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»Glaubst du, Fürst Bonifaz… wartet noch im Wald, Jack?«

Jack zuckte mit den Achseln und beugte sich auf der zähen, kleinen Eichel tief hinunter. »Wohl nicht«, sagte er. »Bonifaz ist wieder auf dem Weg nach Solamnia. Wenn er gesehen hat, daß du nach Dun Ringberg gebracht wurdest, amüsiert er sich auf dem Heimweg mit grausigen Vorstellungen, was ein Haufen Druiden wohl mit einem solamnischen Gefangenen anstellen mag.«

»Und was hätten sie getan, Jack?« fragte Sturm.

Jack schnaubte. »Vielleicht gar nichts. Außer wenn der Orden sie bezahlt hat.«

»Der Orden! Sie bezahlt?«

Jack Derry warf Sturm über die Schulter ein kurzes, ironisches Lächeln zu.

»Ich habe zufällig die Sachen der toten Räuber untersucht«, erklärte er. »Nach Hinweisen sozusagen, wo sie herkamen und wer sie geschickt hat.«

»Und?«

»Jeder von ihnen trug solamnisches Geld bei sich.«Der Finsterwald schien sich für sie zu öffnen. Hintereinander ritten sie den schmalen Pfad nördlich des Dorfs entlang. Als sie einige Schritte in den Wald eingedrungen waren, schienen die Lichter im Dorf plötzlich alle zu verlöschen; dichtes Blattwerk umschloß die Wanderer.

Sturm zog sofort das Schwert. Die frisch geschmiedete Klinge fing den letzten, weißen Strahl Mondlicht auf, als Solinari hinter ihm in dichtes Föhrendickicht tauchte. Für den Bruchteil eines Augenblicks schien auf der Klinge ein Gesicht aufzutauchen – nicht sein eigenes, aber dennoch ein vertrautes, als hätte jemand durch seine Augen gesehen und wäre plötzlich und unerwartet im Spiegelbild sichtbar geworden. Sturm schüttelte den Kopf und steckte das Schwert wieder zurück.

Jack ritt mit einer abgeblendeten Laterne in der Hand vorn auf Eichel. Aus den Bäumen vor ihnen schien eine langsame, getragene Musik aufzusteigen, und somit trieb der Gärtner sein Pferdchen zuversichtlich voran. Es trabte so sicher drauflos, als wäre es den Pfad schon unzählige Male gegangen. Sturm mußte sich Mühe geben, mit Jack Schritt zu halten. Luin trat immer noch vorsichtig auf und hatte auch noch das zusätzliche Gewicht von Mara zu tragen. Immer wieder hielt Jack vor ihnen an, um das Licht hochzuhalten. Sie folgten ihm durch die grüne Finsternis und die süß duftende, weiche Luft.

Der Wald war still und erwartungsvoll. Hin und wieder rief ein Vogel, dem ein anderer antwortete, doch das Land um die Wanderer schwieg. Selbst die ersten Frühlingsinsekten waren noch still.

»Jack«, flüsterte Sturm. Der Gärtner zügelte sein Pferd, damit Sturm neben ihm aufschließen konnte. »Woher kennst du eigentlich – «

Etwas raschelte und knackte im Unterholz. Eine braune Taube flatterte mit einem leisen, schleppenden Schreckenslaut auf. Im gleichen Moment griffen beide Männer zum Schwert, denn so plötzlich, als wäre er einer der Bäume gewesen, stand ein grüner Ritter vor ihnen auf dem Pfad.

»Vertumnus«, hauchte Sturm.

»Kaum«, zischte Jack Derry. »Und wenn du schlau genug bist, machst du einen weiten Bogen um den.«

Der riesige Ritter rührte sich nicht. Ein Visier aus hell getupftem Efeu verdeckte sein Gesicht, und sein Kettenhemd war nicht aus Ketten, sondern aus dicken, grünen Schlingpflanzen. Sein Schild war so groß wie die Heuluke einer Scheune und sah mit ihren dicken, zusammengezimmerten Eichenbrettern auch genauso aus.

Doch es war die Waffe, die die jungen Männer genauer hinsehen ließ. Eine Keule, so lang wie Sturms Bein, lag auf der Schulter des großen Kerls. Wenn der Schild noch grob gemacht war, wirkte die Keule wie frisch aus dem Wald, ein Stamm, dem man noch ansah, wo er gefällt worden war; die kleineren Zweige waren zurechtgestutzt und zu bösartigen Dornen gespitzt worden.

»Ich glaube, es gibt einen besseren Weg in diesen Wald«, schlug Jack vor, der Eichel mit einem heftigen Ruck wendete, um danach zu suchen. Nach einem Schubs von Mara folgte ihm Sturm, der noch einen letzten Blick auf den Ritter warf, der sich nicht von seinem Posten auf dem Pfad weggerührt hatte.

»Das gefällt mir nicht«, murmelte Sturm. »Dieser Kerl vor uns… und die Herausforderung ablehnen… also, nach dem Maßstab muß ein Ritter die Forderung zum Zweikampf annehmen – «

»Um die Ehre des Ordens zu verteidigen«, unterbrach die Elfe, die ihre Arme so fest um Sturms Bauch legte, daß ihm einen Moment der Atem wegblieb. »Das wissen wir inzwischen alle, Sturm. Wir wissen, was der Maßstab zu allem sagt, von der Grammatik über die Tischmanieren bis zur Etikette des Schaukampfes. Du hast den Orden jetzt gegen Geister und unschuldige Spinnen und Banditen verteidigt, und ich habe noch keinerlei Verleumdungen über die Solamnier gehört.«

»Was war das?« fragte Sturm. Jack drehte sich zu ihm um, doch sein Gesicht lag im Schatten der Blätter.

»Ein Baumhirte, Sturm – eine alte Riesenrasse, älter als der älteste Vallenholzbaum im Wald, älter als die Zeit. Es heißt, sie waren schon hier, als Huma noch in der Wiege lag. Sie beschützen den Wald, hüten sein Wachsen und seine Geheimnisse. Es gibt Dinge in diesem Wald, die jenseits deiner oder auch meiner Vorstellung liegen.«

»Woher weißt du das alles, Jack Derry?« fragte Sturm.

Jack antwortete nicht, sondern zeigte auf einen tiefhängenden Vallenholzzweig. Pflichtschuldig duckte sich Sturm, wobei er heimlich hoffte, daß Mara so mit ihren Kommentaren beschäftigt sein würde, daß sie aus dem Sattel gefegt würde. Aber sie wich geschickt aus und schwatzte weiter über Beleidigungen und Ritterlichkeit und Eid und Maßstab.

»Und auch von dem Mann hinter uns habe ich nichts Schlechtes über deinen kostbaren Orden gehört«, sagte sie. »Du nimmst Anstoß, wo es keinen Grund gibt, und siehst Herausforderungen im Wind und im Regen.«

Ihr Griff wurde lockerer, und sie verfiel wieder in Schweigen. Aber sie konnte ein letztes Wort nicht lassen. Sie griff hoch, zog Sturms Kopf am Ohr zu sich herunter und flüsterte:

»Deine größte Gefahr ist immer bei dir.«Jack Derry ritt um dichte Dornenranken herum, bis er einen Durchgang fand, und führte die Gruppe auf einen neuen Pfad. Inzwischen brach im Wald der Morgen an, und einzelne Sonnenstrahlen erhellten die Schatten und machten das blasse, vielfarbige Grün des Waldbodens sichtbar. Sie fanden einen kleinen Teich, an dem sie abstiegen, um die Pferde zu tränken.

Mara gab schläfrig auf Cyren acht, der in einer etwas entfernten Erle angefangen hatte, sich ein Netz zu spinnen. Seit sie Dun Ringberg verlassen hatte, hatte die Spinne sicherer, ja, fast mutig gewirkt. Sie schlich nicht mehr halb versteckt von Blatt und Zweig hinter den dreien her, sondern lief wacker neben Luin, wobei sie glücklich und geheimnisvoll vor sich hin knurrte.

Irgendwo im Westen hörten sie in der Ferne Hunde bellen.

Sturm kniete sich neben Jack Derry, und die zwei beugten sich über das Wasser und tranken durstig. Plötzlich sah Sturm ihr Spiegelbild, wie sie Seite an Seite von einem Blätterdach umrahmt wurden.

Wieder sah er eine verblüffende Ähnlichkeit, warf aber schnell einen Stein in den Teich.

Jack sah ihn an. Ihm tropfte noch das Wasser vom Kinn. Mit fröhlichem, offenem Blick sah er Sturm an, und wieder machte sich dieses geheimnisvolle Lächeln auf seinem Gesicht breit.

»Das Hundegebell kommt von einer Jagd, die von der Nähe her von Dun Ringberg ausgehen müßte. Ich nehme an, die alte Ragnell hat jetzt Wind davon bekommen, daß du fort bist, und soweit ich sie kenne, läßt sie nach dir suchen.«

»Was können wir machen, Jack?« fragte Sturm. Alle solamnische Großspurigkeit war aus seiner Stimme gewichen.

Jack sah ihn nachdenklich an. Er nickte.

»Ich nehme an, ich kann… mich ein bißchen um den Westrand kümmern, Sturm Feuerklinge«, sagte er geheimnisvoll. »Ich kann unsere Spuren mit Zweigen verwischen und mit Rosenwasser und Schnaps die Fährte verdecken. Damit kann ich eine Stunde gewinnen. Vielleicht zwei Stunden oder sogar bis zum Mittag, ehe die Hunde deine Witterung wieder aufnehmen.«