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Catherine saß in ihrer Suite und beobachtete das farbenprächtige Schauspiel der über dem blauen Ägäischen Meer untergehenden Sonne. Es hat keinen Zweck, die Vergangenheit noch mal durchleben zu wollen. Ich muß fetzt an die Zukunft denken. Ich sollte Gott für Constantin Demiris danken. Er war ihr Rettungsanker. Ohne ihn hätte sie nicht gewußt, wohin sie sich wenden sollte. Und er hatte ihr einen Job in London angeboten. Ob ich das Angebot annehmen soll! Sie schrak hoch, als jemand an die Tür klopfte.»Ihr Abendessen, Miss.«

Noch lange nachdem Catherine gegangen war, saß Constantin Demiris in der Bibliothek und dachte über ihr Gespräch nach. Noelle. Ein einziges Mal in seinem Leben hatte Demiris sich gestattet, die Kontrolle über seine Gefühle zu verlieren. Er hatte sich in Noelle Page verliebt, und sie war seine Geliebte geworden. Eine Frau wie sie hatte er noch nie getroffen. Sie verstand etwas von Kunst, von Musik, aber auch von geschäftlichen Dingen und wurde ihm bald unentbehrlich.

Nichts an Noelle überraschte ihn, und alles an ihr überraschte ihn. Demiris war von ihr besessen. Sie war die schönste, die sinnlichste Frau, die er je gekannt hatte. Noelle hatte auf ihre Filmkarriere verzichtet, um an seiner Seite leben zu können. In Demiris hatte sie bis dahin unbekannte Gefühle geweckt. Sie war seine Freundin, seine Geliebte, seine Vertraute. Er hatte Noelle rückhaltlos vertraut — und sie hatte ihn mit Larry Douglas betrogen. Und diesen Fehler hatte Noelle mit dem Leben bezahlt.

Constantin Demiris hatte durchgesetzt, daß er die Hingerichtete auf dem Friedhof seiner Privatinsel Psara im Ägäischen Meer bestatten lassen durfte. Diese schöne, sensible Geste war allgemein bewundert worden. Tatsächlich hatte sich Demiris um die Bestattung nur bemüht, um das exquisite Vergnügen haben zu können, auf dem Grab der Schlampe herumzutrampeln. Auf dem Nachttisch in seinem Schlafzimmer stand ein gerahmtes Photo, das die lächelnd zu ihm aufblickende Noelle in ihrer ganzen Schönheit zeigte — für immer wie eingefroren lächelnd.

Noch jetzt — über ein Jahr später — war Demiris außerstande, nicht an sie zu denken. Sie glich einer offenen Wunde in seiner Seite, die kein Arzt jemals würde heilen können.

Warum, Noelle, warum? Ich habe dir alles gegeben. Ich habe dich geliebt, du Hure. Ich habe dich geliebt. Ich liebe dich.

Auch Larry Douglas ging ihm nicht aus dem Sinn. Auch er hatte seinen Verrat mit dem Leben gebüßt. Aber das genügte Demiris nicht. Er wollte auf andere, auf endgültige Weise Rache nehmen. Er würde sich mit Douglas' Frau vergnügen, wie Douglas sich mit Noelle vergnügt hatte. Danach werde ich Catherine ihrem Mann ins Totenreich nachfolgen lassen.

«Costa… «

Die Stimme seiner Frau. Melina kam in die Bibliothek.

Mit Melina Lambrou hatte Demiris eine attraktive Frau aus einer einheimischen Familie alten Adels geheiratet. Melina war groß, bewegte sich mit königlicher Anmut und strahlte angeborene Würde aus.

«Costa, wer ist die Frau, die ich in der Eingangshalle gesehen habe?«Ihre Stimme klang scharf.

Die Frage kam unerwartet.»Was? Oh… Sie ist die Freundin eines Geschäftsfreundes«, behauptete Demiris.»Sie soll in London für mich arbeiten.«

«Ich habe sie nur flüchtig gesehen. Aber sie erinnert mich an jemanden.«

«Tatsächlich?«

«Ja. «Melina zögerte kurz.»Sie erinnert mich an die Frau des amerikanischen Piloten, der früher für dich gearbeitet hat. Aber das ist unmöglich. Die beiden haben sie ja ermordet.«

«Richtig«, stimmte Constantin Demiris zu.»Die beiden haben sie ermordet.«

Er starrte Melina nach, als sie den Raum verließ. Er würde sich vorsehen müssen. Melina war nicht dumm. Ich hätte sie nie heiraten sollen. Das war ein großer Fehler…

Vor einem Jahrzehnt hatte die Hochzeit zwischen Melina Lambrou und Constantin Demiris in Geschäfts- und Gesellschaftskreisen zwischen Athen, der Riviera und Newport, R. L, hohe Wellen geschlagen. Die eigentliche Sensation aber war die Tatsache gewesen, daß die Braut noch vier Wochen vorher die Verlobte eines anderen gewesen war.

Als Kind hatte Melina Lambrou ihre Familie durch ihre Eigenwilligkeit oft zur Verzweiflung gebracht. Mit zehn Jahren wollte sie Seemann werden. Der Chauffeur der Familie entdeckte sie im Hafen, wo sie an Bord eines Schiffes zu gelangen versuchte, und brachte sie in Schimpf und Schande heim. Mit zwölf Jahren versuchte sie, mit einem Wanderzirkus durchzubrennen. Mit siebzehn hatte Melina sich in ihr Schicksal ergeben: Sie war schön, unermeßlich reich und die Tochter von Michael Lambrou. Die Regenbogenpresse schrieb gern über die Märchengestalt Melina, die mit Prinzen und Prinzessinnen gespielt hatte und trotzdem völlig unverdorben geblieben war. Sie und ihr acht Jahre älterer einziger Bruder Spyros hingen sehr aneinander. Nachdem ihre Eltern kurz nach Melinas dreizehntem Geburtstag bei einem Schiffsunglück umgekommen waren, vertrat Spyros die Vaterstelle bei seiner jüngeren Schwester.

Spyros gab sich sehr beschützend — zu beschützend, wie Melina meinte. Etwa ab ihrem achtzehnten Geburtstag begutachtete er Melinas Verehrer noch mißtrauischer. Er zog Erkundigungen über alle ein, die um ihre Hand anhielten, aber keiner der Ehekandidaten war ihm gut genug.

«Du mußt vorsichtig sein«, warnte er Melina unablässig.»Für jeden Mitgiftjäger der Welt bist du ein lohnendes Objekt. Du bist jung und reich und schön — und du trägst einen berühmten Namen.«

«Bravo, mein lieber Bruder! Das wird mir ein großer Trost sein, wenn ich mit achtzig als alte Jungfer sterbe.«

«Keine Angst, Melina, der richtige Mann stellt sich eines Tages von selbst ein.«

Er hieß Graf Vasilis Manos, war ein reicher Geschäftsmann, Mitte Vierzig und stammte aus einer alten, sehr angesehenen einheimischen Familie. Der Graf hatte sich Hals über Kopf in die schöne junge Melina verliebt. Bereits wenige Wochen nach dem Kennenlernen machte er ihr einen Heiratsantrag.

«Der ideale Mann für dich!«meinte Spyros zufrieden.»Manos steht mit beiden Füßen fest auf dem Boden — und er ist verrückt nach dir.«

Melina war erheblich weniger begeistert.»Er ist so langweilig, Spyros. Wenn wir zusammen sind, redet er bloß vom Geschäft. Ich wollte, er wäre etwas… etwas romantischer.«

«Zu einer guten Ehe gehört mehr als nur Romantik«, sagte ihr Bruder nachdrücklich.»Du brauchst einen soliden, verläßlichen Ehemann, der dich auf Händen trägt.«

Zuletzt ließ Melina sich dazu überreden, Graf Manos' Antrag anzunehmen.

Der Graf war begeistert.»Du hast mich zum glücklichsten Mann der Welt gemacht!«behauptete er.»Ich habe gerade eine neue Firma gegründet. Ich werde sie Melina International nennen.«

Melina wäre ein Dutzend Rosen lieber gewesen.

Der Hochzeitstermin wurde festgelegt, über 1000 Einladungen wurden verschickt, und die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren.

Dann trat Constantin Demiris in Melina Lambrous Leben.

Die beiden lernten sich auf einer der vielen Verlobungspartys kennen, die für die Jungverlobten gegeben wurden.

Die Gastgeberin machte sie miteinander bekannt.»Constantin Demiris… Melina Lambrou.«

Demiris starrte sie aus schwarzen Augen durchdringend an.»Wie lange dürfen Sie noch bleiben?«

«Wie bitte?«

«Sie sind doch gewiß vom Himmel auf die Erde entsandt worden, um uns Sterbliche zu lehren, was Schönheit ist.«

Melina lachte.»Sie wissen zu schmeicheln, Mr. Demiris.«

Er schüttelte den Kopf.»Sie sind über Schmeichelei erhaben. Ich wüßte keine Worte, die Ihnen gerecht würden.«

Dann kam Graf Manos auf die beiden zu und unterbrach das Gespräch.

An diesem Abend dachte Melina Lambrou vor dem Einschlafen an Demiris. Sie hatte natürlich schon von ihm gehört. Er war ein steinreicher Witwer, der in dem Ruf stand, ein rücksichtsloser Geschäftemacher und zwanghafter Schürzenjäger zu sein. Ich bin froh, daß ich nichts mit ihm zu schaffen habe!