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Sein Kopf drehte sich, als sie ihm wieder eine Ohrfeige verpaßte.

»›Die zwei Monde‹, richtig, du Knallkopf! Du vorschneller, bartloser, zwergenhirniger Möchtegernritter!«

Die Elfe wankte und klammerte sich an die stützende Rinde eines Vallenholzbaums.

»Zwei Monde«, sagte sie ruhiger, »die sich im Zeichen der Mishakal am Winterhimmel begegnen… wie oft, was meinst du?«

»Ich bin kein Astronom, Lady«, gestand Sturm. »Ich weiß nicht, wie oft.«

»Ach, nur so etwa alle fünf Jahre«, sagte das Mädchen mit aufeinandergebissenen Zähnen, wobei ihre glitzernden Augen den Jungen mit schwer beherrschtem Zorn fixierten. »Alle fünf Jahre, und dann kann eine besondere Melodie aus der neunten Tonart der Harmonien von Branchala, deren Feinheiten ein Musiker drei Jahre lang geübt hat, benutzt werden, um die Magie von Druiden und Zauberern zu brechen.«

»Verstehe ich nicht«, sagte Sturm, der zurückwich, als das Mädchen zornig einen Schritt auf ihn zu machte.

»Du verstehst es nicht«, wiederholte sie kalt. Ihre Hand spielte mit dem Messer: Klinge, Heft, Klinge. »Das Lied löst Verzauberung, hebt Flüche auf und erlöst die Transmogrifizierten.«

»Transmogrifizierte?«

»Alle, die in Spinnen verwandelt wurden!« fauchte das Mädchen und warf das Messer knapp an Sturms Ohr vorbei. Bestürzt stand er reglos da, während der Dolch gute zwanzig Fuß hinter ihm in einer kahlen Eiche zitterte. Eine Haarsträhne, die unterhalb seines Ohrs sauber abgetrennt war, fiel auf seine Schulter.

»Im unpassendsten Augenblick der letzten fünf Jahre«, sagte die Elfe, »bist du auf diese Lichtung getreten. Und hast so dafür gesorgt, daß Cyren vom Königshaus in Silvanost, Nachfahre von Königen und Herr über mein Herz, noch einmal fünf Jahre allein in seinen Netzen herumklettern muß. Mit acht Beinen und sechs Augen kann er Ungeziefer und Aas fressen, bis der weiße Solinari und der rote Lunitari auf ihren getrennten Pfaden durch den ganzen gottverdammten Himmel gesegelt sind, an Fixsternen und Wandelsternen vorbei, und sich wieder vereinen!«

»Ich… es tut mir…«, fing Sturm an, aber die Worte blieben ihm im Hals stecken.

»Keine Entschuldigungen«, sagte das Mädchen mit schiefem, gefährlichem Lächeln, als Solinari hinter die schwankenden Lärchen tauchte und die Lichtung nur noch im unbehaglich roten Licht von Lunitari lag. »Keine Entschuldigungen. Ich würde dich immer noch am liebsten umbringen.«

9

Mara und die Spinne

Nach ein paar Minuten hatte Sturm das Elfenmädchen beruhigt, indem er sie mit Entschuldigungen überhäufte und zugab, ja, er sei wirklich der dämlichste Junge des Kontinents, und um einen noch größeren Trottel zu finden, müßte man sich unter die Goblins von Trot wagen. Das befriedigte sie offenbar vorläufig. Sie seufzte, nickte und sah sich dann abgestoßen um, als ob die Lichtung, auf der sie zwei Monate gewohnt hatte, um das Aufeinandertreffen der Monde abzuwarten, plötzlich wirklich ein Netz von Spinnen geworden wäre.

»Hier kann ich nicht bleiben«, erklärte sie und ging in die Hütte. Sturm trat draußen von einem Fuß auf den anderen. Hinten zwischen den Ewigkeitsbaumen gab es eine kleine Bewegung, ein Rascheln im Unterholz, doch als er nachsah, was sich dort bewegte, war nichts zu entdecken.

»Spinnen«, murmelte er. »Ich wette, hier verwandelt sich alles in Spinnen, sogar das Mädchen und ich.«

Aber sie tauchte sehr unspinnenhaft kurz darauf wieder auf. Ihre Habseligkeiten hatte sie in einem Paket aus Sackleinen, Schlingpflanzen und Spinnweben zusammengepackt. Das Bündel war fast doppelt so groß wie sie, und sie trug es wie etwas Unhandliches, Zerbrechliches über der Schulter.

»Gut, dann bringst du uns eben nach Hause«, stellte sie fest, während ihre Knie unter dem Gewicht des Bündels einknickten. Sturm wollte ihr helfen, aber sie wehrte ihn mit einer Kopfbewegung ab.

»Nichts für dich. Ich pack’ das auf ein Pferd«, kommandierte sie mit einem Nicken in Richtung Luin, die vorsichtig am Rand der Lichtung stand. Nach dem Kampf mit der Spinne war sie immer noch etwas scheu.

»A-aber das geht nicht, meine Dame. Das geht einfach nicht«, protestierte Sturm. »Sie hat ein Eisen verloren, und ich kann sie nicht beladen.«

Niedergeschlagen setzte das Elfenmädchen das Bündel ab.

»Das heißt, wir müssen zu Fuß nach Silvanost ziehen?«

Sturm schluckte. Obwohl er nicht besonders gebildet war, wußte er ungefähr, wie der Kontinent aufgeteilt war. Silvanost war fünfhundert Meilen Luftlinie entfernt, und eine solche Reise schien unendlich lang und mühsam.

»Aber ich muß nur in den Südlichen Finsterwald«, protestierte er.

Sie schüttelte den Kopf. »Jetzt nicht mehr. Jetzt müssen wir nach Silvanost, damit ich mich Meister Calotte zu Füßen werfen kann.«

Sturm runzelte verständnislos die Stirn.

»Der Zauberer«, erklärte sie trocken. »Wie du dich vielleicht erinnerst, Junge, ist mein Geliebter immer noch eine Spinne.«

Sie standen da und starrten einander an.

»Es… es tut mir leid, Lady«, murmelte Sturm. »Um so mehr, als mein Weg nur bis zum Südlichen Finsterwald führt. Die fernen Grenzen von Silvanost sind, fürchte ich, jenseits meiner… meiner Möglichkeiten. Ich habe keine Zeit. Ich werde vielleicht sogar verfolgt.«

Er hustete und räusperte sich.

»Unsinn«, sagte sie mit kalter, gepreßter Stimme. »Silvanost könnte am anderen Ende der Welt sein, und du müßtest mich trotzdem hinbringen. Das verlangt deine Ehre. Wie sagt ihr noch? Est Sularis oth Mithas’?«

Sturm nickte widerstrebend. »›Die Ehre ist mein Leben.‹ Aber woher weißt du – «

Sie lachte bitter. »Daß du zum Orden gehörst? Wenn es ums Schwert geht, ist keiner so unbesonnen wie ein solamnischer Jüngling. Du kannst in deinen Finsterwald ziehen und dort erledigen, was du mußt, aber ich komme mit. Und hinterher bringst du mich nach Silvanost. So einfach ist das. So verlangen es dein blöder Eid und Maßstab.«

Das ist eine Prüfung, dachte Sturm mit wachsender Angst. Das Elfenmädchen starrte ihn wütend, aber unschuldig an. Schließlich kann der Herr der Wildnis so leicht mit den Jahreszeiten spielen und sie wechseln lassen – warum sollte er keine Verbündeten haben? Fremde, aus dem Elfenvolk und wer weiß was für anderem Volk, die seinen Befehlen willig Folge leisten.

Spielt sie nicht auch Flöte?

Und woher sollte eine Elfe vom solamnischen Eid wissen, den der Maßstab so auslegt, daß Schwachen und Hilflosen geholfen werden muß?

Argwöhnisch schaute er das Mädchen an, das die Augen nicht niederschlug. Sie schien alles andere als schwach und hilflos.

Und doch würde Vertumnus es wissen, würde mich an Eid und Ehre messen, würde mich weiter prüfen…

Er schüttelte den Kopf. Was wußte der Herr der Wildnis schon von Ehre? Was scherte der sich schon darum? Es war lächerlich, solche verqueren Verbindungen zu ziehen und ein grünes Komplott hinter dem Zwischenfall zu sehen.

»Tut mir leid«, begann Sturm.

Und ein tobender Schmerz zuckte durch seine Schulter, gegen den alle früheren Schmerzen nur ein leises Zwicken und Kitzeln gewesen waren.

Das ist der Tod, dachte er wieder, als er vor dem Elfenmädchen in die Knie ging. Es ist mein Zuspätkommen, meine Feigheit, meine Ehrlosigkeit…

Und er dachte nichts mehr. Das Elfenmädchen schüttelte ihn ziemlich unsanft wach.

Benommen sah Sturm zu dem Mädchen hoch, bis ihm alles einfieclass="underline" der Kampf mit der Spinne, der Zorn des Mädchens, ihre Geschichte und ihre Bitte, seine Ablehnung…

Und der Schmerz, der darauf gefolgt war, stechend, zerreißend und weißglühend in seiner verletzten Schulter.

»Na schön«, murmelte er mit trockenem Mund und kratzender Kehle. »Also nach Silvanost. Aber denk dran, erst in den Südlichen Finsterwald.«

Bevor das Mädchen etwas erwidern konnte, war Sturm aufgestanden und hatte sich mit schnellem, geübtem Schwung ihre Sachen auf die Schulter geladen.