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Und Stan Ridley schaffte es. Mit deutlicher Anstrengung unterdrückte er die Aufwallung seiner Gefühle. »Vielleicht nehme ich Ihren Rat wirklich an, Mr. Corkery. Zumindest werde ich darüber nachdenken«, stimmte er zu. »Vielleicht haben Sie wirklich recht. Wenn mir vom Vermögen meines Vaters tatsächlich nichts geblieben ist, habe ich in den Staaten wahrscheinlich mehr Aus-

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sieht auf einen neuen Start. Aber ehe ich fahre, möchte ich doch Madame Sonntag wiedersehen.«

»Natürlich.« Corkery lehnte sich in den Sessel zurück. »Du mußt dich von ihr verabschieden. Sie ist immer noch gut beieinander — älter geworden seit deinem Fortgang, aber immer noch aktiv — ja. Tut mir leid, mein Junge, mehr leid, als ich in Worten ausdrücken kann. Wenn du lieber auf das australische Passagierschiff warten möchtest, das nächste Woche einläuft, dann buche ich die Passage für dich.« Er lächelte grimmig. »Ich glaube nicht, daß dein Vater — armer Kerl, der er ist! — es gern gesehen haben würde, daß du als Matrose auf einem dreckigen Frachter — «

Ted lachte, und Stan verteidigte die Araby lebhaft. »Ein feines Schiff ist das, Mr. Corkery. Ich mag es gern. Nein, ich würde lieber mit meinen Freunden zurückfahren als auf dem Passagierdampfer.«

»Wie du willst.« Mr. Corkery erhob sich. Sein Gesicht drückte deutlich die Erleichterung darüber aus, daß diese peinliche Unterredung beendet war. »Wenn ich dir in irgendeiner Weise behilflich sein kann — «

»Wir müssen zurück aufs Schiff«, drängte Ted, sich erhebend.

»Natürlich wird Stan einen Anwalt damit beauftragen, die Angelegenheiten seines Vaters zu regeln«, fügte er noch hinzu.

»Selbstverständlich!« strahlte Corkery. »Alles ist durchaus ordnungs- und rechtmäßig erledigt worden. Beauftragen Sie nur, wen Sie wollen. Monsieur Moreau etwa, in der Rue Tamehani — der ist sehr tüchtig. Oder Monsieur Gidel, neben der Banque Indo Chine.«

»Danke«, nickte Ted knapp.

Corkerys knochige Hand schob den Riegel von der kleinen Tür in der Barriere zurück. Ein unverkennbar bösartiges Lächeln verbreitete sich über seine unregelmäßigen Züge, als er die beiden ins Zwielicht des Kais hinausgeleitete und hinter ihnen her sah.

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Im Mariposa-Cafe

Als die beiden jungen Leute die Straße überquert hatten und wieder auf dem Kai standen, an dem in langer Reihe die kleinen Inselschoner festgemacht hatten, blieb Stan plötzlich stehn und sah seinen Freund an. »Glaubst du ihm, mon ami?« fragte er.

Ted warf einen Blick über die Schulter zurück. In der Tür zu seinem Büro stand der dürre, lange Agent und schaute ihnen noch immer starr nach. »Komm, Stan«, drängte er hastig. »Corkery beobachtet uns. Wir können auch im Gehen reden.«

Ohne ein weiteres Wort schritten sie über den weißen Strand, unter Gruppen von Kokospalmen hin, deren schlanke Stämme sich über den Rand des Wassers neigten. »Aber hast du ihm geglaubt?« wiederholte Stan, als sie sich außer Hörweite Mr.

Corkerys befanden.

Ted knurrte angewidert. »Er ist aalglatt. Und wie gütig und lieb er war!« Seine Lippen verzogen sich. »Möchte dir helfen, auf einem Passagierdampfer in die Staaten zurückzukehren. Zum Donner, auf den Burschen werden wir achtgeben müssen!«

»Was hat er nur alles über meinen Vater gesagt!«

»Ich habe es nicht verstanden«, mußte Ted zugeben »aber eines ist ganz sicher: das meiste war gelogen!«

»Wo kann Dad denn nur stecken? Er würde nie davonlaufen, das weiß ich bestimmt. Wenn er pleite wäre, würde er hierbleiben und die Sache mit den Gläubigern bereinigen. Glaubst du — «, er zögerte einen Augenblick und setzte dann mit großem Nachdruck hinzu: »Glaubst du, daß Corkery ihm etwas angetan hat?«

Ted lachte kurz auf. »Nun fang nicht an, Gespenster zu sehen, Stan. Mit der hiesigen Kolonialregierung kann man kaum spaßen, oder?«

»Nein. Aber die französischen Beamten können nicht auf allen Inseln zugleich sein. Dies ist nicht Frankreich — es ist nichts als eine Handvoll kleiner Niederlassungen, die über Tausende von Quadratmeilen hin in der Südsee verstreut liegen. Hier geschehen Dinge, die oft jahrelang verborgen bleiben — und oft auch nie entdeckt werden. Oh, ich könnte dir Sachen erzählen — «

Ted spürte den Ton tiefer Sorge aus der Stimme seines Freundes heraus. Hastig bemühte er sich, das Thema zu wechseln. »Nimm

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dich zusammen, Stan! Wie war's mit einem kalten Drink? Ist das da drüben ein Cafe? Kann man da Eiscreme-Soda bekommen?«

Als sein Blick zu dem Café gegenüber dem Hafen hinüberschweifte, leuchteten Stans Augen auf. Unter einem mächtigen, blühenden Baum standen kleine Tischchen mit altem Wachstuch bedeckt.

»Oh, das ist das Mariposa-Cafe. Nein, Eiscreme-Soda gibt es in Papeete nicht, aber man kann immerhin eine Art Vanilleeis

bekommen. So was hast du überhaupt noch nie probiert: es wird aus Büchsenmilch gemacht.«

»Gut. Wenn es nur kalt genug ist, bin ich zufrieden.«

Begierig folgte er seinem Freund über die Straße zu einem kleinen Eisentischchen. Die Offiziersmütze abnehmend, wischte er sich den Schweiß von der Stirn und blickte mit großem Interesse um sich. Ein paar Schritte weiter weg entdeckte er drei bekannte

Gesichter. Die Ellenbogen aufgestützt, saßen da der Bootsmann, Chapman und Gorilla Smith. »Die nehmen wohl 'ne volle Ladung Schnaps an Bord«, meinte Ted. »Heut nacht verbrennt ihnen dann das Zwischendeck.«

»Ja, so geht es jedesmal«, nickte Stan. »Papeete wacht auf, wenn ein Schiff im Hafen liegt.« Sein Blick ging zu seinem Freund zurück. »Wir haben vergessen, Corkery nach Tahiti Jacques zu fragen.«

Ted nickte. Die kurze Geschichte vom Erschießen des Lotsenfisches im Logbuch des Windreiters fiel ihm ein. »Außerdem haben wir vergessen, ihn nach diesem Thatcher zu fragen, der den Schuß abgegeben hat.«

In diesem Augenblick kam ein braunhäutiges Tahiti-Mädchen an den Tisch, um ihre Bestellung entgegenzunehmen. Nachdem sie sich mit einem Lächeln abgewandt hatte, beugte sich Ted vor.

»Könnten wir das Mädchen nicht fragen?«

»Certainement.« Gespannt wartete Stan auf ihre Rückkehr.

Als Ted wieder zu den drei Männern von der Araby hinüberblickte, fiel ihm auf, daß der Bootsmann betrunken war und sie anstarrte. In diesem Zustand — das wußte der junge Offizier aus reichlicher Erfahrung ganz genau — würde es bald Straßenschlachten geben und während der Nachtwachen würden die Decks der Araby von den torkelnden Schritten heimkehrender Betrunkener widerhallen — betrunkener Offiziere sowohl wie Mannschaften.

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Als die Kellnerin zurückkam, fragte Stan sie in einem Französisch aus, das Ted, wie er wohl wußte, nie nachmachen konnte. »Mademoiselle, ich habe Tahiti Jacques nicht gesehen, als ich auf der Araby in den Hafen einfuhr. Ist er nicht mehr da?«

»Jacques vom Riff?« Die schwarzen Augen des Mädchen blitzten vor Entrüstung. »Ah, monsieur, haben Sie denn nicht gehört, was geschehen ist? Vor fünf Monaten hat man ihn erschossen — dazu noch vom Deck eines unserer eigenen Inselschoner!«

»Wie konnte denn das nur passieren, mademoiselle?«

Das Mädchen spreizte die Hände mit nach oben gedrehten Innenflächen in einer Geste der Unfaßbarkeit. »Es ist nicht zu glauben, monsieur. Jacques ist seit Jahren und Jahren hiergewesen. Alle kannten ihn und dann kommt so ein Schwein von einem Amerikaner und erschießt ihn!«

»Jacques ist also getötet worden?«

»Ach, wir wissen es nicht ganz sicher. Vielleicht nur verwundet.«

Sie neigte den Kopf. »Möge le bon Dieu ihn wieder zurückbringen, damit er aufs neue die Schiffe durchs Riff geleite!« Sie hielt inne, und wieder funkelten die dunklen Augen zornig auf. »Aber er wird schon gerächt, monsieur. Ja, er wird gerächt.«