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Brabbelnd betrat das Tier die Finsternis und hockte voller Panik im Höhleneingang. Nachdem er endlich sicher war, daß der Platz leer und sicher war, spann sich der verzauberte Prinz ein Netz in der hintersten Ecke und überließ sich zufrieden seinen seltsamen Träumen, in denen Elfentürme und schöne Mädchen Seite an Seite mit Fledermäusen, Schwalben und fliegenden Eichhörnchen standen – zahllose saftige, geflügelte Tiere, die sich in klebrigen Fäden verfingen. Als nächstes trat Luin ein, die warm und tropfend in der Mitte der Höhle stehenblieb, bis auch sie einschlief und die unergründlichen Träume der Pferde träumte.

Mara und Sturm saßen an einem schwelenden Feuer nahe beim Höhleneingang zusammen, denn sie waren zu naß und durchgefroren, um zu schlafen. Sturm hatte seinen Brustpanzer abgelegt, wobei er mehr als einmal vorsichtig zur Spinne sah. Sorgfältig, fast geziert, hatte er seine Stiefel ausgezogen, das Wasser ausgeleert und sie zum Trocknen ans Feuer gestellt. Mara hatte nichts dergleichen getan. Und so, wie sie in ihren nassen Pelzen zitterte, während das dunkle Haar naß an ihrer Stirn klebte, mußte sie sich eine Lungenentzündung holen.

Sie hätte das Naheliegende, Gesunde tun können, nämlich sich abzutrocknen und aus den Pelzen in eine warme Decke zu schlüpfen. Sturms Versprechen, daß er woanders hinsehen würde, ließ sie auch einen Augenblick zögern, bis sie ihm fest in die Augen sah und beschloß, daß sie ihm nicht trauen konnte. Statt dessen hob sie triefend und zitternd ihre Flöte an die Lippen und begann zu spielen. Es war eine ernste, kleine Volksweise von den Que-Shu, dem Volk aus den Ebenen, die Sturm erkannte. Sie verfolgte ihn, denn sie weckte Erinnerungen an seine Jahre am Krystallmirsee, weit im Süden in Abanasinia.

Zusätzlich zu allen anderen Schwierigkeiten bekam er von der Musik nun auch noch Heimweh.

»Für diesen Winter habe ich genug Gepiepe gehört«, schimpfte Sturm mürrisch und streckte seine Hände zum wärmenden Feuer aus. Zwischen nassem Pelz und nassem Pferd und dem Rauch des notdürftig entfachten Feuers entwickelte sich allmählich ein unerträglicher Geruch in der Höhle, und alles – Wetter, Begleitung und Situation gleichermaßen – schien sich gegen ihn verschworen zu haben.

»Genug Gepiepe?« fragte Mara mit durchtriebenem Lächeln, als sie die Flöte absetzte. »Hast du Angst, ich würde dich in noch eine Spinne verwandeln?«

»Mach doch«, meinte Sturm trübsinnig. »Cyren da oben sieht doch ganz glücklich aus in seinem Netz. Oder, wenn du schon flöten mußt, dann flöte die Weise von Chislev, damit wenigstens irgendwo unter uns Harmonie herrscht.«

»Du weißt also etwas über Bardenweisen«, stellte Mara fest. Sie war nicht sonderlich beeindruckt.

»Nicht mehr als das, was alle Solamnier lernen«, antwortete Sturm. »Sieben Weisen aus dem Zeitalter der Träume. Für jeden neutralen Gott eine. Die Philosophen behaupten, daß Musik und der Geist der Menschen so subtil verknüpft sind wie… wie Cyrens Netz da drüben. Gefährliches Zeug allerdings. Die roten Götter sind trügerische Gefolgsleute.«

»Wirklich nicht mehr als das, was alle Solamnier lernen«, schimpfte Mara, und Sturm runzelte die Stirn. »Die roten Weisen sind nicht verräterischer als Tonpfeifenlieder. Sie machen dich zuversichtlich, weil man dir beigebracht hat, glücklich zu sein, wenn du ein flottes Stück in Dur hörst, und nachdenklich bis melancholisch, wenn das Lied langsam und in Moll ist. Mit den weißen Weisen ist das natürlich anders…«

Sie hob die Flöte an die Lippen.

»Die weißen Weisen?« fragte Sturm, und wieder begann Mara, das kleine Lied aus den Ebenen zu spielen, doch diesmal rasten ihre Finger über die Flöte. Obwohl es dieselbe Musik war und das Elfenmädchen sie ebenso langsam und ruhig spielte wie vorher, lag ein anderer Unterton in der Musik, als wenn sie irgendwie plötzlich voller Tiefe und Richtung wäre. Cyrens Netz zitterte und summte antwortend, und der Regen wich vom Höhleneingang zurück. Auf dem nassen Boden vor dem Eingang formte sich ein Regenbogen.

»Hast du das gemacht?« fragte Sturm skeptisch. Dann blieb ihm der Mund offenstehen, als er die Elfe ansah. Denn ihre Haare und Kleider waren trocken, als hätte die Musik sie wie ein heißer, trockener Wind umweht; Mara legte sich jetzt wohlig durchwärmt zurück und nickte beinahe ein.

Mit schweren Augenlidern sah sie Sturm an. Sie sagte nichts. Nur die Fäden des Spinnennetzes summten weiter wie ein Echo auf die verebbte Musik und wiederholten die Melodie noch einmal, bis auch sie zum Schweigen kamen.

»Was glaubst du denn?« fragte sie schließlich mit ferner, hallender Stimme, als wenn sie von irgendwo tief hinten in der Höhle zu Sturm spräche. »Das war die weiße Weise – der kriegerische Kiri-Jolith zusammen mit einer Regenhymne der Que-Shu, die das Wasser von deiner Schwelle treiben soll.«

»Aber ich habe nichts gehört – ich meine nichts, was wirklich anders war als vorher.«

»Wie traurig für dich«, sagte Mara, die die Flöte in den Feuerschein hielt und sie müßig betrachtete. »Wie traurig… und wie eigenartig.«

»Eigenartig?« fragte Sturm. »Wieso eigenartig? Es war doch die gleiche Melodie, oder?«

»Die eine schon«, stimmte Mara zu. »Aber die andere, die weiße, füllt die Pausen der roten, die Pausen zwischen den Noten des Lieds aus den Ebenen. Du hast sie nicht gehört, weil du sie nicht erwartet hast. Manche Leute können sie nicht einmal hören, wenn sie danach lauschen. Sie sind wohl so geboren. Vielleicht bist du einer von denen.«

»Was meinst du damit?« fragte Sturm gereizt. Er hielt sich wirklich nicht für unmusikalisch. Aber an diesem verregneten Nachmittag hatten sich die beiden Melodien genau geglichen, und doch hatte in der zweiten all diese Magie gelegen.

»Was meinst du?« wiederholte er, doch plötzlich war das Mädchen aufgesprungen und stand lauschend da wie ein wildes Tier, wenn etwas Fremdes in sein Revier eindringt.

»Schsch!« hauchte sie. »Hast du das gehört?«

»Was gehört?« fragte Sturm ärgerlich. Wieder und wieder wurden anscheinend seine Sinne in Frage gestellt. Mara gebot ihm mit einer Handbewegung Schweigen, um dann mit dem Dolch in der Hand zum Eingang der Höhle zu schleichen. Hinter ihnen wurde Luin nervös, und Cyren klickte und pfiff irgendwo hinten in der Finsternis.

»Da draußen ist etwas«, flüsterte Mara. »Etwas bewegt sich auf der anderen Seite dieses Abhangs durch das hohe Gras.«

Sie sahen einander unsicher an.

»Zurück, Lady Mara«, befahl Sturm, dessen Zuversicht nicht besonders groß war. »Ich nehme an, das fällt mehr in mein Aufgabengebiet.«

Indem er sein Schwert zog, trat er in den Regen, beeindruckt von seiner eigenen Tapferkeit. Mara sah ihn zweifelnd an, was er jedoch kaum mitbekam. Erst als er schon halb den fraglichen Hang erreicht hatte, merkte er, daß er Helm, Brustpanzer und Schild vergessen hatte.

»So viel zu Feuereifer«, keuchte er, während ihm der Regen in Strömen über das Gesicht lief. »Jetzt gibt es kein Zurück mehr.«

Geduckt umrundete er den Hang in Richtung Süden. Einen Augenblick lang stand er unter einem riesigen, einzelnen blauen Ewigkeitsbaum, und alles um ihn herum war trocken und voller Duft und laut vom Trommeln des Regens auf die Zweige. Dann brach er schnell aus dem Schatten, das Schwert kampfbereit und einen wilden Schlachtruf auf den Lippen.

Keine zwanzig Schritte entfernt lief etwas Dunkles von Baum zu Baum und huschte hinter einen großen, bemoosten Felsen. Sturm wurde nicht langsamer. Weil er den Überraschungsvorteil hatte, rannte er über die Lichtung und überwand den Felsen mit einem einzigen, athletischen Sprung, wobei er die verhüllte Gestalt unter sich umwarf, bevor der Unbekannte seine Waffe erheben, sich ducken oder überhaupt etwas tun konnte.

In einem Gewirr aus Gliedmaßen, Roben und Wasser rutschten und kullerten die beiden den Hügel hinunter und wühlten beim Ringen den durchnäßten Boden auf. Irgendwann bei einem Würgegriff ließ Sturm sein Schwert fallen. Er wollte schreien, doch er landete mit dem Gesicht im Matsch und kam atemlos und spuckend hoch.