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»So gibt es kaum einen Unterschied zwischen Solamniern und Bediensteten, was, Meister Sturm?«

»Folgt mir«, murmelte Sturm, der zum Flußufer marschierte. Jack schob sich jedoch ohne Umschweife vor ihn.

»Wenn ich so frei sein dürfte, Sir«, schlug er vor, »dann verzichten wir mal auf jedes Protokoll. Laßt doch einen vorgehen, der den Fluß kennt.«

Auge in Auge standen sich die beiden gegenüber. Sie waren exakt gleich groß und gleich schwer. Es war, als würde Sturm in einen umwölkten Spiegel sehen, in dem das Gesicht, das zu ihm zurücksah, ihm in Alter und Haltung glich, obwohl es gewiß nicht seines war.

»Ich schließe mich dem Gärtner an«, meinte Mara. »Ein Fluß ist selbst bei bester Führung noch unberechenbar genug.«

»Ich erinnere mich nicht, dich um deine Meinung gebeten zu haben«, sagte Sturm eisig, der der Elfe nur einen knappen Seitenblick schenkte.

Sturm sah über das Wasser. Es schien wirklich leicht durchquerbar zu sein. Der Fluß war an dieser Stelle nur dreißig Schritt breit, und gewaltige Bäume ragten über die Ufer hinaus – Ewigkeitsbäume natürlich und kahle Platanen und Vallenholzbäume. Die Zweige von einem berührten die eines anderen und formten ein dünnes Geflecht über dem Fluß, fast wie ein Webgerüst oder…

… oder ein Netz.

»Cyren!« rief Sturm begeistert aus. Mara sah ihn verwundert an, aber Jack begriff sofort und trieb die widerstrebende Spinne zu dem breiten Stamm eines der vielversprechendsten Vallenholzbäume.

»Also, Lady Mara«, sagte Jack, dessen dunkle Augen intensiv funkelten. »Seid doch so freundlich und lockt Eure Spinne da über den Fluß und sorgt dafür, daß sie einen Weg für uns alle webt. Ich denke, Ihr könnt vorausgehen, Meister Sturm, wenn Ihr Euch an einem dicken Faden festhalten könnt und es einen klaren Weg durch den Vingaardstrudel gibt.«

»Den Vingaardstrudel?« fragte Sturm. »Ich – ich dachte, das ist östlich von hier.« Er hatte viele Geschichten über den trügerischen, veränderlichen Sog im östlichsten Lauf des Flusses gehört. Ja, sein eigener Urgroßvater war einmal fast von dem Strudel mitgerissen worden, was das ganze Geschlecht der Blitzklinges und Feuerklinges ausradiert hätte. Seine Familie vertrug sich nicht allzugut mit Unterströmungen, und Jacks Gerede von dem Strudel verunsicherte ihn zutiefst.

»In dieser Gegend ist er nicht so schlimm«, erklärte Jack. »Aber ein Fluß ist immer gefährlich. Da ich mich mit dem Strudel und seinen Eigenheiten besser auskenne, sollten wir es vielleicht so machen, wie wir zuerst überlegt haben, daß ich vorgehe.«

»Na schön«, willigte Sturm ein, der dieses ritterliche Angebot auf der Stelle annahm. »Schließlich bist du ja aus Lemisch, Jack…«

»Na, also!« rief Jack aus. Sein freches Grinsen wurde breit, als Cyren auf Maras Drängen hin und nach einem leichten Stups ihres Stiefels von einem Vallenholzbaum auf eine Platane und von dort auf einen Vallenholzbaum kletterte, um dann sicher das andere Ufer zu erreichen. »Du wirst einen guten Ritter abgeben, Sturm Feuerklinge.«

Ein festes, zähes Seil führte von Ufer zu Ufer, und Hand um Hand begannen die drei, den träge fließenden Fluß zu überqueren. An der Stelle, die Jack ausgesucht hatte, war das Wasser wirklich ruhiger als anderswo. Sturm hielt sich mit einer Hand am Seil fest, mit der anderen führte er Luin am Zügel. Mara kam hinter ihm und führte die kleine Eichel sanft und geschickt durch die Wasserfluten. Vor ihnen klammerte sich Jack an und tauchte in den Fluß, kam wieder hoch und prustete vergnügt. Er war geschmeidig wie eine Robbe.

»Nicht mehr weit!« flüsterte er, als sein Kopf aus einem Wirbel auftauchte. Die dunklen Locken hingen ihm triefend über die Stirn. »Das könnt Ihr allen anderen Rittern und all den zukünftigen, kleinen Feuerklinges erzählen – wie Ihr mit Hilfe einer wagemutigen Spinne den Fluß überquert habt!«

In gespielter Überraschung riß Jack die Augen auf. Es war das erste Mal, daß Sturm ihn angelächelt hatte.

»Ja, so was, Meister Feuerklinge!« meinte er laut. »Man sollte meinen, da steckt jemand von Format unter diesen Orden und Maßstäben.«

Grinsend strich sich Sturm die nassen Haare aus dem Gesicht. In diesem Augenblick, als das Wasser des Vingaard ihn umtoste, fand er die Überquerung abenteuerlich und großartig.

Die Strömung war so laut, daß keiner von ihnen – nicht einmal die Pferde – hörte, wie sich die Räuber näherten. Der erste Pfeil fiel, als Jack die Mitte des Stroms überwunden hatte.

12

Nicht weit vom Stamm

Es war ein merkwürdig zusammengewürfelter Haufen, der sie angriff.

Menschen und Hobgoblins, die sich im Unterholz zusammengedrängt hatten, maskiert und unmaskiert, in Kettenhemd, Lederrüstung, Lederpanzer oder ganz ohne Rüstung. Mit wildem Geschrei schossen sie Pfeil um Pfeil auf die unglücklichen Wanderer ab. Zu deren Glück waren die Angreifer jedoch nicht gerade die besten Schützen. Die meisten Pfeile flogen harmlos über ihre Köpfe, obwohl einer mit einem scharfen Aufprall Luins Sattel traf, was die arme Stute jedoch mehr erschreckte als verletzte. Doch nachdem die Banditen sich eingeschossen hatten, kamen die Pfeile allmählich näher.

Jack sah ruhig, aber fest zu Sturm zurück. Er zwinkerte, und seine schwarzen Augen nahmen die Umgebung in sich auf – die überhängenden Zweige, das knappe Dutzend Feinde, das sie am Ufer erwartete.

»Könnt Ihr es mit ihnen aufnehmen, Sturm Feuerklinge?« flüsterte Jack mit dem Rascheln von Eichenblättern in der Stimme, als er seine tropfende, blinkende Schwertklinge aus dem Wasser zog.

»Ich – ich habe keine Waffe, Jack«, sagte Sturm. Augenblicklich bereute er seine Worte. Seine Stimme klang schrill und dünn und fast zitternd neben dem Gebrüll der Banditen und dem nahen Zischen der vorbeifliegenden Pfeile.

»Unsinn!« rief Jack lächelnd aus. »Folgt mir, dann bewaffne ich Euch im Handumdrehen!«

Bevor Sturm etwas sagen konnte, zog sich Jack auf den Strang hoch. Wie ein Seiltänzer rannte er durch den Pfeilregen über das Seil, sprang am anderen Ufer hinunter und erledigte dort mit einem raschen, wirbelnden Schwertschlag einen Hobgoblin, der auf die Erde sank und das rote Ufer mit einem Strom glänzend schwarzem Blut überzog.

Gemächlich hob Jack das Schwert des Monsters auf und warf es zu Sturm hinüber, der seine Hand danach ausstreckte, die Augen schloß und ein Stoßgebet zu Paladin schickte, daß er das Heft erwischen würde und nicht die Klinge. Das kalte, beruhigende Gefühl von rundem Metall in seiner Hand verriet ihm, daß seine Gebete erhört worden waren, und mit seinem tapfersten Schlachtruf zog er sich an dem Strang durchs Wasser, bis seine Füße festen Grund berührten und er das Ufer hochrennen konnte, um seinem Kameraden zu helfen.

Schnaufend und schreiend und mit einer Spur aus Matsch und Wasser hinter sich, kletterte Sturm aufs Trockene und fuhr mit dem schweren Hobgoblinschwert in der Hand herum. Fünf Räuber hatten sich auf Jack gestürzt, während Sturm noch auf dem Weg zum Ufer gewesen war. Doch Jack Derry bewegte sich so schnell und gekonnt. Er schien mit den fünf leicht fertigzuwerden, aber schon brachen drei andere aus den Büschen, zwei dicke Hobgoblins und ein schlaksiger Mann mit einer langen Narbe an der Lippe.

Sturm stellte sich dem häßlichen Dreigespann. Ihre Bewegungen waren langsam und unsicher, eher das Getue von Kneipenschlägern als das zielgerichtete Verhalten von Soldaten. Das sollte doch leicht sein, dachte der Junge. Nachdem er sein Schwert zum ehrwürdigen solamnischen Gruß erhoben hatte, trat er in den Kampf ein.

Sehr schnell entwickelte er einen gesunden Respekt vor den Kneipenschlägern. Die Hobgoblins waren dick und stark und überraschend schnell, aber noch bedrohlicher war Narbenlippe, der magere Bandit, der im Hintergrund blieb, seinen Wurfdolch bereithielt und auf die leiseste Blöße wartete. Sturm wünschte sich den Schild seiner Vorfahren, als er nach links tänzelte, um die Hobgoblins zwischen sich und dem großen, mörderischen Mann zu halten.