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Staatsanwalt Peter Demonides fürchtete seinen alten, gerissenen Kontrahenten Chotas — obwohl er sich das nie eingestehen würde. Aber diesmal glaubte er, keinen Grund zur Sorge zu haben. Falls es jemals einen Mordprozeß gegeben hatte, der mit einem Schuldspruch enden mußte, so war es dieses Verfahren gegen Anastasia Savalas.

Die Tatsachen waren eindeutig: Anastasia Savalas war die schöne junge Frau eines reichen, fast dreißig Jahre älteren Mannes gewesen. Sie hatte eine Affäre mit ihrem jungen Chauffeur Joseph Pappas gehabt, und ihr Mann hatte ihr nach Zeugenaussagen mit Scheidung und Enterbung gedroht. Am Tatabend hatte sie das Hauspersonal weggeschickt und das Essen selbst zubereitet. Giorgios Savalas, der erkältet gewesen war, hatte bei Tisch einen Hustenanfall erlitten. Seine Frau hatte ihm seine Hustenmilch gebracht. Savalas hatte einen Löffel davon genommen und war tot umgefallen.

Es war eindeutig Mord gewesen.

An diesem Vormittag war der Saal 33 überfüllt. Anastasia Savalas, die in einem schlichten schwarzen Kostüm auf der Anklagebank saß, trug keinen Schmuck und nur ein sehr dezentes Make-up. Sie war atemberaubend schön.

Zu Prozeßbeginn wandte Staatsanwalt Peter Demonides sich an die Geschworenen.

«Meine Damen und Herren Geschworenen, wie Sie wissen, dauern Strafverfahren wegen Mordes manchmal drei bis vier Monate. Aber ich bin sicher, daß Sie sich diesmal nicht auf eine so lange Verfahrensdauer einrichten müssen. Sobald die Tatsachen auf dem Tisch liegen, werden Sie mir zustimmen, daß nur ein Schuldspruch im Sinne der Anklage denkbar ist. Wir werden beweisen, daß die Angeklagte ihren Ehegatten vorsätzlich ermordet hat, weil er ihr nach der Entdeckung ihrer Affäre mit dem Chauffeur der Familie mit Scheidung gedroht hat. Wir werden nachweisen, daß die Angeklagte ein Motiv und die Möglichkeit und Mittel zur Durchführung ihres eiskalten Mordplans gehabt hat. Ich danke Ihnen. «Er nahm wieder Platz.

Der versitzende Richter wandte sich an Chotas.»Herr Verteidiger, sind Sie bereit, Ihre Eröffnung vorzutragen?«

Napoleon Chotas stand langsam auf.»Ich bin bereit, Hohes

Gericht! Meine Damen und Herren Geschworenen!«Er schlurfte unsicher zur Geschworenenbank hinüber, blinzelte die Frauen und Männer an, und als er sprach, schien er fast ein Selbstgespräch zu führen.

«In den langen Jahren meiner Berufspraxis habe ich die Erfahrung gemacht, daß kein Mensch seinen schlechten Charakter verbergen kann. Er kommt unweigerlich zum Vorschein. Ein Dichter hat einmal gesagt, die Augen seien die Fenster der Seele. Ich glaube, daß er recht hatte. Ich möchte, daß Sie in die Augen der Angeklagten blicken, meine Damen und Herren, und Sie werden sehen, daß sie niemals imstande gewesen sein kann, einen Mord zu begehen. «Napoleon Chotas blieb kurz stehen, als überlege er, was er noch sagen könnte; dann schlurfte er an seinen Platz zurück.

In Peter Demonides wallte jähes Triumphgefühl auf. Großer Gott, das ist die schwächste Eröffnung, die ich je gehört habe! Der Alte hat seine Zähne verloren.

«Herr Staatsanwalt, sind Sie bereit, Ihre erste Zeugin aufzurufen?«

«Ja, Hohes Gericht. Ich rufe Rosa Lykourgos in den Zeugenstand.«

In der ersten Zuschauerreihe stand eine stämmige Mittvierzigerin auf, marschierte resolut zum Zeugenstand und ließ sich vereidigen.

«Frau Lykourgos, was sind Sie von Beruf?«

«Haushälterin bei…«Ihre Stimme versagte fast.»Ich bin Haushälterin bei Herrn Savalas gewesen.»

«Bei Herrn Giorgios Savalas?«

«Ja, Herr Staatsanwalt.«

«Würden Sie uns bitte sagen, wie lange Sie bei ihm angestellt waren?«

«Fünfundzwanzig Jahre.«

«Oh, das ist aber lange! Haben Sie Ihren Arbeitgeber geschätzt?«

«Er war ein Heiliger.«

«Haben Sie auch schon während seiner ersten Ehe für Herrn Savalas gearbeitet?«

«Gewiß. Ich habe mit ihm am Grab gestanden, als seine erste Frau beigesetzt wurde.«

«Könnte man sagen, daß die beiden gut miteinander ausgekommen sind?«

«Sie haben sich wahnsinnig geliebt.«

Peter Demonides sah zu Napoleon Chotas hinüber und wartete auf seinen Einspruch gegen diese Frage. Aber Chotas blieb wie abwesend sitzen.

Der Staatsanwalt fuhr fort.»Und Sie blieben seine Haushälterin, als Herr Savalas in zweiter Ehe Anastasia Savalas heiratete?«

«Allerdings!«Sie spuckte das Wort förmlich aus.

«Würden Sie diese Ehe als glücklich bezeichnen?«Er sah wieder zu Napoleon Chotas, der auch diesmal keine Reaktion zeigte.

«Glücklich? Nein, bestimmt nicht! Sie waren wie Hund und Katz.«

«Haben Sie ihre Auseinandersetzungen miterlebt?«

«Nun, das war nicht zu vermeiden. Man hat sie im ganzen Haus gehört — und das Haus ist groß!«

«Vermute ich richtig, daß mit Worten, nicht mit Schlägen gestritten wurde? Herr Savalas hat seine Frau doch wohl nie geschlagen?«

«Doch, Hiebe hat's auch gesetzt. Aber andersrum wird ein Schuh draus: Die Madame hat ihn geschlagen! Herr Savalas war eben nicht mehr der Jüngste und schon recht klapprig.«

«Sie haben selbst gesehen, wie Frau Savalas ihren Mann geschlagen hat?«

«Mehr als einmal. «Die Zeugin sah dabei zu Anastasia Savalas hinüber, und aus ihrer Stimme sprach grimmige Zufriedenheit.

«Frau Lykourgos, wer vom Hauspersonal ist in der bewußten Nacht, in der Herr Savalas starb, im Haus gewesen?«

«Keiner von uns.«

Peter Demonides spielte den Überraschten.»Soll das heißen, daß in einem Ihrer Schilderung nach so großen Haus kein Personal anwesend war? Hat Herr Savalas denn keinen Koch, kein Dienstmädchen, keinen Butler beschäftigt?«

«Doch, die haben wir alle gehabt. Aber die Madame hat allen freigegeben und uns weggeschickt. Sie wollte das Abendessen für ihren Mann selbst kochen. Das sollten die zweiten Flitterwochen werden. «Bei diesem Satz schnaubte die Zeugin verächtlich.

«Frau Savalas hat also dafür gesorgt, daß keine Zeugen im Haus waren?«

Diesmal sah der Richter zu Napoleon Chotas hinüber, weil er seinen Einwand erwartete. Aber der Verteidiger starrte weiter gedankenverloren vor sich hin.

Der Richter wandte sich an Demonides.»Vermeiden Sie bitte Suggestivfragen, Herr Staatsanwalt.«

«Ich bitte um Verzeihung, Hohes Gericht. Ich werde die Frage anders formulieren.«

Demonides trat näher an Rosa Lykourgos heran.»Festzustellen bleibt also, daß Frau Savalas an einem Abend, an dem normalerweise ein Teil des Personals im Haus gewesen wäre, alle Leute weggeschickt hat, um mit ihrem Mann allein sein zu können?«

«Ganz recht. Und der Ärmste war schrecklich erkältet.«

«Hat Frau Savalas oft für ihren Mann gekocht?«

Die Zeugin schniefte verächtlich.»Die? Garantiert nicht! Sie hat im Haus nie auch nur einen Finger krumm gemacht.«

Und Napoleon Chotas blieb so gelassen sitzen, als sei er der letzte, der etwas mit dem Prozeß zu tun hätte.

«Ich danke Ihnen für Ihre Aussage, Frau Lykourgos.«

Peter Demonides hatte Mühe, seine Zufriedenheit zu verbergen, als er sich jetzt an Chotas wandte. Die Aussage der resoluten Haushälterin hatte die Geschworenen merklich beeindruckt. Sie warfen der Angeklagten mißbilligende Blicke zu. Mal sehen, wie der Alte dagegen ankommt.»Ihre Zeugin, Herr Verteidiger.«

Napoleon Chotas hob den Kopf.»Was? Danke, keine Fragen.«

Der Richter sah ihn erstaunt an.»Herr Verteidiger…Sie wollen die Zeugin nicht ins Kreuzverhör nehmen?«

Chotas stand auf.»Nein, Hohes Gericht. Sie macht einen grundehrlichen Eindruck. «Er nahm wieder Platz.

Peter Demonides wollte seinen Ohren nicht trauen. Großer Gott, dachte er, der Alte kämpft nicht einmal. Er ist wirklich erledigt.

Der Richter wandte sich an den Staatsanwalt.»Sie können Ihren nächsten Zeugen aufrufen.«

«Ich rufe Joseph Pappas in den Zeugenstand.«

Ein großer, gutaussehender, schwarzhaariger junger Mann, der ebenfalls in der ersten Reihe gesessen hatte, stand auf und trat vor.