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Vertumnus sah grimmig aus, und Jack Derry lachte über die dramatische Mimik seines Vaters.

»Meine Liebe und meinen Einfallsreichtum«, schloß der grüne Mann leise, dessen Augen auf Mara ruhten. »Denn an der Vingaardfurt ist ein Hinterhalt vorbereitet. Ich muß den Jungen in dieser alten Blutfehde beschützen, damit nicht die Taten seines Vaters auf den Schultern des Sohnes lasten. Und dafür brauche ich die Begleitung einer zweiten Flöte, einer zweiten Melodie.«

Mara verbeugte sich nervös. »Es wäre mir eine Ehre, Euch zu helfen, Sir. Und eine Ehre«, fügte sie rasch hinzu, »Sturm Feuerklinge zu helfen.«

Vertumnus lächelte glücklich. Das war die bestmögliche Antwort. Und er erklärte der Elfe kurz das seltsame Duett. Sie sollte ein altes Winterlied der Qualinesti spielen und die stille Musik der zehnten Weise einflechten, der von Mather – eine nachdenkliche Meditationsmusik, denn nur ein entschlossener, zielstrebiger Geist konnte hervorbringen, was der Herr der Wildnis sich ausgedacht hatte.

Er nämlich würde ein Lied von der Eismauer spielen, das die wilden Thanoi sangen, und dahinter würde er die berauschenden, schwierigen Griffe der vierzehnten und höchsten Weise setzen – der Weise des Paladins und der Veränderungen. Und wenn dann vier Melodien von den beiden Flöten und den beiden Spielern aufsteigen würden…

Dann würde sich etwas ändern, und der Winter würde in die Solamnische Ebene zurückkehren.

Vertumnus lächelte. Er konnte warten.

22

An der Vingaardfurt

Ursprünglich waren sie nur zu dritt gewesen, doch inzwischen waren es elf, die am Ufer des Vingaard um ein Feuer hockten, nachdem die Solamnier ihnen versichert hatten, daß der Junge bald vorbeikommen würde. Eine Überzahl war immer sicherer. Sturm würde allein sein. Tivok, der Anführer der Bande, hüllte sich der Kälte der Frühlingsnacht wegen tiefer in seinen Mantel. Die anderen acht mit den blauen Schuppen und den zuckenden Schwänzen hatten sich ihnen ohne Vorwarnung angeschlossen. Er hatte den Mord mit nur zwei angeheuerten Räubern durchführen wollen und hatte sich ursprünglich einen schlauen Plan zurechtgelegt, der dafür sorgen sollte, daß seine Untergebenen das Kämpfen erledigten.

Dann hatten ihn die acht überrascht, die nach einer dreitägigen Reise aus südlicheren Gefilden ins Lager marschiert waren, und plötzlich waren alle Pläne umgeworfen.

Aber so war es eben heutzutage: Es gab mehr von seiner Art – den Drakoniern, die mit Hilfe einer dunklen, namenlosen Macht aus Dracheneiern geschlüpft waren –, mehr, als Tivok sich je hatte vorstellen können, und er hatte Gerede gehört, daß sogar noch größere Horden – dabei Zauberer und Gestaltwandler – aus den Brutstätten in der Eismauer nach Norden wanderten.

Belassen wir es dabei, dachte der Anführer der Assassinen, während er seine lidlosen Augen dem bewölkten Himmel zuwandte. Keiner von ihnen braucht zu wissen, wieviel Gold der Solamnier mir gegeben hat. Zehn Schwerter werden die Aufgabe mit Sicherheit erledigen, während zwei… riskanter gewesen wären. Ich bleibe auf diesem Hügel und beobachte die Furt bis zur zehnten Nacht nach dem ersten Frühlingstag, wie es der Solamnier gesagt hat.

Und ich überwache sie. Ja, ich überwache sie.

Und die Beute, wenn der Bursche kommt? Ich behalte meine Hälfte und teile den Rest durch zehn statt durch zwei.

Er lachte in sich hinein angesichts dieser gerissenen Vorgehensweise, und sein Gelächter klang, als würde der Wind über trockene Blätter streichen. Wenn nur diese verfluchte Kälte vorbeigehen würde, wenn nur der Frühling endlich käme, wie es die Sterne und der Kalender verkündeten…Die Solamnier hatten gesagt, daß das Opfer – wenn es überhaupt kam – innerhalb von zehn Tagen nach der Tag- und Nachtgleiche kommen würde. Er würde eine alte solamnische Rüstung tragen, die mehr Schmuck als Schutz war. Auf seinem Brustharnisch würden sie ein altes Familienwappen sehen: rotes Schwert vor gelber Sonne.

Der Junge würde müde sein, hatten sie gesagt. Vielleicht niedergeschlagen, auf jeden Fall verwundbar.

Die Assassinen hatten bereits drei unglückliche Reisende getötet, die zumindest teilweise der Beschreibung entsprochen hatten oder zu ihrem Pech einfach allein an die Vingaardfurt gekommen waren. Die Mörder waren hinter einem dicken Wacholderbusch hervorgestürmt und hatten den ersten vom Pferd gezerrt. Da war es wärmer gewesen und die Aufgabe eine leichte.

Er war unauffällig gewesen, dieser erste, dem Tode geweihte Reisende. Ein dünner, zahnlückiger Junge aus dem Südosten, der seine letzten Worte auf lemisch sagte, bevor die Schwerter mit den Sägezähnen in seinen Leib eindrangen.

Der zweite war älter gewesen, auch wenn seine Haltung und seine Bewegungen von weitem frisch und kräftig und richtig jung gewirkt hatten. Tivok hatte den vieren, die oben am Fluß an dem frischen Damm warteten, ein Zeichen gegeben, falls der Wanderer dem ersten Hinterhalt wider Erwarten doch entkommen würde.

Die sechs übrigen Söldner mußten sich sehr anstrengen, um den alten Schurken zu überwältigen, der sich bis zuletzt heftig wehrte und dabei zwei von ihnen verletzte. Tivok stellte die Verwundeten am Damm auf und ersetzte sie durch ausgeruhte Kämpfer.

Von seinem Aussichtspunkt konnte Tivok nicht erkennen, daß der dritte Reisende eine Frau war, besonders da sie angesichts der rasch fallenden Temperaturen dick eingepackt war. Auch sie hatte tapfer gekämpft und war vom Wetter begünstigt gewesen. Einer der Assassinen war sogar einem kräftigen Stoß ihres Schwerts zum Opfer gefallen, doch als er zu Stein wurde, wie das bei seiner Art so war, blieb die Klinge in ihm stecken, und ihr fester Griff um die Waffe riß sie vom Pferd.

Die anderen fünf hatten sie wie riesige Aasfliegen mit dunklen, zuckenden Flügeln umschwirrt.

»Wie lange sollen wir noch bei solchem Wetter unsere Zeit verschwenden?« fragte einer von ihnen Tivok, als sie den Körper des Mädchens in einem flachen Grab am Flußufer begruben.

»Noch eine Zeitlang«, zischte Tivok, der die Kapuze zurückschlug, um seine abfallende Stirn mit dem Zackenkamm und den kupferroten Schuppen zu zeigen. »Noch eine Zeitlang.« Er legte seine Schulter an ihren toten Kameraden und stieß die große Steinfigur um, damit der tote Assassine für alle, die sich näherten, wie ein Findling oder eine unschuldige, braune Felsnase aussehen würde.

»Nimm es als… Übung, Nashif«, schlug Tivok mit unterschwelliger Warnung in der Stimme dem Fragesteller vor. »Nimm es als Manöver.«

Nashif konnte dem nichts entgegensetzen. Schweigend schlüpften die fünf Assassinen in die Schatten zwischen den immergrünen Bäumen. Zwei von ihnen blieben kurz stehen, um ihre Klingen abzulecken.

Sturm war knapp zwei Meilen vor der Furt, als sie das Mädchen begruben. Er ritt die ausgeruhte, aber merkwürdig unruhige Luin und hatte sich gegen den überraschend zurückgekehrten Winter tief in seinen Mantel gehüllt.

Er war bereits dabei, seine letzte Begegnung mit dem Herrn der Wildnis zu vergessen.

Er hatte sich nicht mehr lange in Dun Ringberg aufgehalten. Zwar war er noch einmal durch die überwucherten Ruinen gelaufen und hatte sich nach Spuren von Ragnell, Mara, Jack Derry oder Vertumnus selbst umgesehen, doch der Ort war menschenleer und das Dickicht so dicht, daß er hätte schwören können, das Dorf wäre schon siebzig Jahre verlassen, nicht erst sieben Tage.

Daß er Mara verloren hatte, machte ihm am meisten zu schaffen. Irgendwie schien es gegen den Maßstab zu sein, sie zurückzulassen, ohne zu wissen, was mit ihr geschehen war. Und doch hatte er in seinen seltsamen, heilenden Träumen geglaubt, er hätte ihr Gesicht gesehen. Hatte sie sich nicht während seiner fiebrigen, wachen Momente zwischen den Dorfbewohnern aufgehalten?

Irgend etwas sagte ihm, daß Mara sicher war, daß für sie gesorgt wurde, obwohl er sich fragte, ob er dieses Gefühl auch gehabt hätte, wäre er nicht müde und auf den Aufbruch versessen gewesen.