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Ted führte den Jungen lächelnd in die Kombüse und wie in die Ecke, wo die Stange stand. »Da ist der Bursche, der gelacht hat.

Erkennen Sie ihn wieder? «

Stan stierte verwundert darauf hin. »Ein Papagei! Nein, ich kenne ihn nicht. Dad hat niemals ein solches Tier besessen.« Gedankenversunken blieb er einen Moment lang stehen. »Auf diesen Inseln gibt es keine Papageien, Moran. Er muß von Südamerika hergebracht worden sein.«

»Und dann hat man ihn dem Verhungern überlassen«, erklärte Ted einigermaßen erbittert. »Auch Wasser hatte er keines mehr.«

Stan blickte auf das Buch in der Hand des Dritten Offiziers. »Ist das etwa das Logbuch?« rief er aufgeregt. »Oh, lesen wir es schnell, Mr. Moran. Daraus werden wir sicher ersehen, was passiert ist.« Seine Stimme hatte einen hoffnungsvollen Ton angenommen. »Ich hole eine Lampe aus dem Schrank.«

»Gut. Ich lasse die drei anderen die Segel zusammenrollen, während Sie hier alles vorbereiten. Auf alle Fälle müssen wir uns sehr beeilen.«

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Als Ted in die Kabine zurückkehrte, sah er, daß Stan inzwischen eine Öllampe aus Messing an einen Haken in der Decke gehängt hatte. Die beiden jungen Männer ließen sich auf das untere Bett fallen und legten das Buch vor sich auf den Tisch. »Hier — öffnen Sie es«, drängte Ted.

Im gelben Licht der Lampe warf ihm Stan einen dankbaren Blick zu. Seine zitternde Hand schlug den abgeschabten Einbanddeckel zurück. Gemeinsam beugten sie sich über das Logbuch des Windreiters.

Das Logbuch des »Windreiters«

»Schauen Sie, Sir«, Stans Finger wies auf das Geschriebene. »Dies letzte Stück der Berichterstattung ist in der Handschrift meines Vaters abgefaßt.« In seiner Stimme klang ein leichtes Beben auf. »Unter dem Datum des zwölften April.«

»Wie? Das ist ja nur fünf Tage her«, schrie Ted. »Sind Sie ganz sicher?«

Stan nickte; seine dunklen Augen prüften die Blätter. »Ja. Hören Sie diese letzte Eintragung:

Dienstag, 12. April.

Wetter beruhigt sich nicht. Gefahr, auf Riffe geschleudert zu werden, droht ständig. Habe den ganzen Tag an den Hilfsmotoren gearbeitet. Ohne Erfolg. Können ohne Ersatzteile aus Papeete nicht repariert werden. Wünschte, Corkery wäre hier. Eingeborene Mannschaft wie üblich in Todesnöten. Müssen das Schiff vielleicht verlassen und aufs Boot umsteigen; aber welche Chance haben wir, wenn der Wind nicht dreht? Schätze, daß wir in der Gegend der Noa Noa-Insel sind. Kostbare Fracht zu verlieren.

Noch einen Verlust überstehe ich nicht. Wenn dies ... «

Ridley schaute auf und wandte Ted ein weißes Gesicht zu. »Das ist alles.« Er durchblätterte die leeren Seiten, die noch folgten.

Als er sprach, war seine bebende Stimme zu einem Flüstern herabgesunken. »Das sieht böse aus.« Eine Sekunde später stand er auf, und gleich wuchs sein Schatten an der Wand hinter ihm ins Riesige.

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»Vermutlich trieb der Schoner in die Nähe eines dieser Korallenriffe ab«, warf Ted ein. »Die sind gefährlich, ja? Welche Chance haben die an Bord Befindlichen, wenn so ein Schiff daraufgeschleudert wird?«

»Kaum eine.« Fast unhörbar kam die Antwort von den Lippen des Jungen.

»Und hätten sie im Boot mehr Aussicht zu überleben?«

Stan schaute grübelnd auf ihn hinunter. »Möglicherweise. Wenn der Seegang nicht allzu hoch ist. Aber einige der Inseln hier sind von Riffwällen umgeben, die kein Schiff durchfahren kann. Die Schoner, die zwischen den Inseln Handel treiben, ankern dann draußen und verladen die Waren auf winzige Boote, die sie quer über die Riffe in die Lagunen ziehen.«

»Könnte das bei einem schweren Sturm auch geschehen?«

»Ich weiß es nicht.« Der Junge sank wieder auf den Rand des Lagers nieder. Seine Finger bewegten sich nervös, die Nägel bohrten sich in die Ballen. »Diese jähen Südsee-Böen sind heimtückisch. Und bei hohem Seegang — «

»Aber Ihr Vater lebt schon seit Jahren hier, oder nicht? Er wird doch wissen, wie man ein Boot durch diese Inselgegend bringt.«

»Das weiß er sicher.« Stans schmale Brauen zogen sich zusammen, und Ted sah, daß sich der junge Mann tapfer um Haltung bemühte. »Doch nicht allein das macht mir Sorgen. Haben Sie die letzten Zeilen der Eintragung mitgelesen? ›Kostbare Fracht zu verlieren. Noch einen Verlust überstehe ich nicht.‹ Die meisten Unternehmungen meines Vaters haben in den letzten Jahren unter einem Unglücksstern gestanden.« Er schwieg und starrte blicklos zum Bullauge hinauf. »Ich fürchte mich, Mr. Moran — ich habe Angst!«

Als er das weiße, angespannte Gesicht, die Fixiertheit dieses Starrens und die zuckenden Finger gewahrte, überschwemmte Ted Moran eine Woge von Mitgefühl für den Jungen, der da im dunkeln gegen unbekannte Mächte kämpfte. Tief im eigenen Innern fühlte der Dritte Offizier ein verspätetes Gefühl der Freundschaft sich regen. Alle seine früheren Zweifel an Stan Ridley verschwanden auf der Stelle. Er streckte seine Hand aus und berührte den Arm des anderen.

»Hören Sie zu, Ridley«, sagte er. »Wir stehen vor etwas Bösem

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und Gewaltigem — wie böse es ist, wissen wir beide jetzt noch nicht. Aber ich möchte Ihnen sagen, daß ich in dieser Affäre mit Leib und Seele auf Ihrer Seite stehe. Alles, was ich tun kann, werde ich tun. Wenn ich helfen kann — ich tu's.«

Langsam drehte sich der Junge um und sah ihn beinahe ungläubig an. »Ist das Ihr Ernst, Mr. Moran?« stammelte er schließlich.

»Nennen Sie mich hier nicht Mister«, erwiderte Ted mit der schwachen Spur eines Lächelns. »Ich bin nicht viel älter als du.

Wenn wir zusammen Dienst auf der Araby tun, machen wir weiter wie vorher; aber wenn wir allein sind und versuchen, das Geheimnis um deinen Vater zu durchdringen, wollen wir Kameraden sein — richtige Freunde. Na, soll das gelten?«

Wortlos drückte ihm Stan Ridley die Hand. Seine Augen glänzten. »Danke, mon ami«, sagte er, in das Französisch seiner Inselheimat verfallend und die formelle Haltung abstreifend, die er an Bord des Schiffes angenommen hatte. »Ich bin dir dankbarer, als ich überhaupt sagen kann.« Er blätterte sinnend durch die Seiten des Logbuches. »Siehst du, mein Vater ist alles, was ich auf der Welt habe. Meine Mutter ist schon vor Jahren gestorben.

Sie war Französin und kam von Paris nach Tahiti, um einen Vetter zu besuchen, der zu jener Zeit dort als Regierungsbeamter stationiert war. In seinem Haus lernte sie meinen Vater kennen.

Ich habe die Familie meiner Mutter vor Jahren einmal in Paris besucht, aber mein Vater hat keine Verwandten, die noch leben.

Wir sind immer ein wenig einsam gewesen.«

»Dann müssen wir deinen Vater einfach wiederfinden! Aber wir können hier nur noch wenige Minuten bleiben. Wohin fuhr dieser Schoner denn?«

Stan Ridley ließ die Augen wieder über die Eintragungen im Logbuch gleiten. »Hier steht's. ›Papeete, Mittwoch, 6. April.‹ Das ist Corkerys Handschrift. Er ist Dads Assistent auf der Pflanzung und außerdem unser Generalmanager. Er hat in Papeete Baumwollware, Kanister mit Gasolin und Fässer mit Öl an Bord genommen und sollte sie zu den Inseln bringen und Kopra dagegen eintauschen.«

»Ist das etwa das Zeug, das so scheußlich riecht?« Ted rümpfte die Nase über den beißenden Geruch, der aus dem Innern des Schoners kam.

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»Ja, es ist getrocknete Kokosnuß. Dad verkauft Kopra nach Bordeaux, wo man es zur Herstellung feiner Seifen und Öle braucht.«

Stan blätterte weiter. »Augenscheinlich ist der Windreiter nach Taiarea gefahren, hat dort Dad an Bord genommen und Kurs auf einige der abgelegenen Inseln gesetzt. Corkery muß auf der Plantage zurückgeblieben sein. An dieser Stelle beginnt Dad das Logbuch zu führen. Der Schoner sollte zuerst Bora Bora anlaufen, doch kam er dort nie an ... « Er biß sich auf die Unterlippe, um die Bewegung in seiner Stimme zu unterdrücken.