»Über meinen Vater?« Stan machte einen Schritt auf den Tisch zu und blickte erwartungsvoll auf Ted. »Das verstehe ich überhaupt nicht.«
»Antworten Sir mir, Moran«, befahl Jarvis streng. »Können Sie schwören, daß der junge Mann Ihnen nicht folgte und am Oberlicht zuhörte?«
Ted wandte den Blick ab. »Nein«, erwiderte er kurz. »Dafür habe ich nur Stan Ridleys Wort. Aber als ich zurückkam, saß er auf meinem Bett und las ... « Er brach ab, als an der Tür geklopft wurde.
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Jarvis machte eine ärgerliche Handbewegung. »Herein.«
Der Funker, von Kopf bis Fuß in makelloses Weiß gekleidet, kam herein und trat an den Tisch. »Eine Antwort auf Ihre Botschaft, Sir.«
»Danke.« Jarvis sprach kurz angebunden. »Das ist für heute abend alles, Sparks.«
»Jawohl, Sir.« Mit einem fragenden Blick auf die gespannte Haltung der drei am Tisch ging der junge Funker wieder in die Dunkelheit hinaus. Sehr leise fiel hinter ihm die Tür ins Schloß.
Ted wandte kein Auge von der undurchdringlichen Miene des Kapitäns, der eben die Botschaft durchlas. Irgend etwas in der tödlichen Ruhe des Mannes ließ Ted jähe Angst empfinden. Was stand auf dem maschinenbeschriebenen Zettel? Würde Jarvis denn nie mehr aufschauen?
Stan Ridley sprach als erster. »Sie haben Nachrichten aus Papeete?« fragte er mit einer Stimme, die hoch und dünn und gequält klang. »Betrifft sie meinen Vater?«
Tom Jarvis schaute in die fragenden, bohrenden Augen des Jungen.
»Ja«, erwiderte er einfach. »Sie betrifft Ihren Vater.«
Der Junge trat an den Tisch und stemmte beide Fäuste so fest darauf, daß die Knöchel sich weiß abzeichneten. »Hat mein Vater also wirklich einen Versicherungsanspruch erhoben?«
»Nein. Die Funkstation teilt mir lediglich mit, daß die Firma Rindley & Co. den Schoner Windreiter im Hafen als überfällig gemeldet hat. Offensichtlich jedoch scheint sich niemand über das Schicksal des Schiffes zu beunruhigen.«
»Dem Himmel sei Dank dafür!« rief Stan inbrünstig.
Jarvis' Lippen umspielte ein Lächeln, das die Strenge seiner Miene etwas milderte. »Das wäre alles, Ridley«, sagte er mit einer entlassenden Handbewegung. »Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe.«
»Ich fürchte nur, ich konnte Ihnen nicht sehr viel helfen, Sir.«
»Sie haben mir mehr gesagt, als Sie selber wissen.«
Stan starrte ihn einen Moment mit aufgerissenen Augen an.
Dann drehte er sich wortlos um und trat durch die Tür in die Nacht hinaus.
Der Dritte Offizier erwog die letzte Bemerkung des Kapitäns.
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Schließlich beugte er sich vor und begann zu sprechen. »Sie haben Stan über die Botschaft aus Papeete nicht die Wahrheit gesagt?«
»Doch, Joe Macaroni, das habe ich. Nur habe ich zu erwähnen vergessen, daß ein Hurrikan südöstlich auf diese Inseln zubraust.
Es ist aber zu spät in der Jahreszeit, als daß es noch schlimm werden könnte.«
»Ein Hurrikan!«
»Ja. Das Barometer fällt schon den ganzen Abend. Aber wir sollten längst sicher innerhalb des großen Riffs sein, ehe der Sturm daran vorüberbläst. Ein Glück nur, daß wir den Schoner erwischt haben, ehe der Sturm diese Gewässer erreichte.«
»Ich verstehe bloß nicht«, fuhr Ted fort, »weshalb der Besitzer bei der Versicherungsgesellschaft noch keine Forderung angemeldet hat.«
»Weil der Besitzer nicht ganz sicher ist, daß er wirklich lange genug gewartet hat, um schon eine Forderung anmelden zu können.«
Ted fuhr sich mit den Fingern durchs sandfarbene Haar. »Besteht nicht die Möglichkeit, Kapitän Tom, daß Stan Ridleys Vater beim Versuch, die Insel Noa Noa zu erreichen, umgekommen ist?«
»Quatsch!« Kapitän Jarvis schüttelte den Kopf. »Sehen Sie denn nicht selbst allmählich, daß die Eintragung im Logbuch nichts als eine Finte ist? Sie wurde nur für den Fall vorgenommen, daß der Schoner an einer flachen Stelle sinken und die Versicherungsgesellschaft einen Taucher hinterherschicken würde. Das erste, was er suchen würde, wäre natürlich das Logbuch.«
Ted lehnte sich mit einem Seufzer zurück. Bange Ahnungen beschlichen ihn. »Vielleicht haben sie recht.«
»Ich glaube«, sagte der Kapitän langsam, »ich werde den Behörden in Papeete berichten lassen, daß wir Wrackteile des Windreiters gefunden haben. Wenn meine Vermutungen richtig sind, wird das die Dinge in Fluß bringen.« Er lächelte erwartungsvoll.
»Ja, es wird interessant sein, festzustellen, was sich alles ereignet, wenn wir den Hafen anlaufen.«
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Um sechs Glasen erhob sich Ted Moran am anderen Morgen sehr widerstrebend nach einem Schlaf, der nur allzu kurz gewesen war. Da er gestern abend an Bord des Windreiters gegangen war, hatte Mr. Miller, der Erste Offizier, seine Brückenwache übenommen, so daß Ted wiederum die Wache von Mitternacht bis vier hatte gehen müssen. Infolgedessen erschien ein ziemlich verschlafener Dritter Offizier nach dem Frühstück an Deck. Seine Müdigkeit verschwand jedoch bald, als er die unendliche Weite des wogenden Ozeans ringsherum überblickte.
Ölige Wellen rollten aus Nordwest auf sie zu. Über ihnen verbarg ein leichter Nebel die Sonne. Dennoch war die Luft bereits drükkend heiß und erstickend. Zum Donner, dachte Ted, wenn das kein Hurrikan-Wetter ist, habe ich noch nie welches erlebt! Er stand an der Verschanzung und schaute nachdenklich über die Dünung hin, als der Bootsmann zu ihm trat. Er zog im Gehen ganz unverkennbar das Bein nach — augenscheinlich als Folge eines Unfalls.
»Haben Sie den Kapitän gesehen, Sir?« fragte er.
»Noch nicht, Bootsmann.« Ted ließ den Blick über die kurze, untersetzte Gestalt, die muskulösen Arme und den Nacken, der ungewöhnliche Kraft verriet, gleiten und sah auf die dünner werdenden Haare, die verrieten, daß er etwa vierzig Jahre alt war. Es war jedoch der Ausdruck des dunklen, wettergegerbten Gesichtes, der Teds Aufmerksamkeit fesselte. Der Bootsmann schien verwirrt und über irgend etwas sehr beunruhigt zu sein.
»Vom Äquator her kommt ein Hurrikan rübergeblasen«, bemerkte der Dritte Offizier. »Sparks hat letzte Nacht Bescheid erhalten.«
Der Blick des Bootsmanns folgte der angegebenen Richtung, als er nickte. »Ja, Sir. Aber darum handelt es sich nicht. Wissen Sie, Sparks ist nämlich — aber ich werd mal lieber den Kapitän rufen.«
Sich auf dem Absatz umdrehend, humpelte er auf den Offizierssalon zu.
Ted folgte ihm mit den Augen und überlegte, was den Mann wohl so aufgeregt haben könnte.
Kurz darauf sah er Kapitän Jarvis aus der Kabine treten, den Bootsmann dicht hinter sich. Mit raschen Schritten näherten sie
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sich ihm. Der große Kapitän ragte wie ein Turm über dem Bootsmaat auf.
»Kommen Sie mit zur Funkbude, Dritter«, wies Jarvis ihn im Vorübergehen an. »Irgendwas ist passiert.«
Ted schloß sich den beiden Männern an, als sie die Kajütstreppe zum Kabinendeck hinauf eilten; gemeinsam erkletterten sie die zweite Treppe zum offenen Bootsdeck. Ganz achtern erhob sich die Funkbude, blitzweiß gestrichen; und im Türrahmen stand Gorilla Smith, offensichtlich in eine eifrige Unterhaltung mit jemandem drinnen vertieft. Als sie sich näherten, trat Smith beiseite. Jarvis trat zuerst ein, Ted gleich hinter ihm. Beide blieben dicht bei der Tür stehen.
Auf einem schmalen Bett gegenüber der Funkanlage saß Sparks, mit einer Hand den Kopf abstützend; sein Gesicht sah im trüben Morgenlicht bleich aus. Ted zuckte zusammen, als er sah, daß die eine Backe des jungen Mannes vom Ansatz des dunklen Haares bis zur Kinnlade blutverschmiert war.
»Was ist passiert, Sparks?« fragte Kapitän Jarvis. »Nein, nein, schon gut — bleiben Sie nur sitzen.«
Sparks, der sich halb erhoben hatte, sank auf sein Bett zurück.