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Wenn das der Fall war, dann kann er möglicherweise auch den anonymen Brief geschrieben haben, hinter dem die Absicht stecken konnte, ihn mit dem Department in Kontakt zu bringen.

Zwei weitere Tatsachen sollten an dieser Stelle erwähnt werden: Erstens, am Tage nach Mrs. Fennans Geständnis verließ Mundt auf dem Luftwege das Land unter falschem Namen und mit einem gefälschten Paß. Er entging der Aufmerksamkeit der Behörden auf dem Flugplatz, wurde aber später eindeutig von der Stewardeß identifiziert. Zweitens, Fennans Notizbuch enthielt den vollen Namen und die Adresse von Dieter Frey, was ein flagranter Verstoß gegen die primitivsten Regeln der Spionage ist.

Es war schwer zu verstehen, warum Mundt nach dem Mord an Scarr noch drei volle Wochen in England geblieben war, und noch weniger begreiflich war die Tätigkeit Fennans, wie sie seine Frau dargestellt hatte, wenn man sie mit der offensichtlich völlig planlosen und unergiebigen Auswahl der Dokumente verglich. Eine nochmalige Prüfung der feststehenden Tatsachen führte immer wieder zu folgendem Schluß: Der einzige Beweis dafür, daß Fennan ein Spion war, stammte von seiner Frau.

Wenn es sich so verhielt, wie sie behauptete, weshalb hatte sie dann den Entschluß Mundts und Freys, alle die zu beseitigen, die wegen ihres Wissens gefährlich werden konnten, überlebt?

Aber konnte sie andererseits nicht selbst der Spion sein?

Das wäre eine Erklärung für das Datum der Abreise Mundts gewesen. Er fuhr heim, als ihm Mrs. Fennan versichert hatte, daß ich ihr freimütiges Geständnis akzeptiert hätte. Auch die Eintragung in Fennans Notizbuch wäre dadurch verständlich. Frey war eine zufällige Bekanntschaft beim Skilaufen und ein gelegentlicher Besucher in Walliston. Es würde die Auswahl der Dokumente erklären, die Fennan getroffen hatte - wenn Fennan absichtlich unwichtige Sachen aussuchte, als seine Arbeit hauptsächlich mit geheimen Themen zu tun hatte, dann konnte es nur eine einzige Erklärung geben: Er hatte begonnen, gegen seine Frau Verdacht zu schöpfen. Deshalb die Einladung zu >Marlow<, die ganz natürlich auf unser Zusammentreffen am Vortag folgte. Fennan hatte beschlossen, mir von seinem Verdacht zu berichten, und sich zu diesem Zweck einen Tag freigenommen, was seine Frau offenbar nicht wußte. Es hätte auch erklärt, warum Fennan sich selbst denunzierte. Der Grund war offenbar der, daß er wünschte, sich mit uns in Verbindung zu setzen, was das Vorspiel dazu sein sollte, daß er seine Frau denunzierte.

Wenn man diese Mutmaßungen weiterspann, dann war es auffallend, daß, was das Handwerkliche betrifft, nur Mrs. Fennan effektiv und bewußt arbeitete. Die Technik, die sie und Mundt benutzten, erinnerte an die Freys während des Krieges. Die zusätzliche Vereinbarung, den Garderobeschein mit der Post zu schicken, wenn das Rendezvous nicht geklappt hatte, war bezeichnend für die gewissenhafte Art, mit der er seine Pläne ausarbeitete. Es sah so aus, als hätte Mrs. Fennan mit einer Präzision funktioniert, die kaum mit ihrer Behauptung in Einklang gebracht werden konnte, sie habe bei dem Verrat ihres Mannes widerwillig mitgetan.

Während nun logischerweise Mrs. Fennan in Verdacht geriet, so bestand doch andererseits kein Grund, anzunehmen, daß das, was sie über die Ereignisse in der Nacht der Ermordung ihres Mannes berichtet hatte, notwendigerweise unwahr sei. Hätte sie von der Absicht Mundts, ihren Gatten umzubringen, gewußt, dann hätte sie die Notenmappe nicht ins Theater mitgenommen und noch obendrein den Garderobeschein mit der Post aufgegeben.

Es schien keinen Weg zu geben, Mrs. Fennan etwas nachzuweisen, es sei denn, daß es möglich war, die Verbindung zwischen ihr und ihrem Auftraggeber zu reaktivieren. Während des Krieges hatte sich Frey ein sinnreiches System zur Verständigung in Notfällen ausgedacht, das auf der Verwendung von Fotografien und Ansichtskarten basierte. Der auf dem Foto abgebildete Gegenstand enthielt die Botschaft. Ein religiöses Thema, wie zum Beispiel das Gemälde einer Madonna oder einer Kirche, vermittelte den dringenden Wunsch nach einem Zusammentreffen. Der Empfänger pflegte als Antwort einen mit der eigentlichen Sache in gar keinem Zusammenhang stehenden Brief zu schicken, den er sorgfältig datierte. Das Stelldichein fand dann fünf Tage nach dem auf dem Brief notierten Datum statt.

Es bestand die Möglichkeit, daß Frey, dessen Methoden sich offenbar seit dem Krieg wenig geändert hatten, noch immer dieses System benutzte, das ja auf jeden Fall nur selten gebraucht wurde. Damit rechnend, gab ich an Elsa Fennan eine Ansichtskarte auf, die eine Kirche zeigte, und warf sie in Highgate in den Postkasten. Ich hatte die - allerdings ziemlich kühne - Hoffnung, sie würde annehmen, die Karte käme über Freys Büro. Aber sie reagierte sofort, indem sie eine Karte für eine Vorstellung in einem Londoner Theater an eine unbekannte Adresse abschickte, wobei zu bemerken ist, daß die Vorstellung fünf Tage nach dem Datum, das ich auf die Karte geschrieben hatte, stattfinden sollte. Mrs. Fennans Mitteilung erreichte Frey, der sie für eine dringende Einladung zu einem Rendezvous hielt. Da er wußte, daß Mundt durch Mrs. Fennans »Geständnis« kompromittiert war, entschloß er sich, selbst zu kommen.

Daher trafen sie einander am Donnerstag, dem 15. Februar, im Sheridan-Theater in Hammersmith.

Zuerst nahm jeder von beiden an, der andere habe das Zusammentreffen veranlaßt, aber als Frey klar wurde, daß sie durch einen Trick zusammengebracht worden waren, schritt er zu drastischen Maßnahmen. Vielleicht hatte er auch den Verdacht, Mrs. Fennan habe ihn in eine Falle gelockt, vielleicht bemerkte er, daß er beobachtet wurde. Alles das werden wir nie erfahren. Auf jeden Fall ermordete er sie. Die Methode, deren er sich dabei bediente, ist wohl am besten aus dem Protokoll des Beamten zu entnehmen, der die offizielle Leichenschau vorgenommen hat: »Auf den Kehlkopf ist ein einmaliger, heftiger Druck ausgeübt worden, besonders auf die Schildknorpel, was fast augenblicklich den Tod herbeiführte. Es scheint, als sei der Mörder Mrs. Fennans auf diesem Gebiete kein Laie gewesen.«

Frey wurde bis zu einem Hausboot verfolgt, das in der Nähe der Cheyne Walk vertäut lag, und fiel in den Fluß, als er sich seiner Festnahme heftig widersetzte. Seine Leiche ist geborgen worden.

Zwischen zwei Welten

 

An Sonntagen kam normalerweise niemand in Smileys drittklassigen Klub, aber Mrs. Sturgeon ließ die Tür offen für den Fall, daß einer ihrer Gentlemen dennoch den Wunsch haben sollte, zu kommen. Sie nahm ihren Herren gegenüber dieselbe strenge, autoritative Haltung ein, wie sie es als Zimmervermieterin in Oxford getan hatte, als sie von den Mietern, die sie beglückte, mehr Respekt verlangt hatte als die ganze Gesellschaft von großen Herren und Pedellen der Universität zusammengenommen. Sie verzieh einem zwar alles, aber irgendwie ließ sie jedesmal durchblicken, daß sie nur in diesem einen und einzigen Fall Pardon gegeben hätte und sich das nie - nie und nimmer wiederholen würde. Sie hatte einmal Steed-Asprey gezwungen, zehn Shilling in die Sammelbüchse für die Armen zu legen, weil er sieben Gäste mitgebracht hatte, ohne ihr das vorher gebührend mitzuteilen. Aber nachher hatte sie das grandioseste Dinner des Jahrhunderts auf den Tisch gestellt.

Sie saßen wie das letztemal am Tisch. Mendel sah um eine Nuance gelber aus, eine Spur älter. Er sprach kaum während des Essens und führte Messer und Gabel mit der gleichen Präzision, die er auf alles verwandte, das er anfaßte. Guillam bestritt den größten Teil der Konversation, denn auch Smiley war weniger gesprächig als sonst. Sie fühlten sich in ihrer Freundesrunde wohl, und keiner spürte in sich den Drang, besonders viel zu reden.

»Warum hat sie es getan?« fragte Mendel plötzlich.

Smiley schüttelte langsam den Kopf: »Ich glaube, daß ich es weiß, aber ich kann auch nur mutmaßen. Ich glaube, daß sie von einer Welt ohne Konflikte geträumt hat, die von der neuen Weltanschauung regiert und erhalten wird. Sehen Sie, ich habe sie einmal in Wut gebracht, und da hat sie mir zugeschrien: >Ich bin die ewige Jüdin, das Niemandsland und das Schlachtfeld für eure Spielzeugsoldaten.< Als sie zu sehen glaubte, daß das neue Deutschland nach dem Muster des alten aufgebaut wurde, sah, wie der protzige Stolz zurückkehrte, wie sie sagte, da, glaube ich, war es ihr einfach zuviel. Ich meine, sie sah die Fruchtlosigkeit ihres Leidens und den Wohlstand ihrer Peiniger und rebellierte ganz einfach. Vor fünf Jahren hatten sie Dieter bei einem Skiurlaub in Deutschland getroffen. Zu dieser Zeit bahnte sich die Wiederherstellung Deutschlands als prominente westliche Macht bereits augenfällig an.«