Выбрать главу

Es wirkte noch immer düster und bedrohlich — nach Catherines Meinung sogar gefährlich.

Sie aßen im Prospect of Whitby, einem der ältesten englischen Pubs, auf einer Terrasse über der Themse zu Abend und beobachteten die flußaufwärts fahrenden Schleppkähne und die in Gegenrichtung auslaufenden Hochseeschiffe.

An einem anderen Abend gingen sie in das traditionsreiche Lokal Eagle in der City Road.

«Ich wette, daß du als Kind ein Lied gesungen hast, in dem dieses Lokal vorkam«, behauptete Kirk.

Catherine starrte ihn an.»Ich soll davon gesungen haben? Ich hab' nicht mal gewußt, daß es dieses Lokal gibt!«

«Doch, das hast du. Das Eagle kommt in einem alten Kinderlied vor.«

«In welchem?«

«Früher hat es in der City Road viele Schneidereien gegeben, und wenn ein Schneider zum Wochenende hin kein Geld mehr hatte, hat er sein Bügeleisen — auch Weasel genannt — bis zum Zahltag versetzt. Und darüber hat dann jemand ein Kinderlied geschrieben:

Up and down the City Road In and out the Eagle That's the way the money goes Pop goes the weasel.«

Catherine lachte.»Woher weißt du das bloß schon wieder?«»Anwälte müssen alles wissen. Aber etwas anderes weiß ich nicht. Kannst du skifahren?«

«Leider nicht. Warum…?«

Er wurde plötzlich ernst.»Ich mache Skiurlaub in Sankt Moritz. Dort gibt es erstklassige Skilehrer. Kommst du mit, Catherine?«

Diese Frage traf sie völlig unvorbereitet.

Kirk wartete auf eine Antwort.

«Ich… ich weiß nicht, Kirk.«

«Versprichst du mir, darüber nachzudenken?«

«Ja. «Catherine hatte Mühe, ihr Zittern zu verbergen. Sie erinnerte sich daran, wie erregend es gewesen war, von Larry geliebt zu werden, und fragte sich, ob sie so was jemals wieder würde empfinden können.»Ich denke darüber nach.«

Catherine schlug Kirk vor, Wim Vandeen zum Abendessen einzuladen.

Sie holten Wim zu Hause ab und gingen mit ihm ins The Ivy. Er sah Kirk Reynolds den ganzen Abend lang nicht an, sondern schien sich in sein Schneckenhaus zurückgezogen zu haben. Kirk warf Catherine einen fragenden Blick zu. Red mit ihm, forderten ihre Lippen ihn tonlos auf. Kirk nickte und wandte sich an Wim.

«Gefällt Ihnen London, Wim?«

«Es ist in Ordnung.«

«Haben Sie eine Lieblingsstadt?«

«Nein.«

«Gefällt Ihnen Ihr Job?«

«Er ist in Ordnung.«

Kirk sah kopfschüttelnd zu Catherine hinüber und hob die Achseln.

Bitte/sagten ihre Lippen tonlos.

Kirk seufzte und wandte sich nochmals an Wim.»Am Sonntag spiele ich Golf, Wim. Sind Sie zufällig auch Golfer?«

Wim leierte herunter:»Beim Golf heißen die Eisen Driving Iron Midiron Mid Mashie Mashie Iron Mashie Spade, Mashie Mashie Niblick, Niblick, Shorter Niblick und Putter. Die Hölzer sind Driver Brassie Spoon und Baffy.«

Kirk Reynolds blinzelte.»Dann spielen Sie wohl ziemlich gut?«

«Wim hat noch nie Golf gespielt«, erklärte Catherine ihm.»Aber er… er hat ein erstaunliches Gedächtnis. Und er ist ein Mathematikgenie.«

Kirk Reynolds hatte genug. Er hatte sich auf einen Abend mit Catherine gefreut — und sie hatte diesen Schwachkopf anschleppen müssen!

Er rang sich ein Lächeln ab.»Tatsächlich?«Er wandte sich an Wim und fragte scheinbar harmlos:»Wissen Sie zufällig, wieviel zwei hoch neunundfünfzig ist?«

Wim saß eine halbe Minute lang schweigend da und studierte die Tischdecke, und als Kirk ihn eben ansprechen wollte, sagte er monoton:»Fünf-sieben-sechs-vier-sechs-null-sieben-fünf-zwei-drei-null-drei-vier-zwei-vier-acht-acht.«

«Jesus!«rief Kirk aus.»Ist das richtig?«

«Yeah«, knurrte Wim,»das ist richtig.«

Catherine wandte sich an ihn.»Wim, können Sie die sechste Wurzel aus… zwei-vier-eins-drei-sieben-fünf-acht-fünf ziehen?«Sie hatte diese Zahl willkürlich gewählt.

Beide beobachteten Wim, der mit ausdrucksloser Miene dasaß. Fünfundzwanzig Sekunden später sagte er:»Siebzehn; als Rest bleibt sechzehn.«

«Das kann ich nicht glauben!«rief Kirk aus.

«Es stimmt aber«, versicherte Catherine ihm.

Kirk starrte Wim an.»Wie haben Sie das geschafft?«

Wim zuckte mit den Schultern.

«Wim braucht keine halbe Minute, um zwei vierstellige Zahlen miteinander zu multiplizieren«, sagte Catherine,»und nur wenige Minuten, um fünfzig Telefonnummern auswendig zu lernen. Sobald er sie sich eingeprägt hat, vergißt er sie nie mehr.«

Kirk Reynolds betrachtete Wim Vandeen ehrlich verblüfft.»Einen Mann wie Sie könnte ich in meinem Büro gut brauchen«, erklärte er ihm.

«Ich hab' schon einen Job«, knurrte Wim.

«Du denkst über Sankt Moritz nach, ja?«fragte Kirk Reynolds, als er Catherine an diesem Abend zu Hause absetzte.»Ja, natürlich.«Weshalb kann ich nicht einfach ja sagen? Spätabends rief Constantin Demiris aus Athen an. Catherine war versucht, ihm von Kirk Reynolds zu erzählen, aber im letzten Moment entschied sie anders.

10

Pater Konstantinou war betroffen. Seitdem er die Meldung über Frederick Stavros' Unfalltod und die vergebliche Fahndung nach dem flüchtigen Fahrer gelesen hatte, ließ die Erinnerung ihn nicht mehr los. Seit der Priesterweihe hatte der Geistliche Tausende von Beichten abgenommen, aber Stavros' dramatisches Geständnis und sein anschließender Tod hatten einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen.

«He, was hast du heute?«

Pater Konstantinou wandte sich dem schönen jungen Mann zu, der nackt neben ihm im Bett lag.»Nichts, Liebster.«

«Mach' ich dich nicht glücklich?«

«Das weißt du doch, Giorgios.«

«Was hast du dann? Du tust so, als war' ich gar nicht da, verdammt noch mal!«

«Du sollst nicht fluchen.«

«Mir gefällt's aber nicht, ignoriert zu werden.«

«Tut mir leid, Schatz. Ich bin nur traurig, weil ein Gemeindemitglied bei einem Verkehrsunfall umgekommen ist.«

«Irgendwann ist jeder fällig, stimmt's?«

«Ja, natürlich. Aber dieser Mann ist sehr unglücklich gewesen.«

«Warum denn?«

«Er hat ein schlimmes Geheimnis mit sich herumgeschleppt, das er zuletzt nicht mehr hat tragen können.«

«Was für ein Geheimnis?«

Pater Konstantinou streichelte den Schenkel des Jungen.»Du weißt, daß ich darüber nicht reden darf. Das fällt unter das Beichtgeheimnis.«

«Ich dachte, wir hätten keine Geheimnisse voreinander.«

«Richtig, Giorgios, aber… «

«Gamoto! Keine Geheimnisse heißt keine Geheimnisse. Außerdem hast du gesagt, daß der Kerl tot ist. Was kann's ihm da noch schaden, was du erzählst?«

«Wahrscheinlich hast du recht, aber…»

Giorgios Lato umschlang seinen Bettpartner und flüsterte ihm ins

Ohr:»Ich bin neugierig.«

«Du kitzelst mich.«

Lato begann Pater Konstantinou zu streicheln.

«Oh… nicht aufhören

«Dann erzähl's mir!«

«Gut, wenn du unbedingt willst. Dem Ärmsten kann es ja wirklich nicht mehr schaden…«

Giorgios Lato hatte sich von ganz unten heraufgearbeitet. Er war in den Slums von Athen aufgewachsen und hatte mit zwölf Jahren begonnen, auf den Strich zu gehen. Anfangs war er auf der Straße unterwegs gewesen und hatte sich gelegentlich ein paar Drachmen damit verdient, daß er Betrunkene in finsteren Winkeln und Touristen in ihren Hotelzimmern bediente. Er war ein schwarzgelockter Adonis mit dem Körper eines Modellathleten.

«Du bist ein Poulaki, Giorgios«, erklärte ein Zuhälter ihm, als er 16 Jahre alt war.»Du verschleuderst dein einziges Kapital. Ich kann dir Kunden besorgen, die viel besser zahlen.«

Und er hatte Wort gehalten. Von diesem Augenblick an bediente Giorgios Lato nur noch reiche Männer, die ihn großzügig entlohnten.