige Figuren fanden. Wo es Bäume gab, ließen sich zudem an Äste gebundene bunte Schnüre entdecken.

Auf dem letzten Pass kurz vor dem Lier-Tal kamen sie an eine Quelle — sie entsprang mitten auf dem Pass, der sich hier verbreiterte. In den meisten Sommern, in denen sie hier vorbeikamen, lief ihr Wasser zu beiden Seiten in die Täler ab. Um diesen Quellteich mit seinen zwei Abflüssen herum war die Wiese von Huf- und Pfotenabdrücken zerwühlt. Dort tranken sie und stiegen dann ins Lier-Tal ab, weil es angeblich gefährlich war, an dieser Quelle sein Lager aufzuschlagen.

So erreichten sie im letzten Tageslicht am Ende des langen Sommernachmittags ihren traditionellen Lagerplatz für die erste Nacht. Hier machten sie jedes Jahr halt, wenn sie nicht von irgendwelchen Widrigkeiten aufgehalten wurden. Von hier aus hatten sie freie Sicht nach Norden und Westen, und die Abendsonne fiel schräg über die nächstgelegene Eiskappe, die ein gutes Stück über den westlichen Höhenzug ragte. Es handelte sich um die nördlichste der vier Eiskappen auf dem höchsten Stück Hochland westlich der Urdecha. Selbst im Sommer waren sie da, glatte, verschneite Hügel, die dort, wo das Eis bloß lag, sahnig blau aussahen. Die beiden kleinsten Kappen, die weiter im Süden lagen, nannten sie die Eiszitzen, und die beiden größeren im Westen und Norden waren die Großen Eiskappen. Wann immer die Leute vom Wolfsrudel diese beiden Kappen sahen, wussten sie, dass sie unterwegs zu den Lachsen und Rentieren waren, weshalb sie bei ihrem Anblick der plötzliche Schauer der Ferne überlief und sie mit dem Wissen erfüllte, dass nun die Zeit im Jahr gekommen war, in der sie über die große, weite Welt zogen, wie all die anderen Tiere es im Sommer auch taten, unterwegs von einem Ort zum anderen, auf der Suche nach einem Platz zum Leben.

Am dritten Tag ihrer Reise schoben sich tief hängende, dunkle Wolken, getrieben von einem kalten Wind, über den westlichen Horizont. Die meisten Grate führten nun bergab und Richtung Norden. Sobald sie die nördlichsten Ausläufer dieser Höhenzüge erreicht hatten, würden sie die freie Steppe betreten, aber im Moment befanden sie sich noch in den Hügeln, auf einem ausgesetzten Gratweg, und das Sommergewitter nahte auf einem rauen, nassen Wind. Also machten sie an diesem Nachmittag früh halt und stiegen in eine geschützte tiefe Schlucht im Osten hinab, wo sie Äste von den Bäumen schlugen und sich in einem Wäldchen aus Eichen und Schierlingstannen, Eiben und Weißfichten einen Windschutz errichteten. Für den Sommer war es ein heftiger Sturm, aber so etwas kam eben vor.

Als sie alle unter einem Schutz aus gewobenen Kiefernästen Zuflucht gefunden hatten, fachten sie die Glut, die sie vom Feuer der letzten Nacht mitgenommen hatten, wieder an, schmiegten sich aneinander und aßen einige ihrer letzten Nüsse und die frisch gefangenen ersten Enten des Sommers, die direkt vom Feuer köstlich schmeckten. Schiefer und Steinbock sowie mehrere andere Männer machten sich auf, um Schlingen auszulegen und in den einen oder anderen vielversprechenden Bau zu spähen. Dorn und Heide kümmerten sich um das Feuer, und angesichts der bevorstehenden Nacht richteten sie ein langes, heißes Glutbett her, neben dem sie alle schlafen würden. Die Wolken wogten immer dichter heran, bis es aussah, als wäre es Nachmittag oder Abend. Als die Nacht schließlich hereinbrach, fielen kleine Schneeflöckchen seitlich mit dem Wind, segelten über die Äste ihres Wäldchens und den Rauch des Feuers hinweg. Es würde eine stürmische Nacht werden.

— Der Unaussprechliche sollte die Geschichte davon erzählen, wie die Tiere sich den Sommer geholt haben, sagte Heide zu Dorn. — Die erzählt er auf dieser Reise immer.

— Erzähl du sie, sagte Dorn missmutig. Bei unerwarteter Kälte taten ihm immer die Knochen weh.

— Am Anfang ging der Himmel bis zum Wasser runter, sagte Heide in ihrem rauen, unwirschen Tonfall, als erzählte sie eine Geschichte, von der sie nichts hielt.

Immer war es Winter. Die Eichhörnchenmutter kam weinend aus dem Baum. Vom gefrorenen Waldboden sammelte sie ihre Kinder. Das geschah ihr immer wieder. Der Winter ist zu kalt, sagte sie zu den anderen Tieren. Immer wieder kommt es vor, dass all meine Kinder erfrieren. Rabe sagte: Wir sollten dem Sommervolk den Sommer stehlen. Sommer ist auf der anderen Seite des Himmels. Wir müssen nur ein Loch in den Himmel schlagen Und mit einem Beutel hindurchsteigen, Dann können wir den Sommer entführen und hierherbringen. Und so beschlossen sie, das zu tun. Um ein Loch in den Himmel zu machen Legten sie einen Blutegel daran, Damit er ein winziges Stück herausbiss. Als Nächstes zwängte sich Vielfraß durch das kleine Loch, Und mit sich nahm er eine Robbenhaut, Die als Beutel dienen sollte. Auf der Sommerseite stellte Vielfraß fest Dass niemand dort zu Hause war, Und so stopfte er den Sommer in den Robbenbeutel, Um ihn zurück auf die Seite der Tiere zu bringen. Doch da war ein alter Mann, der das Feuer hütete, Ein alter Mann, der nicht so dumm war wie manch anderer, den ich kenne, Und der sagte zu Vielfraß, nimm nicht alles mit, Sonst wird hier immer Winter sein, Und all die Leute hier werden frieren. Nimm nur einen Teil davon mit, Dann wechseln wir uns ab. Also brachte Faultier nur einen Teil des Sommers zu den Tieren zurück, Und er öffnete den Beutel, und all die Sommerdinge kamen heraus. Schon bald schmolz der Schnee, sodass es auch bei ihnen Sommer gab. So kommt es, dass die Tiere den Sommer haben, Wenn die Leute den Winter haben. Aber wenn die Leute den Sommer haben Dann ist es bei den Tieren wieder Winter. So geht es hin und her, Winter auf der einen Seite, Sommer auf der anderen. Jedes Mal, wenn die Tiere den Beutel öffnen, Kommt der ganze Sommer heraus.