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Jarvis legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Joe Macaroni, Ge-

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fängnismauern! Die Vorstellung wird auch Stan Ridley verfolgen, wenn es uns nicht gelingt, seinen Vater von allem Verdacht zu reinigen.«

»Ich weiß. Nur habe ich mir nie vorher klargemacht, was es bedeutet.«

»Das ist es, was ihn auf diesen Inseln verfolgen wird — den Inseln, die er seine Heimat nennt. Doch noch gehört er zu meiner Mannschaft — ist er einer meiner Jungen. Sehen Sie nun, weshalb wir unsere ganze Kraft und alle unsere vereinte Intelligenz anstrengen müssen? Jener Schatten darf nicht auf ihn fallen. Wir dürfen nicht versagen. Und wir werden es auch nicht.«

Der Strandläufer

Ted schlief sehr unruhig in jener Nacht. Obwohl sein kleiner elektrischer Ventilator gleichmäßig summte und die Tür zur Lagune hin weit offenstand, ließ ihn die Hitze nicht richtig durchschlafen — die Hitze nicht und das Bewußtsein, daß um Mitternacht Stan Ridley immer noch nicht von seinem Erkundungsgang zurückgekehrt war. Vergeblich hielt er sich immer wieder vor, daß Stan die Inseln so genau kannte wie die Eingeborenen selber. Und da er die beunruhigenden Gedanken nicht abwerfen konnte, wälzte er sich also die ganze Mittelwache lang im Halbschlaf in seiner Koje von einer Seite auf die andere.

Als vier Schläge der Schiffsglocke die zweite Morgenstunde verkündeten, öffnete er die Augen und entdeckte einen rötlichen Lichtschimmer, der an der Wand seiner Kabine auf und ab tanzte.

Zusammenfahrend sprang er vom Bett auf und trat an die Tür.

Auf der Lagune, nicht weit vom Schiff entfernt, fischten zwei Eingeborene im Fackellicht. Im Heck eines Auslegerkanus stand ein Tahitier, einen roten pareu um die Lenden geschlungen, den braunen, muskulösen Körper vom Licht einer Fackel aus brennenden Palmwedeln beschienen, die er hoch über seinem Kopf hielt. Ein weiterer Polynesier stand vorn im Bug, einen langen Speer wurfbereit in der erhobenen Hand. Jählings schoß die Lanze durch die Luft. Sie verschwand unter der Oberfläche des Wassers, um einen Augenblick später außer Reichweite wieder

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aufzutauchen. Mit einer Bewegung voller Grazie sprang der Mann im Bug hinterdrein; sein geschmeidiger Körper bildete dabei einen vollendeten Bogen. Er tauchte, griff den Speer und kletterte gleich darauf auf der Seite des Auslegers wieder ins Kanu. Dort hielt er seinem bewundernden Gefährten einen großen, regenbogenfarbenen Fisch hin, der am Ende der Speerspitze zappelte.

Ted kehrte unter das Moskitonetz zurück, das wie der Vorhang einer Dusche um sein Bett hing, und versuchte seine Gedanken abzulenken. Später in der Nacht hörte er aus der Richtung des Meeres Wind aufkommen, und bald darauf begannen dicke Regentropfen auf das Deck über ihm zu prasseln. Seine Bettvorhänge raschelten und wogten, die Türe knarrte. Wieder stand er auf, schloß die Türe und kroch ins Bett zurück, die Enden des Moskitonetzes unter die Matratze steckend.

Nicht mehr als fünf Minuten schienen vergangen zu sein, als ein kräftiges Klopfen gegen die Tür ihn aufweckte. Die Augen öffnend, sah er durch die Bullaugen breite Sonnenstrahlen einfallen.

Auf sein vom Gähnen halbverschlucktes »Herein« betrat Stan Ridley die Kabine.

»Nimm den einzigen Stuhl meiner königlichen Behausung«, lud Ted ihn ein, sich selbst auf einen Ellenbogen aufstützend und das Moskitonetz beiseite werfend. »Glück gehabt, letzte Nacht?«

Stan ließ sich auf den Stuhl fallen; er schüttelte den Kopf. Der Junge sah müde aus. Dennoch bot er einen durchaus seemännischen Anblick, wie er so in blauen Baumwollhosen und weißem Hemd dasaß — entschieden ein anderer Stan Ridley als jener übertrieben gepflegte Jüngling, der in San Francisco zum erstenmal die Gangway der Araby hochgeklettert war.

»Nein«, erläuterte er nun seinem Freunde, »ich konnte Corkerys Fahrer nicht finden. Sein Haus und seine Familie habe ich schon entdeckt; er selber aber hat einen Kunden nach Papara angenommen. Das liegt auf der anderen Seite der Insel. Vor heute mittag wird er kaum zurück sein.«

»Ich habe mir gestern ziemliche Sorgen um dich gemacht«, gab Ted zu.

Stan betrachtete ihn dankbar. »Vielleicht hattest du sogar Grund dazu, mon ami. Weißt du, ich bin nämlich verfolgt worden.«

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»Verfolgt!« rief Ted erschrocken.

Stan nickte. Seine Miene nahm einen nachdenklichen und zugleich verwirrten Ausdruck an. »Im Mariposa-Cafe erfuhr ich, wo dieser Fahrer wohnte. Ich war unterwegs zu seinem Haus, als ich, auf der Rue Paul Gauguin, plötzlich das Gefühl hatte, daß irgend etwas nicht stimmte — ein Gefühl, daß jemand mir folgte. Ich drehte mich um und entdeckte eben noch einen Mann, der, vielleicht zwanzig Meter hinter mir, schnell hinter einem Baum verschwand. Ich fand das äußerst merkwürdig und beschloß herauszufinden, wer um diese späte Stunde noch so an meinen Unternehmungen interessiert war.«

»Du hast den Burschen also gesehen?«

»Allerdings. Zunächst ging ich ein gutes Stück weiter, um mich dann in einer dunklen Ecke zu verstecken und zu warten. Bald kam er vorbei. Und er folgte mir ganz ohne Zweifel ... Äußerst vorsichtig schlich er vorüber und hielt sich soviel wie nur möglich im Schatten. Und was glaubst du wohl, wer es war?«

»Der Bootsmann?«

Stan lächelte. »Falsch, mein Freund. Es war der Strandläufer.«

»Der gleiche, der schon auf der Plantage in Taunoa herumgeschlichen ist?«

»Haargenau der gleiche. Einen zweiten dieser Art gibt es auf ganz Tahiti nicht. Er trug dieses verrückte Gewand aus alten Säcken. Sicher, es war dunkel, aber ich konnte mich gar nicht irren.«

»Hast du mit ihm gesprochen?« fragte Ted begierig.

»Nein. Weshalb sollte ich?«

»Du hast doch gesagt, daß du ihn von früher her kennst.«

»Das stimmt«, gab Stan zu, »aber ich überlegte, daß Corkery ihn vielleicht dafür bezahlt, daß er uns bespitzelt. Ein Charakter wie der würde für ein paar franc alles tun.«

»Weiter«, drängte Ted. »Was geschah dann?«

»Ich lief eilig in Richtung auf die Stadt zu davon«, fuhr Stan fort. »Ich wollte nichts riskieren. Erst als ich ganz sicher war, ihn abgeschüttelt zu haben, schlug ich einen Bogen und ging auf einem anderen Weg zum Haus dieses Fahrers zurück. Und nach all dieser Mühe war er dann gar nicht einmal da.«

»So hast du also gar nichts über Thatcher in Erfahrung gebracht?«

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»Und ob ich das getan habe! Ich habe das Mädchen im Mariposa gefragt, ob sie sich erinnern könne, wie dieser Amerikaner in Taunoa aussehe. Ihre Beschreibung paßte auf jeden starken, untersetzten Ringer, doch fügte sie etwas Entscheidendes hinzu: als Thatcher vor drei Monaten auf der Insel war, lahmte er nicht.«

»Dann kann es also nicht der Bootsmann sein.«

Stans Lippen sprangen zu einem Lächeln auf. »Komm nur nicht zu vorschnellen Entscheidungen, mein Lieber. Der Bootsmann hat die Muskeln eines Ringers, nicht wahr? Und woher wissen wir denn, daß er sich nicht das Bein verletzte, nachdem er vor etlichen Monaten Tahiti verließ?«

»Das wäre möglich«, gab Ted gedankenversunken zu.

»Woher wissen wir überhaupt«, fuhr Stan fort, »daß das Lahmen des Bootsmanns echt ist?«

Ted öffnete die Lippen, doch ehe er etwas sagen konnte, sprach Stan bereits hastig weiter. »Oh, dieser Thatcher ist ein gerissener Bursche, daran ist nicht zu zweifeln! Wenn er nun als Seemann an Land geht und dazu noch hinkt, dann werden die Leute doch gar nicht erst auf den Gedanken kommen, ihn mit dem Amerikaner, der einmal in Taunoa lebte, in Verbindung zu bringen.«

»Du hast ja schon ganz schön nachgedacht«, erwiderte Ted, aus dem Bett springend. »Laß mir eine Minute Zeit, dann bin ich angezogen. Wir haben heute eine Menge zu tun.«

»Würdest du mir dabei noch einen besonderen Gefallen erweisen?« fragte Stan einen Augenblick später. »Ich möchte gern das Logbuch des Windreiters noch mal sehen.«