«Herr Pappas«, begann Peter Demonides nach der Vereidigung,»was sind Sie von Beruf?«
«Ich bin Chauffeur.«
«Sind Sie im Augenblick irgendwo angestellt?«
«Nein.«»Aber Sie sind bis vor kurzem angestellt gewesen. Genauer gesagt bis zum Tode von Giorgios Savalas.«
«Ja, das stimmt.«
«Wie lange waren Sie Chauffeur der Familie Savalas?«
«Etwas über ein Jahr.«
«War das eine angenehme Stellung?«
Joseph Pappas sah hilfesuchend zu Chotas hinüber, als erwarte er seinen Einspruch. Aber der Verteidiger schwieg.
«War das eine angenehme Stellung, Herr Pappas?«
«Es war in Ordnung, schätze ich.«
«Hat man Sie gut entlohnt?«
«Ja.«
«Ist die Stellung dann nicht mehr als in Ordnung gewesen? Ich meine, haben Sie nicht auch Extravergünstigungen genossen? Sind Sie nicht regelmäßig mit Frau Savalas ins Bett gegangen?«
Pappas warf dem Verteidiger einen flehenden Blick zu. Aber die erhoffte Hilfe blieb aus.
«Ich… ja, das dürfte stimmen.«
«Das dürfte stimmen?«fragte Peter Demonides mit ätzendem Sarkasmus.»Sie stehen unter Eid! Haben Sie eine Affäre mit ihr gehabt oder nicht?«
Pappas wand sich vor Verlegenheit.»Wir haben was miteinander gehabt«, gab er zu.
«Obwohl Sie für ihren Mann arbeiteten — obwohl Sie ein großzügiges Gehalt bezogen und unter seinem Dach lebten?«
«Ja, das stimmt.«
«Es hat Sie nicht gestört, sich regelmäßig von Herrn Savalas entlohnen zu lassen, während Sie eine Affäre mit seiner Frau hatten?«
«Es war nicht bloß 'ne Affäre.«
Peter Demonides hatte den Köder listig ausgelegt.»Es war nicht bloß 'ne Affäre? Was meinen Sie damit? Das müssen Sie uns näher erklären.«
«Ich meine… Anastasia und ich wollten heiraten.«
Aus dem Publikum war ein überraschtes Murmeln zu hören. Die Geschworenen starrten die Angeklagte an.
«War die Sache mit der Heirat Ihre Idee oder die von Frau Savalas?«
«Nun, wir wollten's beide.«
«Von wem kam der Vorschlag?«
«Zuerst von ihr, glaub' ich. «Er sah zu Anastasia Savalas hinüber, die seinen Blick gelassen erwiderte.
«Ehrlich gesagt, das verstehe ich nicht, Herr Pappas. Wie hätten Sie sie heiraten können? Frau Savalas hatte doch schon einen Mann, nicht wahr? Wollten Sie warten, bis er an Altersschwäche gestorben war? Oder sollte er passenderweise bei einem Unfall umkommen? Woran genau haben Sie gedacht?«
Die Fragen waren so provokativ, daß der Staatsanwalt und die drei Richter zu Napoleon Chotas hinübersahen, weil sie erwarteten, er würde umgehend aufspringen und mit Stentorstimme Einspruch erheben. Aber Chotas war damit beschäftigt, etwas auf seinen Notizblock zu kritzeln, ohne auf die Vorgänge vor seiner Nase zu achten. Auch Anastasia Savalas wirkte jetzt allmählich besorgt.
Demonides faßte nach, um seinen Vorteil auszunutzen.»Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet, Herr Pappas.«
Wieder wand der Zeuge sich vor Verlegenheit.»Genau weiß ich's selbst nicht.«
Peter Demonides' Worte klangen wie Peitschenhiebe.»Dann will ich's Ihnen genau sagen! Frau Savalas wollte ihren Mann ermorden, weil er ihr im Weg stand. Sie wußte, daß er sie enterben wollte, daß sie nach seinem Tod mittellos dastehen würde. Sie… «
«Einspruch!«rief nicht Napoleon Chotas, sondern der Vorsitzende Richter.»Sie dürfen den Zeugen nicht dazu verleiten, Vermutungen anzustellen. «Er blickte zu Chotas hinüber, dessen Schweigen ihm unerklärlich war. Der Alte saß mit halbgeschlossenen Augen hinter seinem Tisch.
«Ich bitte um Verzeihung, Hohes Gericht. «Aber Demonides wußte, daß seine Argumentation gewirkt hatte. Er wandte sich an Chotas.»Ihr Zeuge, Herr Verteidiger.«
Napoleon Chotas erhob sich.»Danke, Herr Staatsanwalt. Keine Fragen.«
Die drei Richter wechselten verwunderte Blicke.»Herr Verteidiger«, fragte der Vorsitzende Richter,»sind Sie sich darüber im klaren, daß dies Ihre einzige Gelegenheit ist, diesen Zeugen ins Kreuzverhör zu nehmen?«
Napoleon Chotas blinzelte.»Gewiß, Hohes Gericht.«
«Und Sie wollen ihm trotz seiner Ihre Mandantin belastenden Aussage keine Fragen stellen?«
Napoleon Chotas machte eine vage abwehrende Handbewegung.»Nein, Hohes Gericht.«
Der Richter seufzte.»Gut, wie Sie wollen. Herr Staatsanwalt, Sie können Ihren nächsten Zeugen aufrufen.«
Der nächste Zeuge war Michail Haritonides, ein fülliger Mann Anfang Sechzig.
Nachdem er vereidigt worden war, fragte der Staatsanwalt:»Herr Haritonides, was sind Sie von Beruf?«
«Ich bin Direktor eines Hotels.«
«Wie heißt Ihr Hotel?«
«Hotel Argos.«
«Und wo befindet sich dieses Hotel?«
«Auf Korfu.«
«Herr Haritonides, können Sie uns sagen, ob von den hier Anwesenden schon mal jemand bei Ihnen übernachtet hat?«
Der Hoteldirektor sah sich um.»Ja«, antwortete er dann.»Sie und er.«
«Ich bitte zu Protokoll zu nehmen, daß der Zeuge auf Anastasia Savalas und Joseph Pappas gezeigt hat. «Peter Demonides setzte die Vernehmung fort.»Haben diese beiden öfter in Ihrem Hotel übernachtet?«
«O ja! Sie sind mindestens ein halbes Dutzend Mal bei uns gewesen.«
«Und die beiden haben jeweils ein Doppelzimmer genommen?«
«Ganz recht. Sie sind im allgemeinen übers Wochenende geblieben.«
«Danke, Herr Haritonides. «Er nickte Napoleon Chotas zu.»Ihr Zeuge, Herr Verteidiger.«
«Danke, keine Fragen.«
Die drei Richter steckten die Köpfe zusammen und flüsterten kurz miteinander. Dann sah der Vorsitzende Richter zu Napoleon Chotas hinüber.»Sie wollen also auch diesem Zeugen keine Fragen stellen, Herr Verteidiger?«erkundigte er sich nachdrücklich.
«Nein, Hohes Gericht. Ich glaube seiner Aussage. Das Hotel ist wirklich hübsch. Ich habe selbst schon dort übernachtet. «Der
Richter starrte Napoleon Chotas nachdenklich an, bevor er Demonides zunickte.»Herr Staatsanwalt, Sie können Ihren nächsten Zeugen aufrufen.«
«Ich rufe Doktor Vasilis Frangescos in den Zeugenstand.«
Ein schlanker, distinguiert wirkender Mann erhob sich, trat vor und wurde vereidigt.
«Doktor Frangescos, was sind Sie von Beruf?«
«Ich bin praktischer Arzt.«
«Also Arzt für Allgemeinmedizin?«
«So kann man es auch sagen, ja.«
«Wie lange praktizieren Sie schon, Doktor?«
«Fast dreißig Jahre.«
«Doktor Frangescos, war Giorgios Savalas bei Ihnen in Behandlung?«
«Ja, ich war sein Hausarzt.«
«Und wie lange?«
«Etwas über zehn Jahre.«
«Haben Sie Herrn Savalas wegen einer bestimmten Krankheit behandelt?«
«Nun, als er zum ersten Mal in meine Praxis kam, litt er unter zu hohem Blutdruck.«
«Und Sie haben ihn dagegen behandelt?«
«Ja.«
«Aber er ist auch danach Ihr Patient geblieben?«
«Ja, natürlich. Er kam zu mir, wenn er Bronchitis oder eine Magenverstimmung hatte — im allgemeinen nichts Ernstes.«
«Wann haben Sie Herrn Savalas zum letzten Mal gesehen?«
«Im Dezember vergangenen Jahres.«
«Also kurz vor seinem Tod?«
«Ganz recht.«
«Kam er in Ihre Praxis, Doktor?«
«Nein, ich habe ihn in seinem Haus aufgesucht.«
«Machen Sie immer Hausbesuche?«
«Nein, im allgemeinen nicht.«
«Aber in diesem Fall haben Sie eine Ausnahme gemacht?«
«Ja.«
«Weshalb?«
Der Arzt zögerte.»Nun, in seinem Zustand konnte er nicht in meine Praxis kommen.«
«In welchem Zustand befand er sich?«
«Er hatte Blutergüsse, eine Rippenprellung und eine leichte Gehirnerschütterung.«
«Ein Unfall?«