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»Glauben Sie, daß er mich sehen will?« fragte Stan zweifelnd.

»Natürlich will er das. Los, gehen wir.«

Die beiden jungen Seeleute liefen mit langen Schritten über den Backbordgang nach achtern. Der warme Essensgeruch aus der Kombüse mischte sich hier nicht eben angenehm mit dem Gestank des Öls, der aus dem offenen Eingang zum Maschinenraum drang. Auf dem Achterdeck leuchteten grelle Lampen auf die Männer nieder, die aus dem Laderaum Nummer drei immer noch Fracht löschten. Das Knirschen der Winden, das Kreischen der Kräne und die Rufe der tahitischen Stauer drangen jedoch nur

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vage in Teds Bewußtsein vor. Sein ganzes Bestreben ging dahin, den Kapitän möglichst bald zu unterrichten.

Als er die Tür zum Salon aufstieß, platzte er jedoch zu seinem Schrecken mitten in eine Besprechung zwischen Tom Jarvis und dem Agenten, Mr. Corkery, herein.

»Oh, pardon, Sir!« entschuldigte er sich schleunigst, auf einen hastigen Rückzug gefaßt.

»Schon gut. Kommen Sie nur herein, Moran«, erwiderte Jarvis.

»Mr. Corkery wollte ohnehin gerade gehen.« Der Kapitän erhob sich von seinem Platz am Tisch und schaute den Mann vor sich nachdrücklich an. »Sie wollten doch gehen, Corkery?«

Der Agent knurrte eine unverständliche Erwiderung, als er sich widerstrebend erhob. »Ja, für heute abend, Kapitän Jarvis. Ich möchte Ihnen nur mit aller Klarheit nochmals wiederholen, daß ich nicht verantwortlich bin für das Durcheinander, das augenblicklich hier herrscht. Wenn die Blakemore-Gesellschaft mir die Agentur entziehen will, so ist das ihre Sache. Sie aber müssen ja selbst sehen, wie bestürzend peinlich es für mich ist, daß Ridley auf diese Weise jäh verschwindet.«

»Ja, das ist eine traurige Angelegenheit, Corkery«, entgegnete der tätowierte Riese. »Und mir ist natürlich auch klar, in welche Schwierigkeiten Sie dadurch geraten. Was nun den Jungen betrifft — nun, den wollen wir herzlich gern wieder mit nach San Francisco nehmen.« Jarvis' Blick ging an dem Agenten vorüber und blieb vielsagend auf Stan Ridley haften. »Wie steht's damit, Ridley?«

Mr. Corkery fuhr auf dem Absatz herum. Erleichtert stellte Ted fest, daß sein Freund darauf vorbereitet war. »Ja, Sir«, antwortete er in einem niedergeschlagenen Ton, der, wie Ted genau wußte, seine wahren Gefühle verbarg. »Wäre Ihnen schrecklich dankbar, wenn Sie mich wieder mitnehmen würden.«

Ein häßliches Lächeln verbreitete sich über das schmale Gesicht des Agenten. »Freut mich, daß du die Situation mit vernünftigen Augen betrachtest, mein Junge. Sehr gescheit von dir. Höchst beachtlich.«

Obwohl Stans Lippen »Jawohl, Sir« murmelten, verrieten seine glühenden Wangen dem Freund nur allzu deutlich, wie widerwärtig die Rolle ihm war, die er spielen mußte.

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»Schön, dann mache ich mich mal wieder auf den Weg, Kapitän«, bemerkte Corkery. »Wenn ich Ihnen in irgendeiner anderen Weise behilflich sein kann, wenden Sie sich nur unverzüglich an mich.« Er machte eine steife Verbeugung. Ein sekundenkurzes Flackern zuckte über die Augenlider, als er die Gesichter vor sich betrachtete. »Es liegt mir viel daran, Ihnen in dieser bedauerlichen Lage möglichst zu Diensten zu sein.«

»Das ist sehr freundlich von Ihnen, Corkery.«

Falls die Stimme des Kapitäns eine Spur von Spott enthielt, so schien der Agent sie nicht zu bemerken. »Nicht der Rede wert«, sagte er schleppend, eine der knochigen Hände abwehrend hochhebend. »Nicht der Rede wert.« Er schritt zur Tür.

»Oh, Moran!« Jarvis sprach, als sei ihm soeben noch etwas eingefallen. »Würden Sie so gut sein, Mr. Corkery zum Fallreep zu begleiten? Ich möchte nicht, daß er irgendwo über ein Kabel stolpert.«

»Selbstverständlich, Sir.« Ted lächelte in sich hinein, als er den Agenten zur Tür hinauskomplimentierte.

Erst als sie bei den Mittschiffs-Aufbauten angekommen waren, stellte er die Frage, die ihn seit geraumer Zeit schon beschäftigte.

»Mr. Corkery, ich hätte Sie gern einmal etwas über den Papagei gefragt, den wir gefunden haben.«

»Papagei?« Der Agent schien vor einem Rätsel zu stehen.

»Ja«, fuhr Ted fort, dem Besucher durch das Halbdunkel folgend.

»Wußten Sie nicht, daß sich ein Papagei an Bord des Windreiters befand, als wir ihn einholten? Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, wem er wohl gehören könnte.«

Mr. Corkery s dunkle Augen weiteten sich; abermals sah Ted das seltsame Zusammenziehen der Pupillen. »Nein. Das ist mir neu«, antwortete er nach einem kurzen Zögern. »Vielleicht gehörte er Stans Vater. Mit Sicherheit könnte ich es jedoch nicht sagen.«

Am Fallreep zögerte er nochmals, die dürre Hand schon auf dem Geländer. »Wenn ich irgend etwas über den Schoner erfahre, werde ich Ihren Kapitän unverzüglich verständigen. Doch ich fürchte — ja, ich fürchte, er ist verloren. Mit nur zwei Mann an Bord — in diesem Sturm — nein, nein — « Er schüttelte den Kopf.

Als das Licht der starken Birne über ihren Köpfen nun grell auf das maskenhafte Gesicht des Mannes fiel, verspürte der junge

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Offizier eine unergründliche, ganz ursprüngliche Abneigung in sich aufsteigen, ein Gefühl lebhaftesten Widerwillens, das durch Vernunft nicht zu erklären war. Ihm war gewiß, daß hinter der reglosen Miene ein abscheulicher und gerissener Geist am Werke war. Jählings wandte der Mann sich ab und schritt, mit einer letzten winkenden Handbewegung, zum Kai hinunter.

Sowie Corkery außer Hörweite war, rief Ted den Wachhabenden herbei. »Lassen Sie diesen Menschen nie an Bord, ohne sofort dem Skipper Bescheid zu sagen, verstanden?«

»Ja, Sir.« Der Blick des Matrosen folgte der dünnen, großen Gestalt, bis sie im Schatten des Lagerhauses verschwand.

Als Ted wieder zur Messe zurückkam, saß Kapitän Jarvis hinter dem grünbespannten Tisch und schaute eindringlich den jungen Ridley an. Stan sprach hastig, und der Herr der Araby nickte hin und wieder nachdenklich. Als Ted zu ihnen trat, schaute der große Mann auf.

»Ridley hat mir von eurer nächtlichen Expedition erzählt, Moran.

Große Klasse.« Jarvis zog Pfeife und Tabaksbeutel aus den Hosentaschen. »Sie haben auch diese unbekannte Person mit Corkery sprechen hören. War es der Bootsmann?«

»Ich bin mir nicht ganz sicher«, sagte Ted bedauernd.

»Wie könnte dieser Thatcher aber auch der Bootsmann sein? Ist der nicht schon eine ganze Zeitlang auf der Araby?«

»Erst seit zwei Monaten. Als ich dies Schiff nach meiner letzten Fahrt auf der Nanking wieder übernahm, war der Bootsmann schon an Bord, vom Dritten angeheuert. Wenn Sie mich über seine Vergangenheit ausfragen, kann ich nur sagen, daß er ein erfahrener Seemann ist. Mehr weiß ich auch nicht.«

»Was wissen Sie denn über diesen Mr. X, Kapitän Tom?« fragte Ted begierig.

»Nicht viel. Er war ausgebildeter Geheimagent — ein Detektiv, den hauptsächlich Versicherungsgesellschaften in Anspruch nahmen. Für die Dauer eines jeden neuen Falles, an dem er arbeitete, legte er sich einen anderen Namen zu. Das scheinen sie alle in dieser Branche zu machen. Eins jedoch wissen wir sicher — er ist früher mal Berufsringer gewesen.«

Ted pfiff leise zwischen den Zähnen. »Das würde erklären, wie er Sparks so leicht überwältigen konnte.«

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Er machte eine Pause, fügte dann ein wenig zweifelnd hinzu:

»Das heißt, falls Mr. X und dieser Thatcher tatsächlich ein und dieselbe Person sind und falls er in den Staaten angeheuert hat.«

»Klingt logisch«, stimmte Jarvis zu.

»Natürlich ist es das«, rief Stan eifrig. »Und ist der Bootsmann nicht ganz wie ein Ringer gebaut — breit, untersetzt und stark?«

Ted grübelte darüber nach. Ja, möglich war es schon. Ohne Zweifel war Thatcher in die Staaten zurückgekehrt mit dem Versprechen, daß ihm Geld nachgeschickt werden würde. Nach der Ankunft hatte er dann feststellen müssen, daß Corkery sein Wort nicht hielt. Da er sich nicht mehr an die Versicherungsgesellschaften um Arbeit wenden konnte, blieb ihm nichts anderes übrig, als nach Tahiti zurückzukehren — und ein Dampfer der Blakemore-Gesellschaft kam ihm sicher zuerst in den Sinn, da er ja deren regelmäßigen Dienst zwischen Frisco und Tahiti kannte.