Demiris sah ihr in die Augen.»Sie ahnen nicht, wie großzügig ich sein kann.«
Catherine fand die Situation peinlich. Er ist nur freundlich. Du darfst das nicht überbewerten.
Am Tag darauf flog Demiris wieder ab.»Hätten Sie Lust, mich zum Flughafen zu begleiten, Catherine?«
«Ja.«
Sie fand Costa interessant, beinahe faszinierend. Er war amüsant und intelligent, und seine Aufmerksamkeit schmeichelte ihr.
Am Flughafen küßte Demiris sie leicht auf die Wange.»Ich bin froh, daß wir ein bißchen Zeit füreinander gehabt haben, Catherine.«
«Ich auch. Danke, Costa.«
Von der Besucherterrasse aus sah sie sein Flugzeug abheben. Er ist ein ganz besonderer Mensch. Er wird mir fehlen.
6
Die scheinbar enge Freundschaft zwischen Constantin Demiris und seinem Schwager Spyros Lambrou hatte alle Außenstehenden schon immer verwundert.
Spyros Lambrou war fast so reich und mächtig wie Demiris. Constantin Demiris war Eigner der größten Tankerflotte der Welt; Lambrou gehörte die zweitgrößte. Demiris kontrollierte einen Zeitungskonzern und besaß Fluggesellschaften, Ölfelder, Stahlwerke und Goldminen; Lambrou gehörten
Versicherungsgesellschaften, Banken, Immobilien und ein Chemiewerk. Sie schienen freundschaftlich miteinander zu konkurrieren.
«Ist es nicht wunderbar«, fragten die Leute,»daß zwei der mächtigsten Männer der Welt so gute Freunde sind?«
In Wirklichkeit waren die beiden unversöhnliche Rivalen, die einander verachteten. Als Spyros Lambrou sich eine Dreißigmeterjacht kaufte, orderte Demiris sofort eine Fünfzigmeterjacht mit 13 Mann Besatzung, vier GM-Dieselmotoren, zwei Motorbooten und einem mit Süßwasser gefüllten Swimmingpool.
Als Spyros Lambrous Flotte mit seinem zwölften Tanker die Grenze von 200.000 BRT überschritt, vergrößerte
Constantin Demiris seine eigene Flotte auf 23 Tanker mit 650.000 BRT Gesamttonnage. Als Lambrou sich einen Rennstall zulegte, kaufte Demiris sich einen noch größeren, ließ seine Pferde gegen die seines Schwagers laufen und blieb fast immer Sieger.
Die beiden Männer begegneten sich häufig, denn sie waren in Wohltätigkeitsorganisationen engagiert, gehörten zahlreichen Aufsichtsräten an und nahmen gelegentlich an Familientreffen teil.
Vom Temperament her waren sie einander genau entgegengesetzt. Während Demiris sich aus eigener Kraft aus der Gosse hochgearbeitet hatte, war Lambrou adeliger Herkunft. Er war ein schlanker, eleganter, stets untadelig gekleideter Mann von etwas angestaubter Höflichkeit. Die Familie Lambrou konnte ihre Abstammung auf den Wittelsbacher Prinzen zurückführen, der Griechenland als Otto I. regiert hatte.
In den Wirren der Balkankriege hatte eine kleine Gruppe von Industriellen, Grundstücksmaklern und Reedern gewaltige Vermögen angehäuft. Lambrous Vater hatte dazugehört, und Spyros hatte sein Imperium geerbt.
Spyros Lambrou war ein abergläubischer Mann. Er wußte seine glückhaften Lebensumstände zu schätzen und war ängstlich bedacht, die Götter nicht gegen sich aufzubringen. Von Zeit zu Zeit suchte er Wahrsagerinnen auf, um ihren Rat einzuholen. Er war intelligent genug, um Schwindlerinnen zu durchschauen, aber es gab eine Wahrsagerin, deren Voraussagen mit unheimlicher Genauigkeit eintrafen. Sie hatte die Fehlgeburt seiner Schwester Melina, das Scheitern ihrer Ehe und Dutzende von später eingetretenen Ereignissen richtig vorausgesagt. Sie lebte in Athen.
Sie hieß Madame Piris.
Spyros Lambrou und Constantin Demiris taten schon seit vielen Jahren so, als seien sie gute Freunde. Aber beide waren entschlossen, den anderen zu vernichten. Demiris aus seinem Überlebensinstinkt heraus; Lambrou wegen der empörend schlechten Behandlung Melinas durch seinen Schwager.
Constantin Demiris hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, jeden Morgen um Punkt sechs Uhr in seinem Büro in der Agiou Geronda zu sein. Bis die Konkurrenz zu arbeiten begann, hatte Demiris schon mehrere Stunden mit seinen Vertretern in einem Dutzend Staaten telefoniert.
Demiris' Privatbüro war spektakulär. Riesige Fenster gaben die Aussicht auf das zu seinen Füßen liegende Athen frei. Der Fußboden war aus schwarzem Granit, die Möbel aus Stahl, Glas und Leder. An den Wänden hingen Meisterwerke von Leger und Braque und ein halbes Dutzend Picassos. Demiris thronte hinter einem Schreibtisch in einem hochlehnigen Ledersessel. Auf der Schreibtischplatte lag die in Kristall gefaßte Totenmaske Alexanders des Großen. Die Inschrift darunter lautete: Alexandras. Beschützer des Menschen.
An diesem Morgen klingelte das Telefon, als Constantin Demiris sein Arbeitszimmer betrat. Die Nummer dieses Anschlusses kannten nicht mehr als ein halbes Dutzend Leute. Demiris nahm den Hörer ab. »Oriste?«
«Kalimera. «Der Anrufer war Nikos Veritos, Spyros Lambrous Privatsekretär. Seine Stimme klang nervös.
«Bitte entschuldigen Sie die Störung, Herr Demiris. Aber Sie wollten, daß ich Sie anrufe, wenn ich etwas erfahre, das Ihnen
«Ja. Was gibt's also?«
«Herr Lambrou beabsichtigt, die amerikanische Firma
Aurora International zu kaufen. Sie ist an der New Yorker Börse notiert. Herr Lambrou hat einen Freund im Vorstand, der ihm erzählt hat, daß die Firma einen Großauftrag zum Bau von Bombern erhalten wird. Diese Information muß natürlich streng vertraulich bleiben. Sobald das Geschäft bekanntgegeben wird, dürfte der Kurs der Aurora-Aktien stark… «
«Die Börse interessiert mich nicht!«knurrte Demiris mißgelaunt.»Belästigen Sie mich nicht wieder mit solchen Bagatellen, haben Sie mich verstanden?«
«Verzeihung, Herr Demiris. Ich dachte
Aber Demiris hatte bereits aufgelegt.
Um acht Uhr, als sein Assistent Jannis Charis das Büro betrat, sah Demiris von seinem Schreibtisch auf.»An der New Yorker Börse ist eine Firma Aurora International notiert. Lassen Sie in allen unseren Zeitungen veröffentlichen, daß gegen ihren Vorstand wegen Betrugs ermittelt wird. Die Story soll ausgewalzt werden, bis der Kurs der Aurora-Aktien einbricht. Dann kaufen Sie mir eine Mehrheitsbeteiligung zusammen.«
«Wird sofort erledigt. Sonst noch was?«
«Sobald ich die Aktienmehrheit besitze, lassen Sie bekanntgeben, die Gerüchte seien unbegründet gewesen. Und sorgen Sie dafür, daß die New Yorker Börsenaufsicht erfährt, daß Spyros Lambrou seine Beteiligung aufgrund von inoffiziellen Informationen erworben hat.«
Jannis Charis zögerte.»Herr Demiris, in den Vereinigten Staaten ist das strafbar.«
Constantin Demiris lächelte.»Ich weiß.«
Keine zwei Kilometer weit entfernt arbeitete Spyros in seinem Büro am Syntagmaplatz. Sein mit französischen und italienischen Antiquitäten eingerichtetes Arbeitszimmer war Ausdruck seines guten Geschmacks. Drei der Wände verschwanden unter Gemälden französischer Impressionisten; die vierte Wand war belgischen Malern, von van Rysselberghe bis de Smet, vorbehalten. Auf dem Messingschild am Eingang stand Lambrou & Partner, aber es hatte niemals Partner gegeben.
Spyros Lambrou hätte glücklich sein müssen. Er war reich, hatte Erfolg und erfreute sich bester Gesundheit. Aber solange Constantin Demiris lebte, konnte er nicht wirklich glücklich sein. In seinen Augen war sein Schwager ein Polymichanos, ein trickreicher Mann, ein Gauner ohne Moral. Er hatte Demiris schon immer gehaßt, weil er Melina schlecht behandelte, aber die erbitterte Rivalität der beiden hatte ihre eigenen schrecklichen Gründe.
Begonnen hatte alles vor einigen Jahren mit einem Mittagessen, zu dem Spyros Lambrou seine Schwester eingeladen hatte. Sie hatte ihn noch nie so aufgeregt erlebt.
«Melina, weißt du eigentlich, daß die Welt jeden Tag so viel Erdöl verbraucht, wie die Natur in tausend Jahren hervorgebracht hat?«
«Nein, Spyros.«
«In Zukunft wird der Erdölverbrauch noch gewaltig ansteigen, und es gibt nicht genügend Tanker, um diese Mengen zu transportieren.«