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«Das ist es. Ich würde dir nie vorlügen, daß ich dich nicht be trogen habe.«

«Betrogen! Was für ein merkwürdiges Wort!«

«Warum?«

«Es setzt zwei falsche Tatbestände voraus. Sonderbar, daß es sich so lange in der Welt gehalten hat. Es ist doch nur eine Sache zwischen zwei Spiegeln.«

«Ja?«

«Natürlich. Nichts geschieht, als daß zwei Spiegel schwindeln. Wer hat schon ein Recht auf das Wort >betrügen<? Wenn du mit einem ändern schläfst, betrügst du dich selbst — nicht mich. «Natascha hörte auf zu essen.»Das ist einfach, wie?«

«Ja. Wenn es ein Betrug wäre, könntest du mich ja nicht betrü gen. Der Betrug schließt den Betrug automatisch aus. Man kann nicht mit zwei Schlüsseln zur selben Zeit ein Schloß öffnen.«

Sie warf mit einer Dillgurke nach mir. Ich fing sie auf.»Dill ist in diesem Lande sehr selten«, sagte ich.»Man soll nicht damit werfen.«

«Man soll auch nicht versuchen, damit Schlösser zu öffnen!«

«Ich glaube, wir sind ziemlich albern, wie?«

«Das weiß ich nicht. Muß man für alles eine Bezeichnung haben, du ausgebürgerter Deutscher?«

Ich lachte.»Ich habe das entsetzliche Gefühl, Natascha, daß ich dich liebe. Und wir haben uns soviel Mühe gegeben, es nicht zu tun!«

«Haben wir?«Sie sah mich plötzlich sonderbar an.»Es ändert nichts, Robert. Ich habe dich betrogen.«

«Es ändert nichts, Natascha«, erwiderte ich.»Ich fürchte, ich liebe dich trotzdem. Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Es ist wie Wind und Wasser, sie bewegen einander, aber jedes bleibt dasselbe.«

«Das verstehe ich nicht.«

«Ich auch nicht. Muß man immer alles verstehen, du nicht aus gebürgerte Angehörige vieler Länder?«

Ich glaubte aber nicht, was sie mir erzählte. Selbst wenn etwas davon stimmte, war es mir im Augenblick gleichgültig. Sie war wieder da, sie war bei mir, und alles andere war etwas für Leute mit einer gesicherten Zukunft.

XXX

Ich verkaufte die ägyptische Katze an einen Holländer. Am Tage, als ich den Scheck erhielt, lud ich Kahn in das Restaurant Voisin ein.»Haben Sie so viel Geld?«fragte er.

«Ich habe darin antike Vorbilder«, erwiderte ich.»Die Alten schütteten etwas Wein auf den Boden, bevor sie tranken, als Opfer für die Götter. Aus demselben Grunde gehe ich in ein gutes Restaurant. Um beim Wein zu bleiben, wir werden eine Flasche Cheval Blanc trinken. Den gibt es noch im Voisin. Ein verstanden?«

«Einverstanden. Wir können den letzten kleinen Rest dann auf die Teller tropfen lassen, um die Götter bei guter Laune zu halten.«

Das Voisin war voll. In Kriegszeiten sind die Restaurants sehr häufig voll. Jeder will noch was vom Leben haben, selbst wenn er nicht in Gefahr ist. Das Geld sitzt lockerer, als wenn im Frie den die Zukunft sicherer erscheint.

Kahn schüttelte den Kopf.»Ich bin heute nicht zu gebrauchen, Ross. Carmen hat mir geschrieben. Endlich! Sie findet, es sei besser, wenn wir uns trennten. In Freundschaft. Wir verständen uns nicht. Ich soll ihr nicht mehr schreiben. Hat sie jemand an ders?«

Ich musterte ihn betroffen. Es schien ihn schwer zu treffen.»Da von habe ich nichts gemerkt«, sagte ich.»Sie lebt ziemlich einfach in Westwood bei einer Wirtin zwischen Hühnern und Hunden. Ich habe sie einige Male gesehen. Sie war zufrieden, nichts zu tun. Ich glaube nicht, daß sie einen Freund hat.«

«Was würden Sie tun? Hinfahren? Sie zurückholen? Würde sie kommen?«

«Ich glaube nicht.«

«Ich auch nicht. Was soll ich tun?«

«Warten. Und nicht mehr schreiben. Vielleicht kommt sie von selbst zurück.«

«Glauben Sie das?«

«Nein«, sagte ich.»Liegt Ihnen so viel daran?«

Er schwieg eine Weile.»Mir sollte gar nichts daran liegen. Mir lag auch nicht viel daran, es war eine Marotte. Mit einem Male ist es keine mehr. Wissen Sie, warum?«

«Weil sie weg will. Warum sonst?«

Er lächelte melancholisch.»Einfach, wie? Und wie man es trotz dem nicht begreift, wenn es passiert!«

Ich dachte an Natascha. War es mir mit ihr nicht auch beinahe passiert? Und passierte es mir nicht immer noch? Ich schüttelte den Gedanken ab und dachte darüber nach, was ich Kahn sagen sollte. All das paßte überhaupt nicht zu ihm. Weder Carmen, noch seine Situation, noch seine Melancholie. Es war lächerlich, ging nicht zusammen und war deshalb gefährlich. Wäre es einem Poeten mit Phantasie passiert, so wäre es lächerlich und ver ständlich gewesen. Bei Kahn war es unverständlich. Er schien sich da in etwas geflüchtet zu haben, das in seinem Kontrast von tragischer Schönheit und phlegmatischer Seele als intellektuelle Spielerei amüsant war. Daß er es auf einmal ernst nahm, war ein unheilvolles Zeichen des eigenen Verfalls.

Er hob sein Glas und sagte:»Wie wenig man über Frauen zu sa gen hat, wenn man glücklich ist, wie? Und wieviel, wenn es nicht so ist.«

«Das ist wahr. Glauben Sie, daß Sie mit Carmen glücklich ge worden wären?«

«Sie meinen, wir paßten nicht zusammen? Das stimmt. Aber von Menschen, die zusammenpassen, kann man sich leicht trennen. Das ist wie ein Topf und ein Deckel, die passen. Sie lösen sich ohne Schwierigkeiten. Aber wenn sie nicht passen und man einen Hammer nehmen muß, um den Deckel auf den Topf zu schlagen, da bricht leicht etwas, wenn man sie wieder trennen will.«»Worte«, sagte ich.»Nichts davon ist wahr. Alle Sprichwörter lassen sich ins Gegenteil umkehren.«

Er raffte sich zusammen.»Alle Situationen auch. Vergessen wir Carmen. Ich bin wahrscheinlich etwas angeschlagen. Der Krieg geht zu Ende, Robert.«

«Sind Sie deshalb angeschlagen?«

«Nein. Aber was dann? Wissen Sie, was Sie dann tun wollen?«»Wer weiß das genau! Es ist unvorstellbar, daß der Krieg zu Ende gehen kann. Ebenso unvorstellbar ist es, was man dann tun wird.«

«Wollen Sie hierbleiben?«

«Ich möchte heute nicht darüber reden.«

«Sehen Sie? Ich denke immer darüber nach. Für die Emigranten wird dann die große Ernüchterung kommen. Der letzte Halt war das Unrecht, das ihnen zugefügt worden ist. Plötzlich ist es nicht mehr da. Sie können zurückkehren. Wozu? Wohin? Und wer will sie schon haben? Man kann nicht zurüdc«

«Viele werden hierbleiben.«

Er machte eine abwehrende Geste.»Ich meine die Verletzlichen. Nicht die Geschäftemacher.«

«Ich meine alle«, sagte ich.»Auch die Geschäftemacher.«

Kahn lächelte.»Prosit, Robert. Ich rede heute nichts als Unsinn. Es ist gut, daß Sie da sind. Radioapparate sind gute Sprecher, aber schlechte Zuhörer. Können Sie sich vorstellen, daß ich mein Leben als Vertreter für Radioapparate beschließe?«

«Warum nicht?«sagte ich.»Aber warum beschließen? Beschließen Sie es als Besitzer der Fabrik.«

Er sah mich an.»Halten Sie das für möglich?«

«Eigentlich nicht recht«, sagte ich.

«Gut, Robert.«

Er lachte.»Der Cheval Blanc ist ausgetrunken«, sagte ich.»Wir haben vergessen, den Göttern die letzten Tropfen zu opfern. Vielleicht sind wir deshalb unnötig melancholisch geworden. Wie wäre es mit einer Portion Eis für Sie? Sie essen es doch so gerne!«

Er schüttelte den Kopf.»Alles Bluff, Robert. Illusion des leich ten Lebens. Selbst-Bluff. Ich habe es aufgegeben, mir selbst den Heiteren vorzuspielen. Der Gourmet. Der Schwindler. Ich werde ein alter Jude.«

«Ein alter Jude von fünfunddreißig?«

«Juden sind immer alt. Sie werden alt geboren. Auf jedem liegen zweitausend Jahre Verfolgung — von dem Moment an, in dem er seinen ersten Schrei tut.«

«Wollen wir eine Flasche Wodka mitnehmen und sie unter Ge sprächen über das Leben austrinken?«

«Juden sind auch keine Trinker. Ich werde nach Hause gehen in mein Zimmer über dem Laden und morgen über mich lachen. Gute Nacht, Robert.«

Ich war tief beunruhigt.