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Denn die Ritter hatten Bonifaz feierlich zum Klang der Flöte abgeführt. Zum Jahreswechsel wurde ein Galgen im Hof aufgestellt, und nur wenige, die nicht im Ratssaal gewesen waren, wußten, daß Bonifaz Kronenhüter von Nebelhafen dort am ersten Frühlingstag gehenkt werden würde. Wenige wußten es, doch seine Aussage vor dem Orden sprach eindeutig gegen ihn, so daß er schließlich trotzig in seiner glänzenden Rüstung von Solamnia die Stufen zum Galgen hinaufstieg.

Aber soweit war es in dieser Julnacht noch nicht, als Vertumnus eine Stunde, nachdem die Wachen Bonifaz abgeführt hatten, noch bei den Rittern herumsaß. Nachdem er Dryaden, Zentauren, Druidin und Bär fortgeschickt hatte, spielte der Herr der Wildnis seine Flöte ein letztes Mal vor der Ritterschaft. Es war eine kurze, traurige Serenade, bei der alle Ritter und Knappen und Pagen und Diener sitzen blieben und gebannt lauschten, während der Herr der Wildnis sie mit seiner Melodie tröstete.

Und aus jener Nacht gibt es einen Bericht über das, was danach geschehen war. Angeblich begann Vertumnus plötzlich mit einer Melodie, die so alt war, daß neue Bäume, von denen man seit dem Zeitalter der Träume nichts mehr gehört hatte, die man nur aus den Liedern der Barden kannte, aus dem Boden des Saals wuchsen, und die Ritter erkannten sie, ohne fragen zu müssen, einfach durch einen eigenartigen, wilden Impuls in der Musik.

Plötzlich erkannte Gunthar die Tonfolge und fing an zu singen.

»Aus dem Dorfe«, sang Gunthar, und gleich fiel Fürst Alfred neben ihm ein, so daß ihre Stimmen ein unmusikalisches, aber kraftvolles Duett ergaben:

»… aus den armen, bedrängten Landen, aus Grab und Acker, Acker und Grab, wo erstmals sein Schwert die letzten, grausamen Schwünge der Kindheit beschrieb, und er erkannte den endlosen Rückzug der Lande, wie ein Leuchtfeuer strahlte er, stets vom gleitenden Flug des Eisvogels beschirmt…«

Einer nach dem anderen stimmten die Ritter mit ein, und das Lied erhob sich wie immer, doch diesmal mehr als Musik denn als Sprechgesang, diesmal mit dem Segen und der Führung einer Melodie, die nicht aus dem Orden kam, einer Weise jenseits von Eid und Maßstab.

Nur wenige Ritter blickten zu Humas Stuhl, aber drei Pagen, die ehrfürchtig auf den heiligen leeren Platz starrten, sahen einen geisterhaften Helm und Brustharnisch, ein rot-silbernes Schimmern am Ehrenplatz sitzen, als ob die zwei Monde sich vereinigt hätten, um die Geschichte fortzuschreiben.

Keiner der älteren Ritter sah die Erscheinung.

Auch nicht Vertumnus selbst, dessen Gedanken nicht einmal Gunthar kannte. Gedanken, die den Turm umwoben, seine Schießscharten und Zinnen, durch Vergangenheit, Gegenwart und eine Zukunft, die den Jungen aus Solace zurückbringen würde, mitgerissen von Truppen, denen er sich angeschlossen hatte – Truppen, die ihn in sechs Jahren auf die Zinnen steigen lassen würden, wenn der Turm unter Belagerung stehen und der Krieg der Lanze um ihn herum toben würde.

Du kannst wählen, Sturm Feuerklinge, dachte Vertumnus, der zum letzten Mal im großen Ratssaal die Flöte absetzte, in dem Moment, bevor er in seine Welt aus Blättern und Licht verschwand. Blätter und Licht und Bäume verschwanden mit ihm, so daß der Raum leer im Schatten lag. Schließlich und endlich kannst du wählen.

Eine einzelne, grüne Rose zierte in wilder Vollkommenheit Humas Platz.