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Die Provinz Afyon liegt in der Mitte des östlichen Drittels der Türkei, am Fuß der Sultanberge auf einer einsamen, weit von allen

Großstädten des Landes entfernten Hochebene.

«Für unsere Arbeit ist dieses Gebiet besonders gut geeignet«, erklärte Mustafa.»Hier sind wir nur schwer zu finden.«

Die Maultierkarawane zog langsam durch das karge Bergland und erreichte kurz nach Mitternacht die türkisch-syrische Grenze. Dort wurden die Schmuggler von einer schwarzgekleideten Frau erwartet. Sie führte ein mit einem harmlosen Sack Mehl beladenes Pferd, an dessen Sattelhorn ein dünnes Hanfseil befestigt war. Das fast hundert Meter lange Seil hing hinter dem Pferd herab, ohne jemals den Boden zu berühren. Ein Ende war am Sattel festgeknotet, und den Rest des Seils hielten Mustafa und die Männer hinter ihm in den Händen.

Sie schlichen tiefgebückt weiter, umklammerten mit einer Hand das Leitseil und hielten mit der anderen einen Jutesack Opium auf ihrer Schulter fest. Jeder Sack wog fünfunddreißig Kilo. Die Frau und ihr Pferd durchquerten das mit Tellerminen gesicherte Grenzgebiet durch eine Gasse, die am Vortag durch eine über die Grenze getriebene kleine Schafherde geschaffen worden war. Fiel das Seil zu Boden, waren Mustafa und seine Männer gewarnt, daß vor ihnen eine Grenzpatrouille aufgetaucht war. Wurde die Frau dann abgeführt, war der Weg für die Schmuggler frei.

Nachdem die Kolonne das verminte, von Patrouillen kontrollierte Grenzgebiet durchquert hatte, marschierte sie durch die fünf Kilometer breite Pufferzone und erreichte den vereinbarten Treffpunkt, wo sie von syrischen Schmugglern empfangen wurde. Die Männer warfen ihre Last ab und nahmen dankbar eine Flasche Raki entgegen, die sie herumgehen ließen. Rizzoli beobachtete, wie die Ware geprüft, gewogen und auf zehn schmutzige syrische Esel verladen wurde. Damit war ihre Arbeit getan.

Okay, dachte Rizzoli, jetzt wollen wir mal sehen, wie die Jungs in Thailand arbeiten.

Tony Rizzolis nächstes Ziel war Bangkok. Nachdem er sich legitimiert hatte, durfte er auf einem thailändischen Fischerboot mitfahren, dessen Fracht aus Opium in Plastikbeuteln bestand, die man in alten Ölfässern mit angeschweißten Ringen verstaut hatte. Vor der Einfahrt nach Hongkong warfen die Boote diese Fässer dann in ordentlicher Reihe ins seichte Wasser, aus dem einheimische Fischer sie mit Greif haken mühelos bergen konnten.

Nicht übel, dachte Rizzoli. Aber es muß eine bessere Methode geben.

Die Erzeuger sprachen vom Heroin als» H «oder» Horse«, aber für Tony Rizzoli war es reines Gold. Die Gewinne waren atemberaubend hoch. Für zehn Kilo Rohopium erhielten die Mohnbauern 350 Dollar, aber der weiterverarbeitete Stoff brachte in New York im Straßen verkauf 250.000 Dollar.

Ein Kinderspiel! dachte Rizzoli. Carella hat recht gehabt — man darf sich bloß nicht erwischen lassen.

So war es zu Anfang gewesen, aber jetzt war das Geschäft schwieriger geworden. Erst kürzlich hatte Interpol der Bekämpfung des Drogenhandels absolute Priorität eingeräumt. Alle auch nur im geringsten verdächtig wirkenden Schiffe, die aus den bekannten Schmuggelhäfen ausliefen, wurden von der Polizei durchsucht.

Das war der Grund, warum Rizzoli Spyros Lambrou aufgesucht hatte. Dessen Flotte war so renommiert, daß keine Durchsuchung zu befürchten gewesen wäre. Aber der Schweinehund hatte ihn abgewiesen. Ich finde eine andere Möglichkeit, dachte Rizzoli. Aber ich muß sie verdammt schnell finden.

«Catherine… störe ich etwa?«

Es war kurz vor Mitternacht.»Nein, Costa. Es ist schön, deine Stimme zu hören.«

«Bei dir alles in Ordnung?«

«Ja — und das verdanke ich dir. Die Arbeit macht mir großen Spaß.«

«Wunderbar. Hör zu, ich komme in zwei, drei Wochen wieder nach London. Ich freue mich darauf, dich wiederzusehen.«Vorsichtig. Nichts überstürzen.»Ich möchte mit dir über einige Leute in der Firma sprechen.«

«Gern.«

«Schön, dann bis bald. Gute Nacht, Catherine.«

«Gute Nacht, Costa.«

Diesmal rief sie ihn an.»Costa… ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Das Medaillon ist wunderschön. Aber ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn du mir… «

«Es ist ein kleines Dankeschön, Catherine. Evelyn erzählt mir immer wieder, wie gut du dich eingearbeitet hast. Ich wollte dir nur meine Anerkennung ausdrücken.«

Wie einfach alles ist! dachte Demiris. Komplimente und kleine Geschenke. Später dann: Meine Frau und ich sind dabei, uns zu trennen.

Danach das» Ich-bin-so-einsam«-Stadium.

Zuletzt vage angedeutete Heiratsabsichten und eine Einladung auf seine Jacht und seine Privatinsel. Die Masche funktionierte immer. Aber diesmal ist es besonders aufregend, weil die Sache anders enden wird…

Er rief Napoleon Chotas an.

Der Rechtsanwalt war erfreut, von ihm zu hören.»Wir haben uns eine Ewigkeit nicht mehr gesehen, Costa. Bei dir alles in Ordnung?«

«Ja, danke. Hör zu, du mußt mir einen Gefallen tun.«

«Selbstverständlich.«

«Noelle Page hat eine kleine Villa in Rafina gehört. Ich möchte, daß du sie als Strohmann für mich kaufst.«

«Wird erledigt. Ich beauftrage einen Kollegen aus meiner Kanzlei damit, sie…»

«Ich möchte, daß du die Sache selbst in die Hand nimmst.«

Der Anwalt antwortete nicht gleich. «Gut, wie du willst. Ich kümmere mich persönlich darum.«-»Danke.«

Napoleon Chotas saß da und starrte das Telefon an. Diese Villa war das Liebesnest gewesen, in dem Noelle Page und Larry Douglas sich getroffen hatten. Was hat Constantin Demiris damit vor?

7

Das große Gerichtsgebäude Arsakion in der Athener Innenstadt ist ein weitläufiger grauer Steinbau, der einen ganzen Block zwischen Universitäts- und Stadionstraße einnimmt. Von seinen über 30 Gerichtssälen sind nur drei für Strafprozesse reserviert: die Säle 21,30 und 33.

Wegen des zu erwartenden Publikumsandrangs fand der Mordprozeß gegen Anastasia Savalas in Saal 33 statt. Die Zuschauerplätze in diesem größten Verhandlungssaal wurden durch zwei Meter breite Gänge in drei Blöcke unterteilt, die je neun Sitze pro Reihe aufwiesen. Der erhöhte Richtertisch mit den hochlehnigen Sesseln der drei Richter wurde vom Saal durch eine fast mannshohe, mahagoniverkleidete Zwischenwand separiert.

Vor dem Richtertisch befand sich der Zeugenstand, ein Podium mit festinstalliertem Lesepult, und an der Längswand des Saals stand die Geschworenenbank, auf der jetzt die zehn Geschworenen Platz genommen hatten. Vor der Anklagebank hatte die Verteidigung ihren Tisch, während der Staatsanwalt den Geschworenen gegenüber an der linken Wand saß.

Der Glanzpunkt dieses an sich schon sensationellen Mordprozesses war die Tatsache, daß Napoleon Chotas, einer der berühmtesten Strafverteidiger der Welt, die Verteidigung übernommen hatte. Chotas, der auf Mordfälle spezialisiert war, konnte auf spektakuläre Erfolge zurückblicken. Sein Anwaltshonorar sollte angeblich siebenstellige Summen betragen. Napoleon Chotas war ein kleiner, zerstreuter, ausgemergelt wirkender Mann mit großen traurigen Bernhardineraugen in einem zerfurchten Gesicht. Er kleidete sich nachlässig; seine ganze Erscheinung wirkte wenig vertrauenerweckend. Aber hinter seiner scheinbar zerstreuten Art steckte ein brillanter, scharfsinniger Verstand.

Die Presse hatte eifrig darüber spekuliert, weshalb Napoleon Chotas die Verteidigung der Angeklagten übernommen hatte. Da ein Freispruch unmöglich zu erreichen war, wurden bereits Wetten darauf abgeschlossen, daß dieser Prozeß mit Chotas' erster Niederlage vor Gericht enden würde.