Mit zwei, drei raschen Bewegungen schlitzte er ihr Kleid und Unterwäsche auf.
«Hübsch«, meinte er.»Sehr hübsch. Eigentlich wollte ich mich erst ein bißchen mit dir amüsieren, aber da dein Doktorfreund hierher unterwegs ist, bleibt uns keine Zeit dafür, stimmt's? Dein Pech, denn ich bin ein hervorragender Liebhaber!«
Catherine stand, nach Atem ringend und zu keiner Bewegung fähig, vor ihm.
Atanas griff in die Innentasche seiner Jacke und zog eine flache Halbliterflasche heraus. Sie enthielt eine bläßlichbernsteinfarbene Flüssigkeit.»Magst du Slivowitz? Komm, wir trinken auf deinen Unfall!«Als er das Messer dazu benutzte, die Flasche zu öffnen, spielte Cathrine einen Augenblick mit dem Gedanken, einen Fluchtversuch zu wagen.
«Tu's doch«, forderte Atanas sie halblaut auf.»Versuch's mal! Los!«
Catherine fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen.»Hör zu, ich… ich zahle dir, was du willst. Ich…«
«Gib dir keine Mühe. «Atanas nahm einen großen Schluck aus der Flasche und hielt sie dann Catherine hin.»Trink!«forderte er sie auf.
«Nein. Ich trinke keinen…«
«Trink!«
Catherine griff nach der Flasche und trank einen kleinen Schluck. Der Schnaps brannte wie Feuer in ihrer Kehle. Atanas nahm ihr die Flasche ab und setzte zu einem weiteren langen Zug an.
«Wer hat deinem Doktorfreund den Tip gegeben, daß du ermordet werden sollst?«
«Ich… das weiß ich nicht.«
«Ist auch unwichtig. «Atanas deutete auf einen der massiven Balken, mit denen die Kellerdecke abgestutzt war.»Stell dich dort drüben hin.«
Catherine sah zur Kellertreppe hinüber. Dann spürte sie, wie die Messerspitze sich in ihren Nacken bohrte.»Soll ich nachhelfen?«
Catherine trat an den Stützbalken.
«Braves Mädchen«, sagte Atanas.»Setz dich hin. «Er wandte sich kurz ab. In diesem Augenblick rannte Catherine los.
Ihr Puls jagte, während sie zur Kellertreppe hastete. Sie wußte, daß sie um ihr Leben lief. Sie erreiche die unterste Stufe, aber als sie den Fuß heben wollte, griff eine Hand nach ihrem Knöchel und riß sie zurück. Er war unglaublich stark.
«Schlampe!«
Er packte sie an den Haaren und riß ihr Gesicht zu sich heran.»Versuch das nicht noch mal, sonst brech' ich dir die Beine!«
Catherine spürte die Messerspitze zwischen ihren Schulterblättern.
«Los, beweg dich!«
Atanas zwang sie, vor ihm her zu dem Stützbalken zu gehen, und stieß sie dort zu Boden.
«Du rührst dich nicht von der Stelle, kapiert?«
Catherine beobachtete, wie er an einen Stapel Kartons trat, die mit kräftigen Stricken verschnürt waren. Er schnitt zwei lange Schnüre ab und kam damit zurück.
«Halt die Hände hinter den Balken.«
«Nein, Atanas, ich…«
Seine Faust traf ihren Wangenknochen, und der Kellerraum verschwamm für Sekunden vor ihren Augen. Atanas beugte sich über sie und fauchte:»Sag nie wieder nein zu mir. Tu, was ich dir sage, sonst schneid' ich dir den verdammten Kopf ab!«
Catherine hielt ihre Hände hinter den Stützbalken und fühlte im nächsten Augenblick, wie die Schnur in ihre Handgelenke schnitt, als Atanas sie fesselte.
«Bitte!«sagte sie.»Das ist zu fest.«
«Nein, es ist genau richtig«, versicherte er ihr grinsend. Mit der zweiten Schnur band er ihre Beine an den Knöcheln zusammen. Dann erhob er sich.»Fertig!«sagte er.»Sauber und ordentlich. «Er nahm einen weiteren Schluck aus der Flasche.»Noch einen Drink?«
Catherine schüttelte den Kopf.
Er zuckte die Achseln.»Auch recht.«
Sie beobachtete, wie er die Flasche erneut an die Lippen setzte. Vielleicht betrinkt er sich und schläft ein, dachte Catherine verzweifelt.
«Früher hab' ich jeden Tag einen Liter getrunken«, prahlte Atanas. Er legte die leere Schnapsflasche auf den Boden.»So, jetzt an die Arbeit!«
«Was… was hast du vor?«
«Ich werde einen kleinen Unfall produzieren. Das wird mein Meisterstück. Vielleicht muß mir Demiris dafür sogar das doppelte Honorar zahlen.«
Demiris! Dann hat mein Traum also doch einen realen Hintergrund gehabt. Er will mich ermorden lassen. Aber weshalb?
Catherine sah Atanas zu, wie er quer durch den Raum auf den riesigen Heizkessel zuging. Er öffnete die Kesseltür und begutachtete die kleine Dauerflamme und die acht Gasbrenner, die den Kessel beheizten. Das Sicherheitsventil war durch einen Drahtkäfig geschützt. Atanas klemmte einen Holzsplitter, den er von dem Stützbalken abgeschnitten hatte, so in den Käfig, daß das Sicherheitsventil nicht mehr funktionieren konnte. Der Kesselthermostat stand auf 65 °C. Während Catherine ihn hilflos beobachtete, stellte Atanas die höchste Temperatur ein und kam befriedigt zu ihr zurück.
«Weißt du noch, was für Schwierigkeiten wir immer mit diesem Kessel gehabt haben?«fragte Atanas.»Nun, ich fürchte, daß er jetzt doch explodieren wird. «Er trat näher an Catherine heran.»Spätestens bei zweihundert Grad geht das Ding hoch. Weißt du, was dann passiert? Die Gasleitung platzt — und die Brenner setzen das ausströmende Gas in Brand. Dann explodiert das ganze Gebäude wie eine Bombe.«
«Du bist wahnsinnig! Du willst unschuldige Menschen…«
«Unschuldige Menschen gibt es nicht. Ihr Amerikaner glaubt immer, Happy-Ends seien unvermeidlich. Ihr seid Dummköpfe. Es gibt keine Happy-Ends. «Er bückte sich und kontrollierte die Schnur, mit der Catherines Hände an den Balken gefesselt waren. Ihre Handgelenke waren blutig aufgeschürft. Die Schnur schnitt ins Fleisch ein, und die Knoten saßen fest.
Atanas ließ seine Hände langsam und liebkosend über Catherines nackte Brüste gleiten; dann beugte er sich vor und küßte sie.»Schade, daß wir nicht mehr Zeit haben. Leider wirst du nie erfahren, was du verpaßt hast. «Er packte sie an den Haaren und küßte sie auf den Mund. Sein Atem roch stark nach Schnaps.»Adieu, Catherine«, sagte er und richtete sich auf.
«Geh nicht weg!«bat Catherine.»Wir können doch darüber reden und… «
«Ich darf mein Flugzeug nicht verpassen. Ich fliege nach Athen zurück. «Sie beobachtete, wie er sich in Richtung Treppe entfernte.»Ich lasse das Licht an, damit du siehst, wie's passiert.«
Im nächsten Augenblick hörte Catherine, wie die massive Kellertür zugeknallt und von außen verriegelt wurde. Danach blieb es still. Sie war allein.
Catherine sah zum Kesselthermometer hinüber. Seine Quecksilbersäule bewegte sich sichtbar. Die Temperatur stieg jetzt von 70 °C auf 80 °C und kletterte weiter. Sie bemühte sich verzweifelt, die Hände freizubekommen, aber je mehr sie an ihren Fesseln zerrte, desto fester wurden die Knoten. Sie sah erneut auf. Die Säule hatte jetzt 85 °C erreicht und bewegte sich weiter.
Alan Hamilton raste wie ein Wahnsinniger über die Wimpole Street, schoß von einer Fahrspur in die andere, um schneller voranzukommen, und ignorierte das wütende Hupen erboster Autofahrer. Er bog auf den Portland Place ab und fuhr in Richtung Regent Street weiter. Dort war der Verkehr dichter, so daß er nur langsam vorwärts kam.
Im Keller des Gebäudes 217 Bond Street zeigte das Thermometer 100 °C an. Der ganze Raum begann sich aufzuheizen.
Der Verkehr stand beinahe. Die Menschen waren nach Hause, zum Abendessen, ins Theater unterwegs. Alan Hamilton saß frustriert am Steuer seines Wagens. Hätte ich die Polizei einschalten sollen? Aber was hätte das genützt? Eine neurotische Patientin behauptet, irgend jemand trachte ihr nach dem Leben. Die Polizei hätte mich ausgelacht. Nein, ich muß sie dort selbst rausholen. Der Verkehr rollte stockend weiter.
Im Keller bewegte sich die Säule auf 150 °C zu. Es war jetzt unerträglich heiß. Catherine versuchte erneut, sich zu befreien. Ihre Handgelenke bluteten, aber die Schnur hielt.
Beim Einbiegen in die New Bond Street raste Alan über einen Fußgängerübergang und hätte um ein Haar zwei alte Damen über den Haufen gefahren. Hinter sich hörte er das schrille Signal einer Polizeipfeife. Einen Augenblick lang war er versucht, zu halten und den Uniformierten um Hilfe zu bitten. Aber es blieb keine Zeit für lange Erklärungen. Er fuhr weiter.