«Das stimmt auch. Wie würde es Ihnen gefallen, Constantin Demiris' Flotte zu Ihrer Verfügung zu haben?«
Rizzoli ließ sich in einen Sessel sinken.»Constantin Demiris? Was soll das heißen? Der würde niemals…«
«Doch, ich kann Ihnen versichern, daß es Mr. Demiris ein Vergnügen sein wird, alle Ihre Wünsche zu erfüllen.«
«Weshalb? Was hat er davon?«
«Nichts.«»Das verstehe ich nicht. Warum sollte Demiris sich auf so was einlassen?«
«Freut mich, daß Sie das gefragt haben. «Lambrou drückte auf eine Taste seiner Gegensprechanlage.»Bringen Sie uns bitte Kaffee. «Er sah zu Tony Rizzoli hinüber.»Wie trinken Sie Ihren?«-»Äh… schwarz, kein Zucker.«
«Schwarz und ohne Zucker für Mr. Rizzoli.«
Nachdem die Sekretärin den Kaffee serviert hatte und wieder hinausgegangen war, sagte Spyros Lambrou:»Ich möchte Ihnen eine kleine Geschichte erzählen, Mr. Rizzoli.«
Tony Rizzoli beobachtete ihn mißtrauisch.»Also los!«
«Constantin Demiris ist mit meiner Schwester verheiratet. Vor einigen Jahren hatte er sich eine Geliebte genommen — Noelle Page.«
«Die Schauspielerin, wie?«
«Ja. Sie hat ihn dann mit einem gewissen Larry Douglas betrogen. Dieser Mann und Noelle Page wurden wenig später wegen Mordes an Mrs. Douglas, die sich nicht scheiden lassen wollte, angeklagt. Constantin Demiris hatte den prominenten Anwalt Napoleon Chotas mit Noelles Verteidigung beauftragt.«
«Ich kann mich erinnern, etwas über diesen Prozeß gelesen zu haben.«
«Bestimmte Dinge haben damals nicht in den Zeitungen gestanden. Mein lieber Schwager hat nämlich keineswegs die
Absicht gehabt, seiner treulosen Geliebten das Leben zu retten. Er hat Napoleon Chotas mit ihrer Verteidigung beauftragt, um sicherzustellen, daß Noelle verurteilt werden würde. Gegen
Prozeßende hat Chotas den Angeklagten mitgeteilt, die Richter seien bereit, ein Schuldgeständnis mit einer Verurteilung zu einer glimpflichen Haftstrafe zu honorieren. Die beiden haben sich schuldig bekannt — und sind dann zum Tode verurteilt und hingerichtet worden.«
«Vielleicht hat dieser Chotas tatsächlich geglaubt…«
«Lassen Sie mich bitte ausreden. Die Leiche von Catherine Douglas ist nie gefunden worden. Deshalb nicht, Mr. Rizzoli, weil sie lebt. Constantin Demiris hat sie damals an einem geheimgehaltenen Ort versteckt.«
Tony Rizzoli starrte ihn an.»Augenblick! Demiris hat gewußt, daß sie am Leben war, und zugelassen, daß seine Geliebte und ihr Freund wegen Mordes an ihr hingerichtet wurden?«
«Ganz recht. Ich bin kein Jurist, aber meiner Überzeugung nach würde mein Schwager für etliche Jährchen hinter Gitter wandern, wenn diese Sache rauskäme. Bestenfalls wäre er gesellschaftlich und geschäftlich völlig ruiniert.«
Tony Rizzoli saß da und dachte über das Gehörte nach. Ein Punkt war ihm noch immer unklar.»Warum haben Sie mir das eigentlich alles erzählt, Mr. Lambrou?«
Spyros Lambrou lächelte versonnen.»Weil ich meinem Schwager einen Gefallen schuldig bin. Ich möchte, daß Sie ihn aufsuchen. Ich habe das sichere Gefühl, daß es ihm ein Vergnügen sein wird, Ihnen seine Schiffe zur Verfügung zu stellen.«
14
In seinem Innern tobten Stürme, über die er keine Kontrolle hatte: ein eisiges Sturmtief ohne warme Erinnerungen, die es hätten aufhellen können.
Die Stürme hatten vor Jahresfrist mit seinem Racheakt gegen Noelle eingesetzt. Er hatte geglaubt, sie würden sich allmählich legen, so wie er geglaubt hatte, mit seiner Vergangenheit endgültig abgeschlossen zu haben. Dann war Catherine Alexander unerwartet wieder in sein Leben getreten. Ihretwegen hatte er Frederick Stavros und Napoleon Chotas beseitigen lassen müssen. Die beiden hatten ein tödliches Spiel gegen ihn gewagt, und er hatte gewonnen.
Was ihn aber wirklich überraschte, war die Erkenntnis, wie sehr er das Risiko, die Gefahr genossen hatte. Geschäftliche Erfolge waren faszinierend, aber sie verblaßten gegenüber diesem Spiel um Leben und Tod. Ich bin ein Mörder. Nein — kein Mörder, ein Scharfrichter. Dieses Eingeständnis war wahrhaft erregend.
Constantin Demiris erhielt jede Woche einen Bericht über Catherine Alexanders Aktivitäten. Bisher schien alles wunderbar zu klappen. Catherines gesellschaftliche Kontakte beschränkten sich auf Leute, mit denen sie zusammenarbeitete. Wie Evelyn berichtete, ging Catherine gelegentlich mit Kirk Reynolds aus. Aber da auch Reynolds für Demiris arbeitete, war das kein Problem.
Das arme Kind muß verzweifelt sein. Kirk Reynolds war langweilig. Sein einziges Gesprächsthema war die Juristerei. Um so besser — je verzweifelter Catherine sich nach Gesellschaft sehnte, desto leichter würde er das kriegen, was er wollte. Eigentlich müßte ich mich bei Reynolds bedanken.
Catherine, die regelmäßig mit Kirk Reynolds ausging, fühlte sich mehr und mehr zu ihm hingezogen. Er war keine Schönheit, aber durchaus attraktiv. Von schönen Männern habe ich seit Larry genug, sagte Catherine sich nüchtern. Die alte Redensart stimmt einfach: Gut ist, was gut tut. Kirk Reynolds war rücksichtsvoll und zuverlässig. Er ist jemand, auf den ich zählen kann, dachte Catherine. Ich fühle kein großes Feuer, aber das werde ich wohl nie mehr erleben. Dafür hat Larry gesorgt. Ich bin jetzt reif genug, um mich mit einem Mann zu begnügen, den ich achte, der mich als Gefährtin achtet, mit dem ich ein schönes, vernünftiges Leben teilen kann, ohne befürchten zu müssen, von Gipfeln gestürzt oder in dunklen Höhlen begraben zu werden.
Sie gingen ins Theater, um The Lady's Not For Burning von Christopher Fry zu sehen, und sahen an einem anderen Abend September Tide von Gertrude Lawrence. Sie tanzten in Nachtclubs. Alle Kapellen schienen das Thema aus» Der dritte Mann «und» La vie en rose «zu spielen.
«Nächste Woche fliege ich nach Sankt Moritz«, sagte Kirk Reynolds zu Catherine.»Hast du über meine Einladung nachgedacht?«
Catherine hatte sehr viel darüber nachgedacht. Sie war sich sicher, daß Kirk sie liebte. Und ich habe ihn auch lieb. Aber lieben und liebhaben sind verschiedene Dinge, oder? Oder bin ich nur eine unverbesserliche Romantikerin? Wen suche ich eigentlich? Etwa einen zweiten Larry? Einen Mann, der stürmisch um mich wirbt — und sich dann in eine andere Frau verliebt und mich umzubringen versucht? Kirk wäre ein wundervoller Ehemann. Weshalb zögere ich also noch?
An diesem Abend aßen Catherine und Kirk im Mirabelle's, und beim Dessert sagte Kirk:»Catherine, ich liebe dich, falls du's noch nicht gemerkt haben solltest. Ich möchte dich heiraten.«
Jähe Panik erfaßte sie.»Kirk…«Sie wußte im Augenblick nicht, was sie sagen sollte. Meine nächsten Worte werden mein Leben verändern. Es wäre so einfach, ja zu sagen. Was hindert mich daran? Angst vor der Vergangenheit! Werde ich mein Leben lang immer nur Angst haben? Das darf ich nicht zulassen.
«Cathy…«
«Hör zu, Kirk… wollten wir nicht miteinander nach Sankt Moritz fahren?«
Kirk Reynolds strahlte.»Heißt das, daß…«-»Warten wir's ab. Wenn du mich auf Skiern siehst, wirst du dir deinen Antrag wahrscheinlich noch einmal überlegen.«
Er lachte.»Nichts auf der Welt könnte mich davon abhalten, dich heiraten zu wollen. Du machst mich sehr glücklich. Wir fahren am fünften November — am Guy Fawkes Day.«-»Was für ein Tag ist das?«
«Ein historischer Gedenktag. König Jakob der Erste war wegen seiner streng antikatholischen Politik so verhaßt, daß eine Gruppe prominenter Katholiken ihn stürzen wollte. Ein Soldat namens Guy Fawkes wurde aus Spanien nach England geholt, um ihn an die Spitze der Verschwörung zu stellen. Er hat dann veranlaßt, daß im Keller des Oberhauses in sechsunddreißig Fässern insgesamt eine Tonne Schießpulver versteckt wurde.