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Mundt verlangte dann wahrscheinlich die Notenmappe, die er nicht abgeholt hatte, und Elsa sagte ihm, daß sie den Instruktionen gefolgt sei und den Schein an die Adresse in Hampstead aufgegeben habe und daß die Mappe noch im Theater sei. Mundt reagierte bezeichnend: Er zwang sie, das Theater anzurufen und auszumachen, daß er die Tasche noch am selben Abend auf seinem Rückweg nach London abholen käme. Deshalb kann man annehmen, daß zu diesem Zeitpunkt entweder die Adresse nicht mehr taugte oder daß Mundt in dieser Phase vorhatte, am nächsten Tag zeitig am Morgen nach Hause abzureisen, so daß er keine Zeit mehr hatte, erst den Schein und dann die Tasche zu holen.

Smiley kommt in den frühen Morgenstunden am Mittwoch, dem 4. Januar, nach Walliston, und während des ersten Verhörs nimmt er um halb neun Uhr einen Anruf entgegen, den - das steht außer Zweifel - Fennan fünf Minuten vor acht am vergangenen Abend bestellt hatte. Warum?

Etwas später am selben Vormittag kommt S. noch einmal zu Elsa Fennan zurück, um sie wegen des Anrufes um halb neun zu befragen, von dem sie, wie sie selber zugab, wußte, daß er mich >irritieren würde<. (Ohne Zweifel tat die schmeichelhafte Beschreibung meiner Fähigkeiten, die ihr Mundt gegeben hatte, ihre Wirkung.) Nachdem sie S. eine ungereimte Geschichte von ihrem schlechten Gedächtnis erzählt hat, bekommt sie Angst und ruft Mundt an.

Mundt, vermutlich von Dieter mit einem Bild von mir oder einer Beschreibung meiner Person ausgerüstet, beschließt, S. zu beseitigen. (Ob das wohl im Auftrag Dieters geschehen ist?) Etwas später am Tage gelingt ihm das um ein Haar. (Anmerkung: Mundt hat den Wagen erst am Abend des 4. Januar in Scarrs Garage zurückgebracht. Also wollte er nicht unbedingt früher an diesem Tage abfliegen. Wenn er ursprünglich geplant haben sollte, am Morgen ein Flugzeug zu nehmen, dann hätte er ebensogut den Wagen früher zurückbringen und mit dem Autobus auf den Flugplatz fahren können.)

Es ist wohl ziemlich wahrscheinlich, daß Mundt nach Elsas Anruf seine Pläne geändert hat. Das beweist aber nicht, daß er sie aus diesem Grunde änderte. «

Konnte Elsa Mundt wirklich so in Schrecken versetzt haben? In einen so panischen Schrecken, daß er blieb, daß er Adam Scarr umbrachte? überlegte Smiley.

In der Halle läutete das Telefon . . .

»George! Peter ist am Apparat. Mit der Adresse und der Telefonnummer war es leider Essig. Kein Fisch dran.«

»Was heißt das?«

»Sowohl die Nummer als auch die Adresse führten zu derselben Wohnung. Ein möbliertes Zimmer in Highgate Village.«

»Ja?«

»Der Mieter war ein Pilot der >Lufteuropa<. Er hat am 30. Januar seine zwei Monate Miete vorausgezahlt und ist seither nicht mehr erschienen.«

»Verdammt.«

»Die Vermieterin erinnert sich sehr gut an Mundt, den Freund des Piloten. Ein netter, höflicher Gentleman, wenn man bedenkt, daß er doch ein Deutscher war, und sehr freigebig. Er hat ziemlich oft auf dem Sofa geschlafen.«

»Ach Gott.«

»Ich bin das Zimmer mit dem Dachshaarpinsel durchgegangen. In einer Ecke stand ein Schreibtisch. Alle Laden waren leer mit Ausnahme von einer, in der ein Garderobeschein lag. Wo der wohl hergekommen ist? . . . Also, wenn Sie herzlich lachen wollen, dann kommen Sie her in den Zirkus. Der ganze Olymp kocht vor Aktivität. Ach, übrigens . . .«

»Ja?«

»Ich habe in Dieters Wohnung herumgestöbert. Wieder eine taube Nuß. Er ist am 4. Januar weg. Dem Milchmann hat er nichts gesagt, das heißt, kein Mensch weiß, wo er ist.«

»Was ist mit seiner Post?«

»Hat nie welche bekommen, außer Rechnungen. Auch das kleine Nest des Genossen Mundt habe ich mir angesehen. Zwei Zimmer über der Stahl-Mission. Die Möbel und der ganze Mist sind weg. Schade.«

»Na ja.«

»Aber etwas Komisches muß ich Ihnen erzählen, George. Sie erinnern sich doch, daß ich vorhatte, mir Fennans Sachen, die er bei sich trug - Brieftasche, Notizbuch und so weiter - kommen zu lassen. Von der Polizei.«

»Ja.«

»Also, das habe ich getan. In seinem Notizbuch steht Dieters voller Name im Adressenverzeichnis und die Telefonnummer der Mission daneben. Verdammte Frechheit, was?«

»Das ist noch viel mehr, das ist ja Irrsinn. Du lieber Himmel!«

»Und dann steht da unter dem Datum vom 4. Januar: >G. A. Smiley, Anruf halb neun.< Das wird durch eine Eintragung für den 3. Januar bestätigt, in der es heißt: >Anruf bestellen für Mittwoch morgen<.«

»Also noch immer keine Erklärung.« Es entstand eine Pause.

»Ja, übrigens, George. Ich habe Felix Taverner in das Außenamt geschickt, damit er ein bißchen herumschnüffelt. Einerseits ist es ärger, als wir befürchtet haben, andererseits wieder besser.«

»Wieso?«

»Ja, also Taverner hat sich die Registraturzettel der letzten beiden Jahre durchgesehen. Er konnte feststellen, welche Akten in Fennans Abteilung gegangen sind. Wenn ein Akt von einer Abteilung bestellt wird, haben sie vorgedruckte Bestellzettel auszufüllen.«

»Ja, ich höre.«

»Felix hat herausgefunden, daß Freitag nachmittag gewöhnlich drei oder vier Akten an Fennan ausgefolgt wurden, die dann am Montag vormittag zurückkamen. Man kann annehmen, daß er sie sich über das Wochenende nach Hause genommen hat.«

»Du heiliger Strohsack!«

»Aber das Komische dabei ist, George, daß er seit sechs Monaten, also genau seit er befördert worden ist, eher die Tendenz hatte, Sachen mitzunehmen, die nicht geheim waren und die eigentlich keinen Menschen interessieren konnten.«

»Aber gerade während der letzten Monate hatte er doch in der Hauptsache mit Geheimakten zu tun«, sagte Smiley. »Er hätte nach Hause nehmen können, was ihm paßte.«

»Ich weiß schon, aber er hat es nicht getan. Ich würde fast sagen, daß es mit Absicht geschehen ist. Er hat ganz unwichtige Sachen mitgenommen, die nur mit seiner routinemäßigen Arbeit zu tun hatten. Seine Kollegen können es nicht verstehen, jetzt, wenn sie darüber nachdenken. Er hat sogar Akten mitgenommen, die gar nicht zu seinem Arbeitsgebiet gehörten.«

»Auch nicht geheim?«

»Nein - völlig wertlos für die Spionage.«

»Wie war es denn früher, bevor er in die neue Stellung gekommen ist? Was hat er damals nach Hause genommen?«

»Viel mehr, als man glauben sollte - Akten, die er während des Tages bearbeitet hatte, Politik und so weiter.«

»Geheim?«

»Einige ja, einige nein. Wie sie gekommen sind.«