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Schlapp und müde landete er am Vormittag wieder in dem Gang mit den Statuen, dessen Geschichtsträchtigkeit ihn anzog. Er ging mit wachsender Benommenheit den ganzen Gang entlang, von einer Marmorgeneration zur nächsten, bis er die Statue von Robert di Caela erreichte, der in der gleichen kriegerischen Pose festgehalten war wie seine Vorfahren und Nachkommen. Der Kopf saß merkwürdig schief, als ob der Bildhauer versucht hätte, das Exzentrische an seinem Modell durch ein etwas seltsames Werk zu erhalten.

Seufzend lehnte sich der Junge an den staubigen Marmor und ließ sich zu Boden rutschen. Und so saß Sturm Feuerklinge zwischen den Statuen, die eine ganze Schar seiner Vorfahren verewigten, und lachte aus vollem Herzen – über seine eigene Unbeholfenheit und seine unzureichende Vorbereitung auf das, was noch vor ihm lag. Kichernd stand er auf, sprang auf das Podest und drehte am Kopf der Statue, um Sir Robert wenigstens einmal in seiner bunten Geschichte geradezurücken.

Lachend zog er an dem Marmorkopf, zog lachend noch einmal, und sein Lachen hallte durch den höhlenartigen Gang, während das Sonnenlicht um ihn her verschwamm. Ihm war so schwindelig vor Hunger und Schwäche, daß er nicht einmal merkte, wie die Statue ins Wanken geriet, kippte und ihn unter sich begrub. Sein Kopf schlug auf dem Boden auf, und er wurde ohnmächtig.

Sturm erwachte zu Musik – dem klagenden, einsamen Klang der Röte – und einem komischen, nicht greifbaren Licht zwischen den Statuen. Zuerst hielt er es für eine Spiegelung in einem der zahllosen di-Caela-Spiegel, ein Strahl Mondlicht, der durchs Fenster fiel, seine eigene Bewegung, die ein Bronzepanzer zurückwarf. Aber da war noch die Musik, die er sich nicht erklären konnte, und die ergänzte das Licht zu einem weiteren, fesselnden Mysterium.

Er folgte dem Licht in einen Korridor, und die Musik begleitete ihn und hallte durch die staubigen Gänge. Während Sturm regungslos auf der Empore an der Treppe zum Vorraum stand, sah er, wie das Licht sich veränderte und wie Nebel auf die Doppeltür der unteren großen Halle trieb. Langsam folgte er dem Licht mit gezogenem Schwert, als es in die Mitte der großen, hohen Halle trieb und sich auflöste.

Sturm war durcheinander. Was er gerade gesehen hatte, war gewiß ein erstes Wahnbild des Verhungerns. Er setzte sich auf einen Mahagonistuhl mit hoher Lehne. Da er jetzt schwächer war und seine Stirn schmerzte, war er gar nicht mehr so sicher, ob er überhaupt wieder hochkommen konnte.

»Das ist also das Ende der Blitzklinges«, stellte er mit erschöpfter Ironie fest. »Im Speisesaal ihrer Burg ausgehungert!«

»Wenn das das Ende ist, dann ist das Geschlecht zu Dummköpfen und Schulmeistern heruntergekommen!« erklärte eine barsche, kaum wahrnehmbare Stimme irgendwo in den Dachsparren über dem Jungen.

Überrascht versuchte Sturm aufzuspringen, doch er taumelte vor Schwäche und Furcht.

»Was nicht heißen soll, daß so was zum ersten Mal in der Familie geschehen würde«, fuhr die Stimme fort. Sturm spähte in die schattigen Dachsparren.

»Wer ist da?« fragte er nervös, »und… und… wo seid Ihr?«

»Auf dem Balkon«, erwiderte die Stimme knapp. »Beim Rest deiner ehrwürdigen Ahnen.«

Dann breitete sich langsam vom Balkon ein merkwürdiges gelbgrünes Licht über den düsteren Raum aus, und der erstaunte Sturm erkannte, daß das Licht aus einer Gestalt mit Helm und Rüstung emporstieg, die rittlings auf der Balustrade saß – ein blasser, alter Mann mit unerträglich hellem Gesicht, doch seine Gesichtszüge waren verschwommen und fern.

»Wer… wer seid Ihr?« stammelte der Junge.

Der Mann lehnte sich schweigend über den Balkon wie ein brennender Mastkorb oder ein Fuchsfeuer, jenes grüne, gasartige Licht tief in den Sümpfen. Über seine Kleider tanzte der Feuerschein, und eine weißglühende Flüssigkeit tropfte herunter, die auf dem Boden wie geschmolzenes Gold in glitzernden Pfützen zusammenlief. Angesichts der merkwürdigen, bedrohlichen Schönheit des Mannes hielt Sturm den Atem an.

»Seid Ihr derjenige, der… mich hier eingesperrt hat?« fragte er, dieses Mal etwas sanfter.

»Nein«, antwortete der Mann schließlich. Seine volle, tiefe Stimme klang wie altes, poliertes Holz, und als er sprach, leuchtete die dunkle Mahagonitäfelung des Saals in grünlichem Licht. »Nein, ich bin kein Gefängniswärter. Und du bist der erste, der diesen Palast ein Gefängnis nennt.«

»Wer seid Ihr?« fragte Sturm erneut. Der Mann stand bewegungslos da, über ihm eine Feuersäule.

»Schau in deinen Schild, Junge, und sag mir, was du siehst.«

»Ich sehe glänzende Bronze«, sagte Sturm, »und mein Gesicht im Spiegelbild.«

»Halt ihn zu mir hoch, du Dummkopf! Und dann sieh dir das Spiegelbild an! Beim Barte des großen Paladin! Ihr Blitzklinges habt noch nie besonders schnell kapiert! Falls du ein Blitzklinge bist, wie mir dein Schild und dein Selbstmitleid verraten.«

Während sich der Mann zornig aufplusterte, hob Sturm den Schild und neigte ihn so, daß das helle Spiegelbild im Buckel zu sehen war. Ohne das grüne Licht sah der Mann noch blasser aus, wirklich uralt, und Sturm konnte sein Gesicht, den Schnurrbart und das Zeichen auf seinem Brustharnisch erkennen.

Hellrote Blume auf weißer Wolke vor blauem Grund. Das Zeichen di Caela, der verlorene Name in einem verlorenen Heim.

»Alter Großvater«, begann Sturm, der sich auf den Boden zwischen die Trümmer kniete, »oder Großvater von Großvätern, wer du auch sein magst. Oder was – ob Erscheinung oder Heiliger oder Erinnerung, ich grüße dich!«

Tapfer streckte der Junge in feierlicher Geste sein Schwert aus. Jetzt bewegte sich der Mann auf dem Balkon zum ersten Mal, um abwehrend mit dem linken Arm zu winken.

»Steh schon auf, Junge, oder was wir auch immer gesagt haben, wenn der Maßstab dran war und ich mit ganzen Scharen deiner Sorte fertig werden mußte. Das hier ist ein Speisesaal, kein Schrein, und ich bin Robert di Caela, nicht Huma oder Vinas Solamnus oder wen ihr auch heutzutage mit dem Schwert grüßt.«

Robert di Caela sank durch den Steinbalkon wie durch dunkles Wasser. Zuerst tauchten seine glänzenden Stiefel an der Unterseite auf, dann seine grünen Hosen und der sonnenbestrahlte Brustpanzer. Grellbunt wie ein großer Tropenvogel schwebte er sanft auf den Boden des Saals. Die Eichentüren, Sturms einziger Fluchtweg aus dem Raum, lagen offen hinter Robert. Sein wabernder Körper war so durchsichtig, daß Sturm sie sehen konnte. Leuchtende Flechten und Moose lösten sich von ihm und glitzerten hinter ihm auf dem dunklen Boden, als er näher kam.

Instinktiv wich Sturm zurück.

»Ein einfacher Hinterlandsritter bin ich«, sagte Sir Robert. »Und noch einfacher, seit ich nicht mehr lebe. Obwohl du hier den Staub aufgewirbelt und die Vorhänge bewegt hast, will ich dir nichts Böses, Junge – bin nur neugierig. Mal hören, was einen Blitzklinge nach all den Jahren hierher zurücktreibt.«

Sturm wich zurück bis zum Stuhl, in den er sich mit einem Plumps niederließ. Er kannte seinen Stammbaum gut genug, um nicht überrascht zu sein, daß ein Fürst di Caela nach neuem Klatsch hungerte.

Jedenfalls lehnte der Geist sich mit seinem weißen Gesicht, das von einem gepflegten, eleganten weißen Bart eingerahmt wurde, nach vorn. Das Gesicht sah aus wie eine Maske, denn in den leeren Augenhöhlen war die dunkle Magahonitäfelung zu sehen.

»Eine Suche, Fürst Robert – «, stammelte der verängstigte Junge.

»Sir Robert«, korrigierte der Geist. »Es gab mal Zeiten, wo wir uns mit aufgeblasenen Titeln zierten. ›Sir‹ war gut genug für solche wie deinen Urgroßvater und ihresgleichen.«

Sir Robert setzte sich auf eine wacklige Bank, durch die er beim Reden irgendwie durchrutschte, so daß er mit einem Puff im Staub landete.