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»Und die Antwort?« hakte Sturm nach.

»Ich glaube, die hat er dir gegeben«, erwiderte Fürst Alfred. »Am ersten Frühlingstag mußt du – und zwar du allein – ihn in seiner Burg im Südlichen Finsterwald aufsuchen. Dort werdet ihr beiden die Sache wohl ausfechten, wie es der grüne Mann gesagt hat: ›Schwert gegen Schwert, Ritter gegen Ritter, Mann gegen Mann.‹ Es steht klar geschrieben, daß der Maßstab des Schwertes darin liegt, ›die Forderung zum Kampf um die Ehre der Ritterschaft anzunehmen.‹«

Sturm schluckte hörbar und schob seine kalten Hände unter seinen Umhang. Die Ritter betrachteten ihn ernst, weil sie nicht wußten, ob in Fürst Alfreds Erklärungen nicht ein Todesurteil mitschwang.

»Eines ist sicher, Bursche«, sagte Bonifaz. »Du bist zum Duell gefordert worden.«

»Und ich nehme an, Fürst Bonifaz«, sagte Sturm tapfer. Er stand auf, doch seine Knie waren weich. Rasch stützte ihn Fürst Gunthar mit starker Hand.

»Aber du bist kein Ritter, Sturm«, sagte Fürst Stephan. »Jedenfalls noch nicht. Und obwohl du für Eid und Maßstab geboren bist, bist du vielleicht nicht an sie gebunden.«

»Und doch«, beharrte Fürst Bonifaz leise, »bist du ein Feuerklinge.« Er beugte sich zu Sturm vor und bohrte sich mit seinen blauen Augen prüfend in dessen Herz.

Sturm setzte sich wieder und sank in sich zusammen. Er legte die Hände vors Gesicht. Wieder erinnerte er sich an das seltsame Bankett, doch die Erinnerungsfetzen waren verwischt und unklar. Vertumnus’ Gesicht verschwamm, als er versuchte, sich daran zu erinnern, genau wie die Melodien, die fremden Lieder, von denen Sturm noch vor einer Stunde gedacht hatte, daß er sie nie wieder vergessen würde.

Was daran war eindeutig? Deutlich erinnerte er sich nur an die Forderung. Diese Forderung war eindeutig – so eindeutig wie der Eid und der Maßstab, der einen Ritter verpflichtete, solche Forderungen anzunehmen.

»Fürst Stephan hat recht, wenn er sagt, daß ich noch nicht zum Orden gehöre«, fing Sturm an, dessen Blick an den Bücherregalen hinter den Rittern klebte. Die Bücher schienen im Dämmerlicht spöttisch in grünen Einbänden herumzutanzen. »Und doch bin ich durch meine Herkunft an den Eid gebunden. Es ist… es ist fast so, als ob er mir wirklich im Blut liegen würde. Und wenn das so ist – wenn es etwas ist, was mich mit meinem Vater verbindet, wie Vertumnus gesagt hat, oder wie ich glaube, daß er es gesagt hat, dann möchte ich den Maßstab befolgen.«

Alfred nickte, wobei die Andeutung eines Lächelns seine Mundwinkel umspielte. Gunthar und Stephan waren ernst und still, doch Fürst Bonifaz Kronenhüter sah zur Seite.

Sturm räusperte sich. »Ich nehme an, Dinge wie Regeln und Schwüre sind… um so stärker, wenn man eine Wahl hat, aber man befolgt sie, weil… weil…«

Er wußte nicht genau weshalb. Er stand wieder auf, doch da schlüpfte Fürst Alfred aus dem Raum, um sogleich mit dem berühmten Schwert Gabbatha wiederzukehren, das einstmals den Gürtel von Vinas Solamnus geziert haben sollte. Es war das Richtschwert, ein schimmerndes, doppelschneidiges Breitschwert, dessen Heft sorgfältig zu einem Eisvogel geschnitzt war. Und so legte Sturm vor den mächtigsten Rittern des Ordens seine Hand auf Gabbatha und schwor einen bindenden Eid, daß er die Forderung des Herrn der Wildnis, jenes des Druiden oder Zauberers oder abtrünnigen Ritters, annehmen würde.

Als die Worte gesprochen und der Eid besiegelt war, marschierte Fürst Stephan, der jetzt nachdenklich und abwesend wirkte, auf der Stelle hinaus und murmelte dabei etwas über unmögliche Widrigkeiten. Als der alte Ritter die Tür öffnete, hörte man draußen den Widerhall der Äxte, die Holz zerhackten.

Sturm trat von einem Fuß auf den anderen, während er zu den älteren Männern aufsah und Ratschläge, Anweisungen oder Befehle erwartete.

»Na gut«, stieß Fürst Alfred aus. »Na… gut.« Es war, als hätte er etwas verloren.

»Du brichst in den nächsten vierzehn Tagen auf, Sturm«, drängte Fürst Bonifaz. »Ein rascher Aufbruch gewährt dir… Zeit für die Reise durch ein Land, welches du nicht kennst. Wenn wir dem Herrn der Wildnis Glauben schenken sollen, ist Pünktlichkeit bei dieser Forderung höchst wichtig.«

»Ich weiß«, sagte Sturm schlicht. »›Zur rechten Zeit am rechten Ort.‹«

»Aber du solltest dich erst vorbereiten, Sturm«, drängte Gunthar etwas lahm.

»Das ist wahr«, pflichtete Alfred ihm eifrig bei. »Such dir in den Ställen ein Pferd aus – und zwar ein anständiges Pferd. Du bist schließlich ein Sohn des Ordens, und wir werden unser Bestes tun, um dich auszurüsten und vorzubereiten, damit du im Frühling in den Südlichen Finsterwald aufbrechen kannst.«

Sturm nickte. So blieben von dem Abend nur halbherzige Versprechen. Es war, als wüßten die Ritter das, als wüßten sie, daß etwas noch Dunkleres hinter den Versprechen lauerte.

Der Junge war schließlich verwundet worden. Jedenfalls behauptete er das, und die scharfen Augen des alten Stephan Peres hatten es bezeugt. Und im Frühling, hatte der Herr der Wildnis gedroht, würde die Wunde aufbrechen.

Die ganze Sache war ein grimmiges, unkalkulierbares Geheimnis.

Gunthar ging an eins der Regale und blätterte in einem Buch, während Alfred aufzählte, welche Ausrüstung Sturm brauchen würde, wo er sie bekommen würde und wieviel der Orden ihm davon in welcher Qualität zur Verfügung stellen würde. Sturm nickte die ganze Zeit nur und dankte dem Hofrichter, doch seine Gedanken waren anderswo.

So ließen sie ihn immer noch nickend und nachdenkend in der Bibliothek stehen, von der gesammelten Geschichte Solamnias umgeben. Fürst Bonifaz ging als letzter hinaus.

»Ich bin stolz auf dich, Bursche«, sagte er, woraufhin er sich rasch abwandte.

»Danke«, hauchte Sturm zurück. Die Tür fiel hinter allen zu, und er blieb mit seiner Angst und seinen Gedanken allein.

»Wie kämpft man gegen ein Geheimnis?« fragte Sturm laut. »Wie kann man ihm auch nur folgen?« Er drehte sich um und blickte durch die dunklen, bemalten Glasfenster nach draußen.

Dort kroch die Dämmerung herauf, eine Vorahnung des Sonnenaufgangs im Osten, der aufgrund der abschirmenden Berge, der hohen Mauern und der einfachen Tatsache, daß das Fenster nach Westen ging, nicht zu sehen war. Hinter dem Gelb der Harfe und der weißen Scheibe von Solinari in der Ecke des Fensters konnte der Junge deutlich einen zitternden Schatten sehen. Es war ein Stechpalmenzweig, der draußen vor der Mauer wuchs und im Wind des Wintermorgens schwankte.

3

Wirtshäuser und alte Geschichten

Die Zwillinge hatten ihn gewarnt, damals, in jener Herbstnacht im Wirtshaus »Zur letzten Bleibe«, in der Woche, bevor er Luin gesattelt hatte und von Solace aus in den wenig einladenden Norden aufgebrochen war.

Es war ein Abend des Abschieds gewesen, an dem die drei bei kaltem Tee und flackernden Kerzen an dem langen Tisch neben dem Stamm des riesigen Vallenholzbaumes gesessen hatten, der durch den Boden des Gasthauses wuchs. Otik, der Wirt, räumte geschäftig wie immer die letzten Gläser und Teller ab, während die drei Freunde gedankenverloren tranken und einander im verlöschenden Licht über den Tisch hinweg anstarrten.

Sturm fühlte sich in seinem grauen Trauerrock fehl am Platze, besonders bei seinen alten Freunden. Er fragte sich, ob das ein Teil des Verlusts war – wenn man nach sechs einsamen Fastenmonaten in Grau alles leid war und sich danach sehnte, die Roben abzustreifen und andere Dinge zu beginnen. Es gab Zeiten, in denen er seine Mutter immer noch schmerzhaft vermißte, aber das Gesicht von Ilys Feuerklinge verblaßte bereits in seiner Erinnerung.

Aber an die Geschichte, die sie ihm erzählt hatte, erinnerte er sich bis in die kleinsten Einzelheiten. Auf ihrem Totenbett hatte sie ihm alles erzählt, bevor sie in Fieberträumen und Bewußtlosigkeit versank, und deshalb würde er Solace verlassen.