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Aber das haben wir alle bereits aus der Regenbogenpresse gewußt, nicht wahr? Die Affäre der beiden ist kein Geheimnis gewesen. Die ganze Welt hat davon gewußt. Sämtliche Klatschmagazine haben ausführlich darüber berichtet. Sie und ich, meine Damen und Herren Geschworenen, mißbilligen vielleicht ihr Verhalten, aber Anastasia Savalas ist hier nicht wegen Ehebruchs angeklagt. Sie steht nicht vor Gericht, weil sie den normalen sexuellen Bedürfnissen einer jungen Frau nachgegeben hat. Nein, die gegen sie erhobene Anklage lautet auf Mord.«

Er drehte sich erneut zu der Flasche um, als fasziniere sie ihn geradezu.

Der Alte soll ruhig weiterschwatzen, dachte Peter Demonides. Er sah kurz zur Wanduhr auf, die 11.55 Uhr anzeigte. Der Richter unterbrach die Verhandlung stets pünktlich um 12 Uhr. Der alte Narr wird sein Plädoyer nicht mehr beenden können. Er war nicht mal clever genug, um damit bis nach der Mittagspause zu warten. Warum habe ich ihn bloß jemals gefürchtet? fragte Demonides sich.

Napoleon Chotas palaverte weiter.

«Sehen wir uns die Beweise mal gemeinsam an, ja? Frau Savalas hat feststellen müssen, daß einige ihrer Pflanzen von Schädlingen befallen waren, und wollte sie natürlich retten. Deshalb ist sie zu Herrn Mentakis gegangen, den sie als Fachmann kannte und der ihr geraten hat, Antimon zu verwenden. Also hat sie seinen Rat befolgt. Nennen Sie das Mord? Ich bestimmt nicht!

Und dann haben wir die Aussage der Haushälterin, Frau Savalas habe alles Personal weggeschickt, um wie in den Flitterwochen für ihren Mann kochen und allein mit ihm essen zu können. Wenn Sie mich fragen, so ist die Haushälterin selbst ein bißchen in Herrn

Savalas verliebt gewesen. Man arbeitet nicht fünfundzwanzig Jahre für einen Mann, ohne ziemlich viel für ihn zu empfinden. Sie hat Anastasia Savalas nicht leiden können. Haben Sie das nicht aus ihrem Tonfall rausgehört?«

Chotas hüstelte leicht und räusperte sich danach.

«Nehmen wir einmal an, die Angeklagte hat ihren Mann im Grunde ihres Herzens aufrichtig geliebt und sich verzweifelt bemüht, ihre Ehe zu retten. Wie beweist eine Frau einem Mann ihre Liebe? Nun, am einfachsten wohl dadurch, daß sie für ihn kocht. Ist das nicht eine Form der Liebe? Ich glaube schon. «Er drehte sich erneut nach dem Hustensaft um.»Oder auch indem sie ihn versorgt, wenn er ihrer Hilfe bedarf — in gesunden wie in kranken Tagen?«

Die Wanduhr stand auf 11.59 Uhr.

«Meine Damen und Herren Geschworenen, bei Prozeßbeginn habe ich Sie aufgefordert, das Gesicht dieser Frau zu betrachten. Das ist nicht das Gesicht einer Mörderin. Das sind nicht die Augen eines Killers.«

Peter Demonides beobachtete die Geschworenen, während sie die Angeklagte anstarrten. Solch offene Feindseligkeit hatte er noch nie erlebt. Die hatte er in der Tasche.

«Das Gesetz spricht eine eindeutige Sprache, meine Damen und Herren Geschworenen. Wie das Hohe Gericht Sie später noch belehren wird, dürfen Sie einen Schuldspruch nur dann fällen, wenn Sie von der Schuld der Angeklagten völlig überzeugt sind. Restlos.«

Während Napoleon Chotas sprach, hustete er etwas lauter und zog sein Taschentuch, um sich die Lippen abzutupfen. Er trat an den Tisch, auf dem die Hustensaftflasche vor den Geschworenen stand.

«Wenn man sich's recht überlegt, hat der Staatsanwalt eigentlich gar nichts bewiesen, stimmt's? Außer daß dies die Flasche ist, aus der Frau Savalas ihrem Mann Hustensaft gegeben hat. In Wirklichkeit steht die Anklage auf tönernen Füßen. «Als Chotas diesen Satz zu Ende brachte, bekam er einen Hustenanfall. Er griff instinktiv nach der Medizinflasche, setzte sie an die Lippen und nahm einen großen Schluck daraus. Alle starrten ihn wie hypnotisiert an, bevor ein Stöhnen durch den Saal ging.

Der Aufruhr war unbeschreiblich.

«Herr Chotas…«, begann der Vorsitzende Richter besorgt, nachdem er sich mühsam Gehör verschafft hatte.

Napoleon Chotas nahm noch einen Schluck.»Hohes Gericht, die Anklage ist eine Verhöhnung jeglichen Gerechtigkeitsempfindens. Giorgios Savalas ist nicht durch diese Frau zu Tode gekommen. Das Plädoyer der Verteidigung ist beendet.«

Der Minutenzeiger der Wanduhr sprang auf 12 Uhr. Ein Gerichtsdiener trat an den Richtertisch und flüsterte dem Richter etwas zu.

Der Richter schwang seine Glocke.»Ruhe im Saal! Ich unterbreche die Verhandlung. Die Geschworenen ziehen sich zurück, um über ihre Entscheidung zu beraten. Die Verhandlung wird um vierzehn Uhr fortgesetzt.«

Peter Demonides stand wie gelähmt da. Irgend jemand mußte die Flaschen vertauscht haben! Nein, das war unmöglich. Das Beweisstück hatte in einer bewachten Asservatenkammer gestanden. Konnte der Pathologe sich so geirrt haben? Demonides drehte sich um, weil sein Beisitzer ihn ansprach; als er wieder nach Napoleon Chotas ausschaute, war der Verteidiger verschwunden.

Als die Verhandlung um 14 Uhr wiederaufgenommen wurde, kamen die Geschworenen langsam in den Saal und nahmen ihre Plätze ein. Einzig Napoleon Chotas fehlte noch.

Das Miststück ist tot, dachte Peter Demonides.

Doch noch während er das dachte, betrat Napoleon Chotas gesund und munter den Saal. Alle drehten sich nach ihm um und starrten ihn an, bis er seinen Platz erreicht hatte.

«Meine Damen und Herren Geschworenen, sind Sie zu einem Urteilsspruch gelangt?«fragte der Richter.

Der Geschworenensprecher stand auf.»Ja, Hohes Gericht. Die Angeklagte ist nicht schuldig.«

Die Zuhörer klatschten spontan Beifall.

Peter Demonides spürte, wie er aschfahl wurde. Der Schweinehund hat mich wieder reingelegt! Er blickte auf und sah, daß Napoleon Chotas ihn grinsend beobachtete.

8

Die Anwaltskanzlei Tritsis &. Tritsis war zweifellos die angesehenste Kanzlei in ganz Griechenland. Ihre Gründer lebten längst im Ruhestand, und Napoleon Chotas war ihr Nachfolger als Hauptgesellschafter. Obwohl er einige Juniorpartner aufgenommen hatte, blieb Chotas weiterhin das Aushängeschild der Firma.

Wann immer einem Betuchten eine Anklage wegen Mordes drohte, landete er unweigerlich bei Napoleon Chotas. Seine Erfolgsbilanz war phänomenal. In den langen Jahren seiner Tätigkeit als Strafverteidiger hatte er einen Prozeß nach dem anderen gewonnen. Erst vor kurzem hatte das Verfahren gegen Anastasia Savalas weltweit Schlagzeilen gemacht. Chotas hatte eine Mandantin verteidigt, gegen die sämtliche Indizien sprachen, und einen spektakulären Sieg errungen. Dabei hatte er persönlich sehr viel riskiert — aber er war sich darüber im klaren gewesen, daß er den Kopf seiner Mandantin nur so würde retten können.

Chotas lächelte in sich hinein, als er sich an die Gesichter der Geschworenen erinnerte, als er einen großen Schluck von dem vergifteten Hustensaft genommen hatte. Er hatte sein Plädoyer zeitlich sorgfältig so gelegt, daß er um Punkt 12 Uhr unterbrochen werden würde. Darauf war es entscheidend angekommen. Wäre das Gericht von seinem bisherigen Modus abgegangen, die Verhandlung mittags zu unterbrechen… Ihn schauderte bei dem Gedanken daran, was dann hätte passieren können.

Auch so hatte sich unerwartet ein Zwischenfall ereignet, der ihn beinahe das Leben gekostet hätte. Als Chotas nach der Unterbrechung den Korridor entlanggehastet war, hatte eine Gruppe von Reportern ihm den Weg verstellt.

«Herr Chotas, woher haben Sie gewußt, daß der Hustensaft nicht vergiftet gewesen ist…?«

«Wissen Sie eine Erklärung dafür, wie…?«

«Glauben Sie, daß jemand die Flasche vertauscht hat…?«-»Hat Anastasia Savalas…?«

«Bitte, meine Herren! Tut mir leid, aber auch ich muß gelegentlich einem dringenden Bedürfnis nachkommen. Ich beantworte Ihre Fragen gern später.«

Er hastete zur Herrentoilette am Ende des Korridors weiter. An der Klinke hing ein Schild: AUSSER BETRIEB.