«Alles Dinge, die längst vergangen sind, Spyros. Ich werde ihn heiraten.«
Und es gelang ihm nicht, seiner Schwester diese Ehe auszureden.
Einen Monat später wurden Melina Lambrou und Constantin Demiris getraut.
Anfangs schienen sie eine perfekte Ehe zu führen. Constantin war amüsant und aufmerksam. Er war ein aufregender und leidenschaftlicher Liebhaber, und er überraschte Melina ständig mit großzügigen Geschenken und luxuriösen Fernreisen.
In der ersten Nacht ihrer Flitterwochen sagte er:»Meine erste Frau konnte keine Kinder bekommen. Jetzt werden wir viele Söhne haben.«
«Keine Töchter?«neckte Melina ihn.
«Wenn du es wünschst. Aber zuerst einen Sohn.«
Constantin war außer sich vor Freude, als Melina ihm eines Tages mitteilte, daß sie schwanger sei.
«Er wird mein Imperium erben!«rief er glücklich aus.
Im dritten Monat hatte Melina eine Fehlgeburt. Constantin Demiris befand sich damals auf einer Auslandsreise. Als er zurückkam und hörte, was geschehen war, reagierte er wie ein Wahnsinniger.»Was hast du gemacht?«brüllte er.»Wie hat das passieren können?«
«Costa, ich…«
«Du hast nicht aufgepaßt!«
«Nein, ich schwöre dir, daß ich… «
Er holte tief Luft.»Gut, was passiert ist, ist passiert. Wir werden einen anderen Sohn haben.«
«Ich… ich kann nicht. «Sie wich seinem Blick aus.
«Was soll das heißen?«
«Sie haben mich operieren müssen. Ich kann kein Kind mehr bekommen.«
Er stand wie versteinert vor ihr; dann wandte er sich ab und stakste wortlos hinaus.
Von diesem Augenblick an war Melinas Eheleben die Hölle auf Erden. Constantin Demiris verhielt sich, als habe sie seinen Sohn absichtlich umgebracht. Er ignorierte Melina und begann mit anderen Frauen auszugehen.
Das hätte Melina vielleicht noch ertragen, aber was ihre Demütigung um so schmerzvoller machte, war das Vergnügen, das er darin fand, seine Affären in aller Öffentlichkeit zu haben: ungenierte Liebschaften mit Filmstars, Opernsängerinnen und den Frauen einiger seiner Freunde; er nahm seine Geliebten mit nach Psara, seiner Privatinsel bei Chios, lud sie zu Kreuzfahrten auf seine Jacht ein und erschien mit ihnen auf Gesellschaften. Die Regenbogenpresse berichtete freudig über Constantin Demiris' romantische Abenteuer.
Sie waren zu einer Dinnerparty im Hause eines prominenten Bankiers eingeladen.
«Melina und Sie müssen kommen«, hatte der Bankier gesagt.»Ich habe einen neuen Koch, der die chinesische Küche perfekt beherrscht.«
Die Gästeliste enthielt zahlreiche große Namen. Am Tisch war eine faszinierende Kollektion von Künstlern, Politikern und Industriellen versammelt. Das Essen war wirklich ausgezeichnet. Der Koch servierte Haifischflossensuppe, fritierte Hummerkrabbenbällchen, Lammfleisch mit Frühlingszwiebeln, Pekingente, süßsaure Schweinerippchen, Kantonnudeln und ein Dutzend weitere Gerichte. Melina saß am Kopfende des Tisches neben dem Gastgeber; der Platz ihres Mannes war am unteren Ende neben der Gastgeberin. Rechts neben ihm saß eine hübsche junge Filmschauspielerin. Demiris konzentrierte sich ausschließlich auf sie und ignorierte alle übrigen Anwesenden. Melina bekam Bruchstücke ihrer Unterhaltung mit.
«… zu einer Kreuzfahrt auf meiner Jacht ein, sobald Ihre Dreharbeiten beendet sind. Das wird ein herrlicher Urlaub für Sie! Wir fahren die dalmatinische Küste entlang…«
Melina versuchte wegzuhören, aber es war unmöglich. Demiris schien absichtlich laut zu sprechen.»Sie waren noch nie auf Psara, nicht wahr? Eine hübsche kleine Insel — und ganz einsam. Es wird Ihnen dort gefallen. «Melina hätte sich am liebsten unter dem Tisch verkrochen. Aber das Schlimmste kam erst noch.
Nachdem sie die süßsauren Schweinerippchen genossen hatten, verteilten die Diener Fingerschalen.
«Heute brauchen Sie keine«, sagte Demiris, als der jungen Schauspielerin eine Fingerschale hingestellt wurde. Dann hob er lächelnd ihre Hände an seine Lippen und leckte ihr einen Finger nach dem anderen ab. Die übrigen Gäste sahen peinlich berührt weg.
Melina stand hastig auf und wandte sich an den Gastgeber.»Wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen, ich… ich habe Kopfschmerzen.«
Die Gäste beobachteten, wie sie aus dem Saal flüchtete.
Demiris kam weder in dieser noch in der folgenden Nacht nach Hause.
Spyros erbleichte vor Wut, als er von dieser Kränkung hörte.»Ein Wort von dir genügt«, polterte er,»und ich bring' den Hundesohn um!«
«Er kann nichts dafür«, verteidigte Melina ihren Mann.»Das ist eben seine Natur.«
«Seine Natur? Der Kerl ist ein Vieh! Er gehört hinter Gitter. Warum läßt du dich nicht von ihm scheiden?«
Diese Frage hatte Melina Demiris sich in der Stille langer, einsamer Nächte schon oft gestellt. Und die Antwort war stets dieselbe:»Weil ich ihn liebe.«
Um halb sechs in der Früh wurde Catherine von einer Zofe geweckt.»Guten Morgen, Miss… «
Catherine schlug die Augen auf und sah sich verwirrt um. Statt in ihrer winzigen Klosterzelle befand sie sich in einem luxuriösen
Schlafzimmer in… Dann kamen die Erinnerungen plötzlich zurück. Die Fahrt nach Athen… Sie sind Catherine Douglas… Die beiden sind hingerichtet worden…
«Miss… «
«Ja?«
«Mr. Demiris läßt fragen, ob Sie ihm die Freude machen würden, mit ihm auf der Terrasse zu frühstücken.«
Catherine starrte das Mädchen verschlafen an. Sie war so durcheinander gewesen, daß sie erst gegen vier Uhr hatte einschlafen können.
«Danke. Sagen Sie Mr. Demiris, daß ich gleich komme.«
Eine Viertelstunde später führte der Butler Catherine auf eine riesige Terrasse mit Meeresblick. Die niedrige Steinbalustrade erhob sich etwa fünf Meter über dem parkähnlichen Garten der Villa. Constantin Demiris erwartete sie am gedeckten Tisch. Er begutachtete Catherine, als sie auf ihn zukam. Sie hatte etwas aufregend Frisches an sich. Er würde sie erobern, besitzen, zu seinem Eigentum machen. Er stellte sich vor, wie sie nackt in seinem Bett lag und ihm half, Noelle und Larry nochmals zu bestrafen. Dann stand er auf.
«Guten Morgen. Verzeihen Sie, daß ich Sie so früh habe wecken lassen, aber ich muß in ein paar Minuten ins Büro fahren und wollte vorher noch ein paar Worte mit Ihnen reden können.«
«Ja, natürlich«, sagte Catherine.
Sie setzte sich ihm gegenüber an den großen Marmortisch. Die eben aufgehende Sonne ließ das Meer wie mit Juwelen übersät glitzern.
«Was möchten Sie essen?«
Sie schüttelte den Kopf.»Danke, nichts, ich bin nicht hungrig.«
«Aber eine Tasse Kaffee?«
«Ja, bitte.«
Der Butler servierte ihr dampfenden Kaffee in einer Daliktasse.
«Nun, Catherine«, begann Demiris,»haben Sie über unser gestriges Gespräch nachgedacht?«
Catherine hatte die ganze Nacht lang an nichts anderes gedacht. In Athen hielt sie nichts mehr, und sie hätte nicht gewußt, wohin sie sich wenden sollte. Ins Kloster gehe ich nicht zurück, hatte sie sich geschworen. Das Angebot, in London für Constantin Demiris zu arbeiten, klang verlockend. Es klingt sogar aufregend. Es könnte der Beginn eines neuen Lebens sein.
«Ja«, sagte Catherine,»das habe ich.«
«Und?«
«Ich… ich möchte es versuchen, glaube ich.«
Constantin Demiris gelang es, seine Erleichterung zu verbergen.»Das freut mich. Kennen Sie London?«
«Nein. Oder ich… kann mich nicht daran erinnern.«Warum weiß ich das nicht bestimmt? hatte noch immer so viele gräßliche Erinnerungslücken. Wie viele solcher Überraschungen stehen mir wohl noch bevor?
«London gehört zu den wenigen noch zivilisierten Städten dieser Welt. Sie werden es bestimmt liebgewinnen.«
Catherine zögerte.»Mr. Demiris, warum geben Sie sich soviel Mühe mit mir?«