«Wir haben die Zahl der zur Überwachung eingesetzten Männer heute morgen erhöht«, antwortete der Polizeipräsident. - Walt Kelly seufzte.»Hoffentlich noch rechtzeitig.«
Inspektor Nikolino hatte zwei seiner Teams aus Kriminalbeamten auf Rizzoli angesetzt, den Amerikaner aber unterschätzt. Tony Rizzoli merkte schon nachmittags, daß er beschattet wurde. Verließ er sein kleines Hotel, folgte ihm jemand, und bei seiner Rückkehr lungerte stets jemand im Hintergrund herum. Die Beschatter waren echte Profis, was Rizzoli schmeichelte, weil es ein Beweis ihres Respekts war.
Er mußte jetzt nicht nur eine Möglichkeit finden, das Heroin weiterzutransportieren, sondern auch ein unbezahlbares antikes Stück außer Landes zu schmuggeln. Alfredo Mancuso und Gino Laven sitzen mir im Nacken, und die Bullen lassen mich keine
Sekunde mehr aus den Augen. Ich muß die Sache schnellstens regeln.
Der einzige Mann, der ihm im Augenblick einfiel, war Ivo Bruggi, ein kleiner Schiffseigner in Rom. Mit ihm hatte Rizzoli schon früher krumme Geschäfte gemacht. Bruggi war kein idealer Partner, aber immerhin besser als gar keiner.
Rizzoli war sich sicher, daß das Telefon in seinem Hotelzimmer abgehört wurde. Ich muß dafür sorgen, daß ich im Hotel angerufen werden kann. Er saß lange einfach da und dachte darüber nach. Zuletzt stand er auf, verließ sein Zimmer und klopfte an die Tür gegenüber. Ein älterer, mürrisch wirkender Mann machte ihm auf.
«Yeah?«
Rizzoli lächelte sein charmantestes Lächeln.»Verzeihung«, sagte er.»Tut mir leid, daß ich Sie störe. Ich bin Ihr Nachbar von gegenüber. Darf ich kurz reinkommen und etwas mit Ihnen besprechen?«
Der Mann betrachtete ihn mißtrauisch.»Zeigen Sie mir, wie Sie Ihre Zimmertür aufsperren.«
Tony Rizzoli lächelte erneut.»Aber gern. «Er überquerte den Flur, zog seinen Schlüssel heraus und sperrte die Zimmertür auf.
Der Mann nickte.»Okay, kommen Sie rein.«
Rizzoli zog seine Tür ins Schloß und betrat das Zimmer gegenüber.
«Was wollen Sie?«
«Es geht um eine private Sache, mit der ich Sie wirklich nur ungern belästige, aber… Ich bin dabei, mich scheiden zu lassen, und meine Frau läßt mich überwachen. «Er schüttelte angewidert den Kopf.»Sie hat sogar das Telefon in meinem Zimmer anzapfen lassen.«
«Weiber!«knurrte sein Nachbar.»Der Teufel soll sie alle holen! Ich hab' mich letztes Jahr scheiden lassen. Das hätt' ich schon vor zehn Jahren tun sollen.«
«Tatsächlich? Nun, ich wollte Sie fragen, ob Sie mir erlauben würden, ein paar Freunden Ihre Zimmernummer anzugeben, damit sie mich hier anrufen können. Ich verspreche Ihnen, daß nicht viele Anrufe kommen werden.«
Der Mann begann den Kopf zu schütteln.»Hören Sie, wie käme ich dazu… «
Tony Rizzoli zog einen Hundertdollarschein aus der Tasche.»Das ist für Ihre Mühe.«
Der andere fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen.»Oh. Na ja, klar«, sagte er.»Warum nicht? Ich freue mich, einem Leidensgefährten einen Gefallen tun zu können.«
«Sehr liebenswürdig von Ihnen. Sollte ein Anruf für mich kommen, brauchen Sie nur an meine Tür zu klopfen. Ich bin eigentlich immer da.«
«Wird gemacht.«
Früh am nächsten Morgen betrat Rizzoli eine Telefonzelle auf der Straße, um Ivo Bruggi anzurufen. Er wählte den Ländercode 0039 für Italien und danach die Ziffer 6 für Rom.
«Vorrei parlare a Signor Bruggi.«
«Nonc'e.«
«Quando ritornera?«
«Non loso.«
«Per favore, vuol dirgli, che ha telefonato il Signor Rizzoli?«
Rizzoli gab die Telefonnummer seines Hotels und die Zimmernummer seines Nachbarn durch, legte auf und ging in sein Hotelzimmer zurück. Er haßte dieses Zimmer. Irgend jemand hatte ihm erzählt, das griechische Wort für Hotel sei Xenodochion, was» Fremdenbehälter «bedeute. Eigentlich hat es beschissene Ähnlichkeit mit 'nem Gefängnis, dachte Tony Rizzoli. Die Möbel waren häßlich: ein altes grünes Sofa, zwei verkratzte niedrige Lampentische, ein kleiner Schreibtisch mit Stuhl und Tischlampe und ein von Torquemada entworfenes Bett.
Rizzoli verbrachte die beiden nächsten Tage in seinem Zimmer, wartete darauf, daß sein Nachbar an die Tür klopfte, und ließ sich alle Mahlzeiten aufs Zimmer bringen. Aber der erhoffte Anruf blieb aus. Wo steckt Ivo Bruggi, verdammt noch mal?
Das Detektivteam erstattete Inspektor Nikolino und Walt Kelly Bericht.»Rizzoli hat sich in seinem Hotel verkrochen. Er hat sein Zimmer seit achtundvierzig Stunden nicht mehr verlassen.«
«Wißt ihr bestimmt, daß er noch dort ist?«»Ganz bestimmt. Das Zimmermädchen und der Zimmerkellner, der ihm das Essen bringt, sehen ihn morgens und abends.«
«Wie steht's mit Telefongesprächen?«»Er telefoniert nicht. Was sollen wir jetzt tun?«»Bleibt weiter am Ball. Irgendwann muß er aus seinem Loch kriechen. Und überzeugt euch davon, daß die Telefonüberwachung klappt.«
Am nächsten Tag klingelte Rizzolis Telefon. Scheiße!
Wozu hatte er diesem Idioten Bruggi eigens die Zimmernummer seines Nachbarn gegeben? Als Tony Rizzoli den Hörer abnahm, war er sich darüber im klaren, daß er sehr vorsichtig sein mußte.
«Ja?«
«Spreche ich mit Tony Rizzoli?«fragte eine Stimme.
Das war nicht Ivo Bruggi.»Wer sind Sie?«
«Sie haben mich neulich aufgesucht, um mir ein Geschäft vorzuschlagen, Mr. Rizzoli. Ich habe es abgelehnt. Aber ich glaube, wir sollten noch mal darüber sprechen.«
Tony Rizzoli triumphierte innerlich. Spyros Lambrou! Der Bastard hat sich die Sache also doch noch mal überlegt. Rizzoli konnte sein Glück kaum fassen. Damit sind meine Probleme auf einen Schlag gelöst. Ich kann das Heroin gemeinsam mit dem Museumsstück wegschaffen.
«Yeah. Klar, wir können gern darüber reden. Wann war's Ihnen denn recht.«
«Könnten wir uns heute nachmittag treffen?«
Aha, er ist ganz scharf auf einen Deal! Diese gottverdammten Reichen sind doch alle gleich. Sie können den Hals nicht voll kriegen.»Von mir aus. Wo?«
«Vielleicht in meinem Büro?«
«Okay, ich komme. «Tony Rizzoli war in Hochstimmung, als er den Hörer auflegte.
Von der Hotelhalle aus erstattete ein frustrierter Kriminalbeamter seinem Vorgesetzten Bericht.»Eben ist Rizzoli angerufen worden. Er will sich mit dem Anrufer in dessen Büro treffen, aber der Mann hat keinen Namen genannt, und wir können nicht feststellen, woher der Anruf kam.«
«Bleiben Sie dran, wenn er das Hotel verläßt. Melden Sie mir, wohin er fährt.«»Wird gemacht, Inspektor.«
Zehn Minuten später kroch Tony Rizzoli aus einem Kellerfenster, das auf eine Gasse hinter dem Hotel hinausführte. Um ganz sicherzugehen, daß er nicht beschattet wurde, wechselte er auf der Fahrt zu Spyros Lambrou zweimal das Taxi.
An dem Tag, an dem Spyros Lambrou Melina in der Klinik besucht hatte, hatte er sich geschworen, seine Schwester zu rächen. Ihm war jedoch keine Strafe eingefallen, die schrecklich genug für Constantin Demiris gewesen wäre. Aber der Besuch Giorgios Latos und die erstaunliche Mitteilung, die Madame Piris ihm gemacht hatte, hatten ihm eine Waffe in die Hand gegeben, mit der er seinen Schwager vernichten würde.
«Herr Lambrou, ein Mr. Anthony Rizzoli möchte Sie sprechen«, meldete seine Sekretärin.»Er hat keinen Termin bei Ihnen, und ich habe ihm gesagt, daß Sie… «
«Schicken Sie ihn herein.«
«Sofort, Herr Lambrou.«
Spyros Lambrou sah dem Amerikaner entgegen, der selbstbewußt lächelnd sein Arbeitszimmer betrat.
«Ich danke Ihnen, daß Sie gekommen sind, Mr. Rizzoli.«
Tony Rizzoli grinste.»Ist mir ein Vergnügen. Sie wollen also doch mit mir ins Geschäft kommen, was?«
«Nein.«
Rizzolis Lächeln verschwand.»Was haben Sie gesagt?«
«Ich habe nein gesagt. Ich habe nicht die Absicht, mit Ihnen Geschäfte zu machen.«
Tony Rizzoli starrte ihn verblüfft an.»Warum haben Sie mich dann angerufen, verdammt noch mal? Sie haben behauptet, Sie hätten mir ein Geschäft vorzuschlagen, und…«