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Fast sofort warf der Mann im Umhang Sturm wieder gegen den Felsen. Obwohl Sturm fast blindlings im Matsch nach seinem Schwert, einem Stein oder einem ordentlichen Ast tastete, fand er nichts als eine Handvoll Gras, Kies und Wurzeln, die er mit einem Schrei auf seinen Gegner schleuderte.

Der verhüllte Mann wich geschmeidig aus – die Bewegung eines Tänzers oder eines Akrobaten – und Sturms armseliges Geschoß verfehlte nutzlos sein Ziel. Obwohl er von der Wucht seines Wurfes taumelte und auf dem schlüpfrigen, regendurchtränkten Abhang ins Rutschen kam, gelang es Sturm, sich aufzurichten und erstmals einen näheren Blick auf seinen Gegner zu werfen.

So wie der Mann in seinem von Gras und alten Schlingpflanzen durchzogenen Mantel vor Matsch triefte, sah er aus wie eine Statue, die aus Wald und Nacht bestand. Langsam und ungehalten klopfte er seinen Umhang ab.

Sturm stockte der Atem und seine Augen suchten verzweifelt Felsen, Büsche und Hang nach seinem Schwert ab. Ganz links mitten im plattgewälzten, hohen Gras bemerkte er einen schwachen Metallschimmer.

Der Mann schwieg, und sein Gesicht war von Kapuze und Regen verdeckt, doch seine Bewegungen waren beunruhigend vertraut. Sturm hatte jedoch keine Zeit für Ratespielchen. Schlitternd sprang er den Hang hoch, wobei er mehr als einmal gegen den Felsen prallte, bis er sein Schwert erreichte, einen Augenblick bevor der Mann im Umhang ihn eingeholt hatte. Ein Handschuh legte sich mit festem, kräftigem Griff um sein Handgelenk, und Sturm flog gegen den Felsen. Die Welt blitzte weiß auf, als ihm die Luft wegblieb.

Langsam stand Sturm auf. Er staunte, daß es ihm gelungen war, das Schwert festzuhalten. Schmerzerfüllt hob er es hoch und wartete – getreu der festen Regeln zum Zweikampf aus dem Maßstab –, daß sein Gegner zum Schwert griff. Aber der Gegner stand reglos da, eine dunkle Silhouette im strömenden Regen. Sturm schwang das Schwert über seinem Kopf, aber dennoch tat der Mann nichts.

Dann ertönte wie aus der wassernassen Erde um sie herum der Klang einer Flöte durch die Regenluft.

Während Angst und Ärger um die Vorherrschaft rangen, schrie Sturm wieder: »Bei Paladin, ich fordere dich zum Kampf!«

Er hielt verwirrt inne, denn die Worte waren aus ihm herausgeplatzt, bevor er es sich noch einmal überlegt hatte. Aus Ärger und Angst hatte er beim Höchsten aller Götter geschworen. Eid und Maßstab banden ihn. Es gab kein Zurück.

Widerstrebend, fast als könnte er die Gedanken des Jungen vor sich lesen, zog der Mann mit der Kapuze sein Schwert. Sturms Klinge beschrieb einen schwerfälligen Bogen. Das Schwert des anderen wehrte den Schlag mit schneller, katzenhafter Anmut ab. Wieder griff Sturm seinen Gegner an, diesmal mit einem kräftigen Stoß, doch dieser parierte ihn leicht, fast gedankenlos. Sturm taumelte nach vorn, denn der bodenlose Leichtsinn seiner eigenen Attacke hatte ihn aus dem Gleichgewicht gebracht. Er fiel auf ein Knie und rutschte über den nassen Grund und kam erst wieder auf die Beine, als der Kapuzenmann lauthals lachte.

Wütend fuhr Sturm herum, hob das Schwert über seinen Kopf und ließ es mit einer plötzlichen, blitzschnellen Bewegung heruntersausen. Der andere konnte nur noch sein Schwert erheben. Eisen prallte auf Eisen, und der regennasse Hang hallte von dem Klingen wider.

Beide Männer taumelten zurück, denn beide waren von der Wucht des Schlags überrascht. Schweigend sahen sie einander durch den nachlassenden Regen an. Der Hang war von ihrem verrückten Kampf durchfurcht und zerwühlt.

Der Mann mit der Kapuze rieb sich die Schulter und wechselte das Schwert in die linke Hand. Langsam und selbstsicher deutete er mit der Klinge auf Sturm, der sein eigenes Schwert anstarrte, das geborsten und nutzlos in seiner Hand lag.

Verzweifelt zog Sturm sein Messer, trat zurück und starrte in die glitzernden Augen seines Feindes, der selbstsicher näher kam. Er bereitete sich auf den letzten Schlag vor.

11

Überraschender Besuch

Der Mann mit dem Umhang warf sich sofort voll geschmeidiger Stärke auf ihn. Sturm merkte, wie eine Hand zu seinem Handgelenk glitt und sein Messer mit einem schnellen, gewaltsamen Ruck ins hohe Gras fliegen ließ. Er wehrte sich verzweifelt, aber der Mann war zu stark für ihn. Er drückte ihn mit den Schultern auf den Boden.

Benommen fühlte Sturm das Schwert an seiner Kehle. »Still!« rief der Kapuzenmann. Plötzlich sah er sich aufmerksam und nervös um, als könnte man seine Worte auf der ganzen Ebene, ja, dem ganzen Kontinent hören. Er kam hoch und steckte sein Schwert weg, um dann mit derselben knappen, athletischen Bewegung seine Kapuze herunterzustreifen.

»Du…«, setzte Sturm an, aber vor Überraschung fehlten ihm die Worte.

»Jack Derry, allerdings, Sir!« flüsterte der junge Mann mit entwaffnendem Lächeln. »Ihr kennt mich doch vom Turm? Der Gärtner? Mit der Schubkarre im Hof?«

»J-Ja«, erwiderte Sturm, als Name und Gesicht in seiner Erinnerung zusammenfanden. Hier im trügerischen Mondlicht sah Jack Derry unnatürlich jung aus, sein Gesicht weich und bartlos wie das eines kleinen Jungen. Bei näherem Betrachten waren seine weichen, braunen Augen allerdings von der harten Reise gezeichnet, das schwarze Haar naß und zerzaust und der lederne Brustharnisch rissig und mitgenommen. Die schmückenden, grünen Rosen waren verblichen, aber noch zu erkennen.

Es war wirklich Jack Derry. Aber etwas an ihm war anders – über Wetter und Kleidung hinaus.

»Aber wie… wie bist du… und warum?« stotterte Sturm, dem die Worte fehlten.

»Reden wir lieber an einem trockenen Platz, nicht hier im Regen«, erwiderte Jack sanft. »Wenn Ihr mir so einen Platz zeigt, könnt Ihr fragen, und ich kann antworten.«

Sturms Augen wurden schmal. Das Wasser lief sein verschmiertes Gesicht hinunter. »Woher weiß ich, daß das kein Trick ist?«

»Bei den Sieben!« fluchte Jack Derry, der nach Sturms Arm griff. »Wozu habe ich eben Tricks gebraucht, als meine Klinge an Eurer Kehle lag?«

Das war überzeugend. Jedenfalls überzeugend, falls dieser Jack nichts Schlimmeres vorhatte und nur zu dem Elfenmädchen geführt werden wollte, das Sturm plötzlich kleiner und verwundbarer vorkam als zuvor.

»Nein«, sagte Jack ruhig und brachte sein Gesicht so nah an Sturms, daß der Junge nur noch die scharfen, schwarzen Augen des Gärtners sah und nur noch den durchdringenden Geruch von Wurzeln und feuchter Erde wahrnahm. »Ich führe gegen keinen von euch etwas im Schilde, Sturm Feuerklinge.« Vor lauter Entsetzen hatte Cyren sich in seinem eigenen Netz verstrickt. Hilflos baumelte er hinten in der Höhle an einem einzigen, dicken Faden. Mara war dabei, mit ihrem Messer diesen zappelnden Kokon aus grauer Seide durchzusäbeln, als Sturm und Jack die Höhle betraten, gefolgt von Jacks dickem kleinen Pferd, das sie unterwegs abgeholt hatten.

»Ich brauche deine Hilfe«, drängte Mara mit einem Blick über die Schulter.

Sturm legte sein geborstenes Schwert zur Seite und wollte zu ihr gehen, aber Jack überholte ihn, hockte sich neben Mara und befreite die Spinne mit einer leichten Drehung seines Schwerts. Cyren kletterte in die obersten Fäden seines Netzes, wo er zitternd sitzen blieb.

»Es ist die Spinne in ihm, die… die ihn so erschreckt«, erklärte Mara wenig überzeugend.

»Ich habe mich gewundert, warum mir keiner von euch zu Hilfe gekommen ist«, entgegnete Sturm.

Mara sah erst ihn an, dann Jack. Dann zuckte sie mit den Achseln. »Ich habe gesagt, da draußen wäre noch etwas anderes als Wind und Regen«, sagte sie ungeduldig. »Ich erinnere mich nicht, dir gesagt zu haben, du solltest es angreifen.«

»Aber…«, fing Sturm an. Nach einem Blick von der Elfe zur Spinne, zum Gärtner und wieder zurück setzte er sich einfach auf den Höhlenboden.

»Ganz gleich, was hätte sein können, Meister Sturm«, sagte Jack, der am Feuer kauerte und seine schmutzigen Hände zum Wärmen ausstreckte. »Ihr habt noch andere Fragen, und zwar berechtigte, und ich werde mein Bestes tun, sie jetzt zu beantworten.« Jack war anscheinend Sturms Verfolger gefolgt und hatte bei dieser Verfolgung eine Art Verschwörung entdeckt.