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»Genau.« Jarvis' eiserne Faust dröhnte auf die Tischplatte nieder.

»Wenn der Fahrer sagt, daß jener Thatcher ein lahmes Bein hatte, dann haben wir ihn überführt.«

»Ja, Sir. Ich werde es herausfinden.« Mit strahlendem Gesicht ging Stan hinaus.

Kapitän Jarvis schaute zu seinem Dritten Offizier hinüber. »Wir brauchen nicht erst weit zu gehen, Joe Macaroni. Den Bootsmann sparen wir uns für später auf — wenn wir Stan Ridleys Bericht

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in Händen haben. Sehen Sie zu, daß Sie was zu essen bekommen, und dann schaffen Sie mir Chapman herbei. Ich möchte ihm ein paar ganz präzise Fragen stellen.«

»Ich verstehe, Sir. In ein paar Minuten bin ich wieder hier.«

Draußen ließ Ted die Blicke über die arbeitenden Männer schweifen. Nahe der Winde stand der Bootsmann, doch Chapman war nirgends zu sehen. Der junge Dritte Offizier ging zur Kombüse, bestellte ein paar Brote, die er in der Offiziersmesse aß und begab sich dann zum Vordeck. Zwar hatte er wenig Hoffnung, heute, am ersten Abend im Hafen, jemanden auf dem Schiff zu finden; doch als er die Treppe hinabstieg und ins Dämmer des Mannschaftslogis schaute, entdeckte er am äußersten Ende des heißen, drei-eckigen Raumes in einer der Kojen eine ihm bekannte Gestalt.

»Sind Sie das, Chapman?« rief er.

»Ja, Sir.« Der Mann stützte sich auf einen Ellenbogen und starrte zu ihm hin.

»Der Skipper möchte Sie sprechen.«

»Ich komme sofort.« Aus der Koje steigend, griff er fahrig nach seinen Hosen und zog sich an.

Im schwachen Licht der einzelnen Lampe, die oben unter der Decke brannte, sah Ted, daß der Mann totenbleich war. Die Hand, die eben nach einem Schuh griff, zitterte merklich; auf der Stirn standen dicke Schweißtropfen.

»Schon an Land gewesen?« fragte Ted. Er wollte die Stimme erst einmal hören und zu erkennen versuchen, ob es die gleiche Stimme war, die er vor nicht mehr als einer Stunde draußen auf der Plantage vernommen hatte. »Ja, Sir«, kam es undeutlich zurück. »Vor dem Abendessen bin ich an Land gegangen.«

Ted forschte in seinem Gedächtnis nach einem vertrauten Klang.

Achselzuckend mußte er zugeben, daß er nichts Überzeugendes fand. Selbst wenn ihm Thatcher persönlich gegenüberstand, war doch zu viel geschehen, seitdem er zwischen den Pfählen unter der Veranda gehockt hatte, als daß er sich nun noch ganz genau an den Tonfall jener Stimme hätte erinnern können. »Wie kommt's, daß Sie so früh zurück sind?« forschte Ted.

Der Mann erhob sich. »Alles, was von der Mannschaft nicht im Dienst ist, besäuft sich drüben in Tonis Kneipe. Dafür hab ich nicht viel übrig.«

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»Dann sind Sie also seit dem Essen hier im Logis gewesen?«

»Ja, Sir.« Chapman kam auf die Stufen zu. »Ich bin soweit, Sir.« Der junge Offizier glaubte einen gewissen Trotz zu erkennen, als Chapman die dünnen Schultern zurücknahm.

In seiner Kabine sah Kapitän Jarvis bei ihrem Eintritt auf, ohne sich jedoch zu erheben. Ted schlenderte zum hinteren Bullauge hin, in dem ein elektrischer Ventilator leise summte. Chapman blieb vor dem Tisch stehen.

»Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen, Chapman«, begann Jarvis. »Mit wem sind Sie heute nachmittag an Land gegangen?«

»Ich ging allein, Sir. Sowie wir um fünf mit unserer Arbeit fertig waren, habe ich einen langen Spaziergang über die Hauptstraße gemacht.«

»Haben Sie noch jemanden anders von der Crew getroffen?«

Chapman schien nicht zu begreifen, wohin diese Fragen führen sollten. »Jawohl, Sir, das habe ich. Vor einem dieser kleinen Cafés am Straßenrand traf ich auf Smith und den Bootsmann.

Habe sie zu einem Drink eingeladen.«

Jarvis lehnte sich weit vor; in seinem Gesicht regte sich kein Muskel. »Sind die beiden mit Ihnen zusammen wieder an Bord gekommen?«

»Nein, Sir. Vor Tonis Kabarett habe ich sie stehenlassen. Gorilla Smith war so betrunken, daß er keinen Schritt mehr gehen konnte.« Der Matrose räusperte sich. »Ich hielt es für besser zurückzugehen und kam gerade noch zum Essen zurecht.«

»Dann haben Sie also auch den Bootsmann bei Toni zurückgelassen?«

»Ja. Das heißt — ich habe mich dort von ihm getrennt. Er kam bis vor die Tür mit — sagte, er wolle noch mal zum Mariposa zurück und sich einen genehmigen, ehe er wieder aufs Schiff gehe.«

Jervis meinte sarkastisch: »Er konnte also bei Toni nichts zu trinken bekommen?«

»Er fand es zu heiß drinnen, Sir. Zog das Straßencafe vor, Sir.«

»Ah, so war das.« Jarvis prüfte den Mann vor sich gründlich.

»Nun möchte ich auch noch gerne wissen, ob jemand an Bord Sie zurückkommen sah.«

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Chapman sah erstaunt aus. Seine Lippen öffneten sich so weit, daß man im Winkel einen Goldzahn schimmern sah. »Ja, doch«, sagte er. »Der Quartiermeister sah mich das Fallreep hochsteigen.

Und der Steward in der Messe kann bestätigen, daß ich zum Essen dort war.«

»Und danach?«

Chapman schüttelte den Kopf. »Dann hab ich mich hingehauen.

Glaube nicht, daß außer mir auch nur jemand den Kopf zum Logis reingesteckt hat. Heute abend nicht, Sir. War viel zu heiß drinnen.« Der Mann kam einen Schritt näher und stützte sich mit den Handflächen auf den Tisch. »Ich verstehe nur nicht, was das alles bedeuten soll. Glauben Sie, daß ich heute abend irgendwas Unrechtes angestellt habe?«

Jarvis' tiefliegende Augen glitzerten vor unterdrückter Erregung.

»Sie könnten es getan haben, Chapman. Wenn Sie an Land gehen wollten, so hätten Sie nicht unbedingt das Fallreep benutzen müssen, oder irre ich? Es schwärmen ja immer genügend Auslegerboote mit Eingeborenen ums Schiff, die sich gern ein paar Münzen verdienen würden. Wenn jemand ungesehen an Land schlüpfen möchte, so braucht er nur eines dieser Kanus heranzuwinken und hineinzuspringen. Das stimmt doch, oder?«

Ted fühlte, wie ihn ein leiser Schauer der Erwartung überrann.

Worauf spielte der tätowierte Kapitän an? Welche spezielle Richtung verfolgte er mit diesem Gespräch? Vermutete er, daß Chapman sich nur mit einem Alibi versehen und dafür gesorgt hatte, daß genügend Zeugen für seine Anwesenheit an Bord vorhanden waren, während er in Wirklichkeit die ganze Zeit über in Taunoa war? Mit neu erwachtem Interesse betrachtete er den schlanken, so gar nicht seemännisch wirkenden Matrosen.

»Ja, so könnte man schon an Land kommen«, gab Chapman nach einiger Zeit zu. »Aber ich hatte ja gar keinen Grund dazu, Sir.«

»Oh, hatten Sie den wirklich nicht?« Jarvis' leise, tiefe Stimme drang bis in alle Ecken und Winkel seiner großen Kabine. Er lehnte sich vor. Sein großer Körper war gespannt wie ein Bogen.

»Was weiß ich denn schon von Ihnen, Chapman?« fragte er mit langsamem Nachdruck, schneidend und kalt. »Überlegen Sie mal einen Augenblick! Sie haben auf diesem Schiff mit Papieren angeheuert, die Sie am Kai gekauft haben. Sie benutzen einen Namen,

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der gar nicht der Ihre ist. Sie weigern sich, Ihre wahre Identität zu enthüllen. Sie sind kein Seemann, das wissen wir beide genau.

Wenn ich nun Grund habe, ein Mitglied meiner Mannschaft eines scheußlichen Verbrechens zu verdächtigen, eines Vergehens, das den Täter zumindest hinter schwedische Gardinen brächte, wenn ihm nicht noch Schlimmeres bevorstünde — «

»Nein. Sagen Sie das nicht!« Die Worte kamen erstickt.

Ted, der ihn die ganze Zeit über forschend betrachtete, sah, wie ein Ausdruck tiefen Schmerzes das blasse, dünne Gesicht überflutete. Die Augen schlössen sich; das unrasierte Kinn zuckte.

Die schlappen Arme, deren Länge und Dünne das ärmellose Hemd noch betonte, wurden fest, als sich die Hände nun zu Fäusten ballten.

»Und weshalb sollte ich das nicht sagen?« forschte Jarvis erbarmungslos weiter.