«Ja.«
Gehst du mit mir essen? Gehst du mit mir ins Bett? Heiratest du mich? Hätte sie diese Fragen laut gestellt, hätte er sie wohl für wirklich verrückt gehalten. Vielleicht bin ich's auch.
Er beobachtete sie stirnrunzelnd.»Catherine, wir können die
Sitzungen nicht weiterführen, fürchte ich. Heute wird unsere letzte sein.«
Catherines Euphorie verflog.»Weshalb? Habe ich irgendwas getan, daß…?«
«Nein, nein, an Ihnen liegt's nicht! Es ist nur so… Emotionale Beziehungen zwischen Therapeut und Patientin gefährden den Erfolg einer Therapie.«
Sie starrte ihn mit leuchtenden Augen an.»Soll das heißen, daß Sie sich emotional zu mir hingezogen fühlen?«
«Ja. Und deshalb…«
«Sie haben völlig recht«, stimmte Catherine lächelnd zu.»Ich schlage vor, daß wir heute beim Abendessen darüber reden.«
Sie aßen in einem kleinen italienischen Restaurant mitten in Soho. Das Essen hätte köstlich oder miserabel sein können — die beiden schmeckten es ohnehin nicht. Sie interessierten sich ausschließlich füreinander.
«Es ist nicht fair, Alan«, sagte Catherine.»Du weißt alles über mich. Erzähl mir was über dich. Bist du nie verheiratet gewesen?«
«Nein. Aber ich war verlobt.«
«Was ist dann passiert?«
«Wir hatten im Krieg — während der deutschen Luftangriffe — eine kleine gemeinsame Wohnung. Ich arbeitete damals im Krankenhaus, und als ich eines Nachts heimkam…«
Catherine hörte den Schmerz in seiner Stimme.
«… als ich heimkam, war das Haus verschwunden. Völlig zerstört.«
Sie bedeckte seine Hand mit ihrer.»Das tut mir leid.«
«Ich habe lange gebraucht, um darüber hinwegzukommen. Ich bin seither keiner Frau begegnet, die ich hätte heiraten wollen. «Sein Blick sagte: Bis jetzt nicht.
Sie saßen vier Stunden lang an ihrem Tisch und unterhielten sich über alles mögliche — Kultur, Medizin und Politik —, aber das eigentliche Gespräch fand wortlos statt. Die knisternde Spannung zwischen ihnen nahm ständig zu. Beide spürten sie deutlich. Sie wurde allmählich fast unerträglich.
Alan war es schließlich, der den Übergang fand.»Catherine, was ich heute morgen über emotionale Beziehungen zwischen
Therapeut und Patientin gesagt habe» Erzähl mir in deiner Wohnung davon.«
Sie zogen sich in atemloser Hast aus. Während Catherine ihre Kleider abstreifte, dachte sie daran, wie ihr bei Kirk Reynolds zumute gewesen war — und wie ganz anders es diesmal war. Der Unterschied liegt darin, ob man liebt. Diesen Mann liebe ich.
Sie lag im Bett und wartete auf ihn, und als Alan zu ihr kam und sie umarmte, verschwanden ihre Befürchtungen, ihre Ängste, niemals mehr einen Mann lieben zu können. Sie streichelten einander und erforschten ihre Körper erst zärtlich, dann drängender, bis ihre Lust wild und verzweifelt wurde, und als sie sich dann vereinigten, schrie Catherine, schrie vor Glück. Ich bin wieder ganz. Danke! Danke!
Viel später hielten sie einander erschöpft in den Armen, als wollten sie sich nie mehr loslassen.
28
Catherine erfuhr aus den Zeitungen, daß Constantin Demiris wegen Mordes an seiner Frau verhaftet worden war. Diese Nachricht versetzte ihr einen regelrechten Schock. Als sie später ins Büro kam, waren alle in bedrückter Stimmung.
«Hast du die Meldung gelesen?«jammerte Evelyn.»Was sollen wir bloß tun?«
«Wir arbeiten genauso weiter, wie er es von uns erwarten würde. Ich bin überzeugt, daß sich alles als großer Irrtum herausstellen wird. Ich werde versuchen, ihn anzurufen.«
Aber Constantin Demiris war nicht zu erreichen.
Constantin Demiris war der seit vielen Jahren prominenteste Häftling im Athener Zentralgefängnis. Er forderte alle möglichen Vergünstigungen: Telefon, Zugang zu einem Fernschreiber und Einsatz eines Kurierdienstes. Aber der Staatsanwalt hatte angedeutet, ihm keinerlei Vorzugsbehandlung zu gewähren. Demiris verbrachte den größten Teil seiner Tage und sogar seiner Nächte damit, darüber nachzugrübeln, wer Melina ermordet haben könnte.
Anfangs hatte er vermutet, ein Einbrecher, den Melina beim Durchwühlen des Strandhauses überrascht hatte, habe sie umgebracht. Aber sobald die Polizei ihn mit dem Belastungsmaterial konfrontiert hatte, war Demiris klargeworden, daß jemand versuchte, ihm diesen Mord anzuhängen. Die Frage war nur, wer? Der erste Verdacht mußte logischerweise auf Spyros Lambrou fallen, aber diese Theorie hatte die Schwachstelle, daß Spyros seine Schwester über alles geliebt hatte. Er hätte ihr niemals etwas angetan.
Als nächstes war sein Verdacht auf die Gangsterbande gefallen, zu der Tony Rizzoli gehört hatte. Vielleicht hatte sie irgendwie herausbekommen, was er Rizzoli angetan hatte, und sich so an ihm gerächt. Aber von dieser Idee war Constantin Demiris schnell wieder abgekommen. Hätte die Mafia sich an ihm rächen wollen, hätte sie einfach einen Killer losgeschickt, um ihn erledigen zu lassen.
Und so überlegte Demiris, allein in seiner Zelle sitzend, hin und her, um das Rätsel von Melinas Ermordung zu lösen. Irgendwann blieb nur noch eine Schlußfolgerung übrig: Melina mußte
Selbstmord verübt haben. Sie hatte sich selbst umgebracht und alle Indizien hinterlassen, die ihn als ihren Mörder entlarvten. Demiris erinnerte sich daran, was er Noelle Page und Larry Douglas angetan hatte, und erkannte die bittere Ironie des Schicksals, daß er sich nun in dergleichen Lage befand: Er würde wegen eines Mordes, den er nicht verübt hatte, angeklagt werden.
Ein Aufseher betrat die Zelle.»Ihr Anwalt ist da und möchte Sie sprechen.«
Demiris stand auf und folgte dem Aufseher in einen kleinen Besprechungsraum. Dort erwartete ihn Rechtsanwalt Vassiliki — ein Mann Anfang Fünfzig mit grauer Mähne und dem Profil eines Filmstars. Er stand in dem Ruf, ein erstklassiger Strafverteidiger zu sein. Ob das in meinem Fall reicht!
«Sie können fünfzehn Minuten sprechen«, sagte der Aufseher und ließ die beiden allein.
«Wann holen Sie mich endlich hier raus?«fragte Constantin Demiris scharf.»Wozu bezahle ich Sie eigentlich?«
«Tut mir leid, aber das ist nicht so einfach, Herr Demiris. Der Staatsanwalt weigert sich…»
«Der Staatsanwalt ist ein Dummkopf. Ich will hier raus! Was ist mit einer Entlassung gegen Kaution? Ich kann jeden geforderten
Betrag aufbringen.«
Vassiliki fuhr sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen.»Mein Antrag auf Haftverschonung gegen Kaution ist abgelehnt worden. Ich habe mir das polizeiliche Beweismaterial gegen Sie angesehen, Herr Demiris. Es ist… es ist ziemlich belastend.«
«Das ist mir egal — ich habe meine Frau nicht umgebracht. Ich bin unschuldig!«
Der Rechtsanwalt schluckte trocken.»Ja, gewiß, natürlich. Haben Sie… äh… einen Verdacht, wer Ihre Frau ermordet haben könnte?«
«Niemand. Meine Frau hat sich selbst umgebracht.«
Der Verteidiger starrte ihn an.»Verzeihung, Herr Demiris, aber ich glaube nicht, daß wir damit durchkommen. Sie werden sich etwas Besseres ausdenken müssen.«
Und Demiris mußte betroffen erkennen, daß Vassiliki recht hatte. Kein Schwurgericht der Welt würde ihm diese Story abnehmen.
Früh am nächsten Morgen erhielt Constantin Demiris wieder Besuch von seinem Anwalt.
«Ich bringe Ihnen leider ziemlich schlechte Nachrichten.«
Demiris hätte beinahe laut gelacht. Er saß im Gefängnis und mußte damit rechnen, zum Tode verurteilt zu werden, und dieser Dummkopf behauptete, er bringe schlechte Nachrichten. Was konnte schlimmer sein als die Situation, in der er sich befand?
«Ja?«
«Es geht um Ihren Schwager.«
«Spyros? Was ist mit ihm?«
«Ich habe erfahren, daß er zur Polizei gegangen ist und ausgesagt hat, eine Frau namens Catherine Douglas sei noch am Leben. Ich habe das Verfahren gegen Noelle Page und Larry Douglas nicht in allen Einzelheiten verfolgt, aber…«