«Ja.«
«Also kein Mann, der einen Raum auf den Kopf stellen müßte, um seine Frau zu ermorden?«
Delma sprang auf.»Einspruch!«
«Stattgegeben. Der Herr Verteidiger stelle dem Zeugen bitte keine Suggestivfragen.«
«Ich bitte um Verzeihung, Hohes Gericht. «Chotas wandte sich erneut an den Kriminalbeamten.»Haben Sie bei Ihrem Gespräch mit Herrn Demiris den Eindruck gewonnen, er sei ein intelligenter Mensch?«
«Ja, denn so reich wie er wird man nur, wenn man verdammt clever ist.«
«Ich bin ganz Ihrer Meinung, Inspektor. Und das wirft eine sehr interessante Frage auf: Wie könnte ein Mann wie Constantin Demiris dumm genug sein, einen Mord zu verüben und am Tatort ein Messer mit seinen Fingerabdrücken und eine blutbefleckte Badehose mit seinem Monogramm zurückzulassen… Würden Sie das nicht auch als wenig intelligent bezeichnen?«
«Nun, in der Hitze eines Verbrechens tun Menschen manchmal seltsame Dinge.«
«Die Polizei hat einen goldfarbenen Knopf von einer Jacke gefunden, die Herr Demiris getragen haben soll, nicht wahr?«
«Ja, das stimmt.«
«Und dieser Knopf gehört zu den wichtigsten Beweisen gegen Herrn Demiris. Die Polizei glaubt, seine Frau habe ihm den Knopf während eines Kampfes abgerissen, als er sie ermorden wollte?«
«Richtig.«
«Wir haben es hier mit einem Mann zu tun, der sich stets sehr elegant kleidet. Von seiner Jacke wird ein Knopf abgerissen, aber er merkt nichts davon. Er trägt diese Jacke auf der Heimfahrt, ohne den fehlenden Knopf zu bemerken. Dann zieht er die Jacke aus und hängt sie in den Kleiderschrank — und merkt noch immer nicht, daß ein Knopf fehlt. Schwer zu glauben, nicht wahr?«
loannis Katelanos befand sich im Zeugenstand. Der Besitzer des Detektivbüros genoß seinen Auftritt im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit sichtlich. Delma befragte den Zeugen.
«Sie sind der Besitzer eines Detektivbüros?«
«Ja, Herr Staatsanwalt.«
«Und Frau Demiris ist einige Tage vor ihrer Ermordung zu Ihnen gekommen?«
«Genau.«
«Was wollte sie?«
«Personenschutz. Sie hat mir erzählt, sie wolle sich von ihrem Mann scheiden lassen und er habe damit gedroht, sie zu ermorden.«
Ein Murmeln ging durch den Saal.
«Frau Demiris war wohl sehr aufgeregt?«
«O ja! Sie war völlig durcheinander.«
«Und sie hat Ihrem Büro den Auftrag erteilt, sie vor ihrem Mann zu schützen?«
«Richtig.«
«Danke, keine weiteren Fragen mehr. «Delma wandte sich an Chotas.»Ihr Zeuge, Herr Verteidiger.«
Napoleon Chotas lenkte seinen Rollstuhl zum Zeugenstand hinüber.»Herr Katelanos, wie lange sind Sie schon Privatdetektiv?«
«Seit fast fünfzehn Jahren.«
Chotas war sichtlich beeindruckt.»Das ist allerdings eine lange Zeit. Da müssen Sie wirklich sehr gute Arbeit leisten.«
«Das tue ich wohl«, sagte Katelanos bescheiden.
«Sie haben also viel Erfahrung im Umgang mit Menschen in Krisensituationen?«
«Deshalb kommen sie zu mir«, antwortete Katelanos selbstgefällig.
«Und als Frau Demiris zu Ihnen gekommen ist, hat sie da ein bißchen aufgeregt gewirkt oder…?«
«Nein, nein, sie ist sehr auf geregt gewesen! In panischer Angst, könnte man sagen.«
«Ja, ich verstehe. Weil sie gefürchtet hat, ihr Mann wolle sie ermorden.«»Genau.«
«Wie viele Ihrer Leute haben Sie ihr mitgegeben, als sie Ihr Büro verließ? Einen? Zwei?«
«Äh, keinen. Ich habe ihr keinen mitgegeben.«
Chotas runzelte die Stirn.»Das verstehe ich nicht. Weshalb nicht?«
«Nun, sie hat gesagt, wir sollten unsere Tätigkeit erst am Montag aufnehmen.«
Chotas starrte ihn verblüfft an.»Tut mir leid, aber das begreife ich nicht ganz, Herr Katelanos. Diese Frau, die zu Ihnen gekommen ist, weil sie gefürchtet hat, ihr Mann trachte ihr nach dem Leben, ist einfach wieder gegangen und hat gesagt, sie brauche Ihren Schutz erst ab Montag?«
«Äh, ja, das stimmt.«
«Da fragt man sich doch, wie groß Frau Demiris' Angst gewesen sein muß?«sagte Napoleon Chotas fast wie zu sich selbst.
Die nächste Zeugin war das Dienstmädchen des Ehepaars Demiris.»Sie haben also das Telefongespräch zwischen Frau Demiris und ihrem Mann mitgehört?«
«Ja, Herr Staatsanwalt.«
«Können Sie den Inhalt wiedergeben?«
«Nun, Frau Demiris hat ihrem Mann erklärt, sie wolle sich von ihm scheiden lassen, und er hat geantwortet, damit sei er auf keinen Fall einverstanden.«
Delma sah zu den Geschworenen hinüber.»Aha. «Er wandte sich wieder an die Zeugin.»Was haben Sie noch gehört?«
«Er hat sie aufgefordert, sich um fünfzehn Uhr mit ihm im Strandhaus zu treffen — und allein zu kommen.«
«Er hat verlangt, sie solle allein kommen?«
«Ja. Und sie hat mich angewiesen, die Polizei zu verständigen, falls sie bis achtzehn Uhr nicht zurück sei.«
Auf der Geschworenenbank entstand Bewegung. Alle starrten jetzt Demiris an.
«Danke, keine weiteren Fragen. «Der Staatsanwalt nickte zu Chotas hinüber.»Ihre Zeugin, Herr Verteidiger.«
Napoleon Chotas lenkte seinen Rollstuhl dicht an den Zeugenstand heran.»Sie heißen Andrea, stimmt's?«»Ja, das stimmt. «Sie versuchte, nicht in das von Brandwunden entstellte Gesicht zu blicken.
«Andrea, Ihrer Aussage nach haben Sie mitgehört, daß Frau Demiris ihrem Mann erklärt hat, sie wolle sich von ihm scheiden lassen, daß Herr Demiris gesagt hat, er sei nicht bereit, einer Scheidung zuzustimmen, und daß er sie aufgefordert hat, um fünfzehn Uhr allein ins Strandhaus zu kommen. Stimmt das alles?«
«Ja, das stimmt.«
«Sie stehen hier unter Eid, Andrea. Das alles haben Sie keineswegs gehört.«
«Doch, doch, ich hab's gehört!«
«Wie viele Telefone stehen in dem Zimmer, in dem Frau Demiris telefoniert hat?«
«Nur das eine.«
Napoleon Chotas rollte noch näher an den Zeugenstand heran.»Sie haben das Gespräch also nicht an einem anderen Apparat mitgehört?«
«Natürlich nicht! Das täte ich nie!«
«Tatsächlich haben Sie also nur gehört, was Frau Demiris gesagt hat. Sie hätten gar nicht hören können, was ihr Mann geantwortet hat.«
«Oh. Na ja, wahrscheinlich…«
«Mit anderen Worten: Sie haben nicht gehört, daß Herr Demiris seine Frau bedroht und aufgefordert hat, sich mit ihm im Strandhaus zu treffen. Das haben Sie sich alles nur eingebildet, weil Sie mitbekommen haben, was Frau Demiris gesagt hat.«
Andrea war verwirrt.»Ich… äh… ja, so könnte man's ausdrücken, nehm' ich an.«
«Ich drücke es so aus. Warum sind Sie überhaupt im Zimmer gewesen, als Frau Demiris telefoniert hat?«
«Ich sollte ihr einen Tee bringen.«
«Und Sie haben ihn ihr gebracht?«
«Natürlich.«
«Sie haben ihn auf den Tisch gestellt?«
«Ja.«
«Warum sind Sie danach nicht gegangen?«
«Frau Demiris hat mir ein Zeichen gemacht, ich solle noch bleiben.«
«Sie wollte, daß Sie das Gespräch — oder dieses angebliche Gespräch — mithören?«
«Ich… ich nehm's an.«
Die Stimme des Verteidigers war schneidend scharf geworden.
«Sie wissen also nicht einmal, ob Frau Demiris mit ihrem Mann telefoniert hat — oder ob sie überhaupt mit irgend jemandem gesprochen hat.«
Andrea nickte hilflos.
Chotas lenkte seinen Rollstuhl noch näher an den Zeugenstand heran.
«Finden Sie's nicht merkwürdig, daß Frau Demiris Sie mitten in einem sehr privaten Gespräch zum Bleiben und Zuhören aufgefordert hat? Ich weiß nur, daß wir in meinem Haus nie auf die Idee kämen, bei privaten Diskussionen unser Personal zum Mithören aufzufordern. Nein, ich unterstelle, daß dieses angebliche Gespräch niemals stattgefunden hat.
Frau Demiris hat mit überhaupt niemandem telefoniert. Sie hat ihren Mann absichtlich belastet, damit er hier und heute wegen Mordes angeklagt wurde. Aber Constantin Demiris hat seine Frau nicht ermordet. Das Beweismaterial ist sorgfältig — allzu sorgfältig — präpariert worden. Kein intelligenter Mensch würde eine Serie eindeutiger Indizien für seine Täterschaft hinterlassen. Und unabhängig davon, was Constantin Demiris vielleicht sonst ist, seine Intelligenz steht außer Zweifel.«