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Ruhig versetzte Ewing: „Die Erklärung ist einleuchtend. Aber damit existiert ein überzähliger Baird Ewing, nicht wahr? Weshalb hast du dich entschlossen, am Leben zu bleiben, nachdem du die Rettung durchgeführt hattest?“

Der andere zuckte die Achseln. „Ich konnte nicht riskieren, mich zu töten. Ich wußte nicht, was geschehen würde.“

„Du wußtest es sehr gut“, warf ihm Ewing vor. „Du wußtest, daß der Nächste in der Aufeinanderfolge am Leben bleiben würde. Trotzdem hast du ihm keine Nachricht hinterlassen. Infolgedessen durchlief er den Zyklus, hinterließ mir eine Nachricht und beging Selbstmord.“

Der andere verzog unglücklich das Gesicht. „Vielleicht repräsentierte er eine tapferere Verkörperung als ich.“

„Wie sollte das möglich sein? Wir sind einander gleich!“

„Zweifelsohne.“ Der andere lächelte traurig. „Aber das menschliche Wesen ist eine komplizierte Zusammensetzung. Unser Leben stellt keine Folge fest umrissener Ereignisse dar, sondern vielmehr ein Fortschreiten von einer Entscheidung zur nächsten. Der Keim meines Entschlusses war ebenso in dem embryonischen Ewing verankert wie die Basis für den Selbstmord. Ich wählte so; er wählte anders. Und ich bin hier.“

Ewing erkannte, daß es unmöglich war, Ärger zu empfinden. Der Mann, in dessen Angesicht er blickte, war er selbst, und er kannte nur zu gut das Bündel innerer Widersprüche, Stärken und Schwächen, das Baird Ewing — oder irgendein anderes menschliches Wesen bildete.

Er fragte: „Was tun wir jetzt — beide?“

„Ich hatte einen Grund, dich von dem Schiff zu holen. Und nicht nur das Motiv, daß ich nicht auf der Erde zurückbleiben wollte.“

„Sondern?“

„Die Zeitmaschine Myrecks kann Corwin vor den Klodni retten“, versetzte der andere Ewing fest.

Ewing lehnte sich zurück und ließ die Behauptung in sich eindringen. „Wie?“

„Ich suchte heute morgen Myreck auf — ich hatte mich in ein Hotel eingemietet, das nicht weit vom Grand Valloin entfernt lag — und er begrüßte mich mit offenen Armen. Er versicherte, er wäre so froh, daß ich zurückgekehrt wäre, um einen Blick auf die Zeitmaschine zu werfen. Das war der Augenblick, in dem ich erkannte, daß du gestern nicht dagewesen und auch nicht zurückverschwunden warst.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich hatte damit gerechnet. — Nun, auf jeden Fall führte mir Myreck heute morgen alle Anwendungsmöglichkeiten seiner Maschine vor. Sie kann in einen Projektor verwandelt werden, der nach außen arbeitet — einen Strahl, der sich dazu verwenden läßt, Gegenstände jeder Größe in der Zeit zurückzuschleudern.“

„Die Klodniflotte!“ rief Ewing augenblicklich.

„Ganz recht! Wenn wir den Projektor auf Corwin errichten, das Erscheinen der Klodni abwarten — und sie fünf Milliarden Jahre zurückwürfen! Was dann?“

Wie unheimlich es ist, dachte Ewing, einem Mann gegenüberzusitzen, der jeden seiner Gedanken, jede verborgene Tat von Kindheit an bis zu einem Punkt kannte, der drei Tage in der absoluten Vergangenheit lag. Danach trennten sich ihre Wege natürlich, als wären sie verschiedene Menschen.

„Was schlägst du vor?“ forschte Ewing.

„Zu Myreck zurückzukehren. Uns die Pläne für die Vorrichtung anzueignen. Sie an Bord zu bringen und —“

Seine Stimme erstarb. Ewing blickte sein zweites Ich ausdruckslos an und fragte: „Ja? Was dann? Ich warte.“

„Es — es ist ein Einmannschiff, nicht wahr?“ vergewisserte sich der andere sehwach.

„Allerdings“, bestätigte Ewing. „Wenn wir die Pläne haben, wie entscheiden wir, wer nach Corwing zurückkehrt und wer hierbleibt?“

„Nun — machen wir uns darüber später Sorgen“, meinte der andere Ewing unsicher. „Holen wir zunächst die Pläne von Myreck. Später bleibt immer noch Zeit, die anderen Probleme zu regeln.“

Sie nahmen ein robotgelenktes Taxi bis zu dem Vorort, in dem die Akademie für Abstrakte Wissenschaften lag. Unterwegs wandte sich Ewing an den anderen und fragte: „Woher wußtest du, daß ich im Begriff war, die Erde zu verlassen?“

„Ich wußte es nicht. Sofort nach meinem Besuch bei Myreck kehrte ich zum Grand Valloin zurück. Ich wollte dich sprechen. Aber die Türplatte reagierte nicht — und natürlich war sie ebenso auf meine Identität wie auf die deine abgestimmt. Also erkundigte ich mich nach dir und erfuhr, daß du das Hotel verlassen und auf dem Weg zum Raumhafen warst. Ich folgte dir und kam noch gerade rechtzeitig an.“

Die Taxe hielt vor dem leeren Platz, auf dem die Akademie stand. Ewing ließ sein anderes Ich bezahlen. Sie stiegen aus.

„Du wartest hier“, sagte der andere. „Ich begebe mich in ihr Rezeptorfeld, damit sie mich einlassen. Nach zehn Minuten kommst du nach.“

„Ich habe keine Uhr“, erklärte Ewing. „Firnik hat sie mir abgenommen.“

„Hier — nimm meine“, versetzte der andere ungeduldig. Er streifte sie ab und gab sie ihm. Sie machte einen kostbaren Eindruck.

„Wo hast du sie her?“ wollte Ewing wissen.

„Ich — lieh sie mir zusammen mit ungefähr fünfhundert Krediten von irgendeinem Terrestrier. Du — nein, nicht du, sondern Ewing, der dich später rettete — schlief in unserem Hotelzimmer, und ich mußte mir eine neue Unterkunft suchen. Nachdem ich die Maske und die Pistole gekauft hatte, blieben mir nur noch zehn Kredite.“

Er legte die Uhr an — es war 18.50, Fünftabend — und beobachtete, wie sein Gefährte die Strafte hinunterschlenderte, scheinbar ziellos über den leeren Platz wanderte und plötzlich — mit einem Aufleuchten rötlichen Lichtes — verschwand. Die Akademie für Abstrakte Wissenschaften hatte ihn geschluckt.

Ewing wartete. Die Minuten verstrichen mit quälender Langsamkeit. Fünf, sechs, sieben. Bei neun begann er, auf das leere Grundstück zuzugehen. Innerlich zählte er die Sekunden: neunundfünfzig-eins — neunundfünfzig-zwei

Bei sechzig war er nur wenige Schritte von dem Platz entfernt. Die Frosterpistole berührte seine Hüfte. Er hatte bemerkt, daß der andere Ewing die gleiche Waffe trug. Er sah sich um — und fühlte, wie die Transition von jetzt zu jetzt-minus-drei-Mikrosekunden erfolgte; Er wir in der Akademie für Abstrakte Wissenschaften.

Eine seltsame Szene bot sich seinen Blicken. Der andere Ewing stand mit dem Rücken zu einer Wand, die Frosterpistole gezogen und aktiviert. Sieben oder acht Mitglieder der Akademie sahen ihn weich an. In ihren Augen spiegelte sich Schrecken.

„Danke, daß Sie meinen — Bruder eingelassen haben“, bemerkte der andere Ewing. Einen Augenblick lang starrten sich die beiden Ewings an. Ewing erkannte das Bewußtsein tiefer Schuld in den Augen seines zweiten Ichs und wußte, daß er ihm verwandter war, als irgendein Bruder es hätte sein können.

„Es — es tut mir leid“, wandte er sich an Myreck. „Glauben Sie, es schmerzt uns, Ihnen dies antun zu müssen.“

„Ich habe ihnen bereits auseinandergesetzt, worum es uns geht“, meinte der andere Ewing. „Ein maßstabgerechtes Modell mit Konstruktionsplänen steht unten, außerdem einige Notizbücher mit theoretischen Arbeiten.“

„Die Notizbücher sind unersetzlich“, äußerte Myreck mit leiser Bitterkeit.

„Wir werden sie in gute Obhut nehmen“, versprach Ewing. „Aber wir brauchen die Aufzeichnung nötiger als Sie. Glauben Sie mir.“