Выбрать главу

»Das müßte ich mir von Kapitän Tom geben lassen«, sagte Ted.

»Er hat's im Safe eingeschlossen. Wozu brauchst du es?«

»Ich möchte die letzte Eintragung noch mal sehen, die vom zwölften April. Irgend etwas daran läßt mir keine Ruhe.«

»Was nicht?«

»Ich weiß es selber nicht recht. Laß es mich noch mal lesen. Dann werde ich es dir sicher sagen können.«

»Okay.« Ted beeilte sich mit dem Anziehen. »Dann werde ich den Skipper am besten gleich fragen. Bleib du nur hier. Dies ist der sicherste Ort auf dem ganzen Schiff, wenn du es in Ruhe lesen willst.«

- 141 -

Er verließ die Kabine und ging langsam über das schmale Deck.

Sein Blick schweifte übers Wasser. Die Lagune glitzerte im Morgenlicht; weit draußen auf dem Korallenriff waren ein paar Eingeborene offensichtlich damit beschäftigt, Schalentiere zu suchen. Nicht weit von der Araby entfernt hockte in einem Kanu ein schäbig gekleideter Weißer und fischte. Zusammenfahrend erkannte Ted im gleichen Augenblick auch schon den Strandläufer.

Er trug immer noch das sackleinene Kostüm und den breiten Schlapphut, der sein bärtiges Gesicht beschattete. Ted zuckte die Achseln. Wenn dieses Wrack von einem Menschen Corkerys Geheimdetektiv war, so sollte er das Schiff getrost bewachen.

Finden würde er ohnehin nichts.

Nach achtern eilend, spürte Ted, wie der Regen am frühen Morgen die ganze Atmosphäre erfrischt hatte. Die Lagune schien klarer, der Himmel blauer, das üppige Blattwerk der Insel grüner als sonst. Über die Dächer der Häuser und die Hügel dahinter blickend, sah er, daß im Süden der Himmel bewölkt war. Offensichtlich regnete es in den Bergen noch, denn vom Diademe und Orohena stürzten schlanke Wasserfälle hundert Meter tief über das vulkanische Gestein in die Täler zu ihren Füßen hinab. Zwischen ihnen und Papeete dampfte der Dschungel.

Er fand Kapitän Jarvis in seiner Kabine, erbat sich von ihm das Logbuch des Schoners und kehrte damit zu Stan Ridley zurück.

»Wenn du mit Lesen fertig bist«, trug er seinem Freund auf,

»dann leg es in eine der Schubladen unter dem Bett. Der Skipper ist aufs Bootsdeck gestiegen und will, daß ich nachkomme.«

Als er nach einer kleinen Weile ins klare Sonnenlicht des Oberdecks trat, blieb er bei dem Anblick, der sich ihm bot, verblüfft stehen. Kapitän Jarvis wusch das Deck! Mit dem Rücken zur Funkbude hielt der große Herr der Araby den immensen Schlauch in beiden Händen, während ein armdicker Wasserstrahl auf das Hartholz klatschte.

»Himmel und Hechte!« rief Ted grinsend. »Was, zum Donner, ist denn hier los? Alle Mann an Land?«

Der tätowierte Kapitän hob ihm ein unbewegliches Gesicht entgegen. »Nur ein weiteres kleines Experiment, Joe Macaroni.«

Damit ließ er das Wasser auf seinen Dritten Offizier zurinnen.

Ted blieb stockstill stehen und starrte in wachsender Verwun-

- 142 -

derung seinen Vorgesetzten an. Jarvis trug keine Kopfbedeckung, und im intensiven Licht der tropischen Sonne war sein kurzgeschnittenes Haar noch blonder als sonst. Das Netzhemd spannte sich straff über der breiten Brust, auf der sich der zweiköpfige Drache dehnte. Seine Füße standen breit auseinander im zurücksprudelnden Wasser.

Jarvis lenkte den Wasserstrahl quer übers Deck zum Backbord-Rettungsboot hin. »Kommen Sie rüber, Dritter«, rief er. »Sie müssen helfen.«

»Soll ich Eimer und Schwabber holen?« erkundigte sich Ted vergnügt. Der Kapitän warf den Kopf zurück und lachte. »Gehorchen sollen Sie, Sie Miesmuschel, sonst lasse ich Sie in Eisen legen!« Eine Sekunde später sagte er mit veränderter Stimme leise und verschwörerisch: »Joe Macaroni, verschwinden Sie in der Funkbude und reden Sie. Heben Sie die Stimme nicht allzu laut, aber sprechen Sie bis ich Sie zurückrufe.«

»Jawohl, Sir.« Verblüfft, aber gehorsam betrat Ted Sparks' leere Kabine und schloß die Tür. Er warf sich in den Sessel des Funkers vor dem Instrumentenbrett und begann, sein Lachen unterdrückend, mit sich selbst zu reden.

»Tom Jarvis«, sagte er nachdrücklich, »du bist der verrückteste Kauz, der je gelebt hat! Was du dir bei diesem Einfall wieder denkst, geht über meinen bescheidenen geistigen Horizont meilenweit hinaus. Wenn du Toppy wärst — na schön, dann könnte ich manches verstehen. Aber du bist doch nicht betrunken — zumindest hab ich's nie erlebt, daß du dich bis an die Speigatten mit Schnaps vollgepumpt hast, und vor fünf Minuten in deiner Kabine hattest du ganz bestimmt noch keine Schlagseite.«

In diesem Augenblick dröhnte die wohlbekannte Stimme von Deck her: »Kann kein Wort verstehen, Dritter. Reden Sie gefälligst lauter.«

Ted hob die Stimme. »Ein Segen, daß Sie mich nicht verstanden haben, Kapitän Tom Jarvis, denn sonst hätten Sie mich vermutlich doch in Ketten legen lassen. Verdienen tue ich's zwar, aber — «

»Lauter«, dröhnte es durchs offene Bullauge.

Der Wasserschlauch macht zuviel Radau, entschied Ted. Er hob den Kopf. »Jetzt brülle ich aus voller Lungenkraft. Können Sie mich jetzt verstehen?«

- 143 -

»Ja. Das genügt. Kommen Sie raus.«

»Ich hoffe«, bemerkte Ted mit gespielter Würde, als er ins Sonnenlicht trat, »daß keiner von der Mannschaft uns bei diesem munteren Spiel gesehen hat.«

Tom Jarvis drehte den Hydranten ab und richtete sich zu seiner ganzen prächtigen Höhe auf. »Wenn diese sogenannten Seeleute schon so viele Decks geschrubbt hätten wie ich, dann würden sie vielleicht endlich Backbord von Steuerbord unterscheiden können, wenn man ihnen 'ne Order gibt.«

»Sind Sie fertig und zufriedengestellt?« erkundigte sich Ted erheblich bescheidener.

Die blauen Augen des Kapitäns funkelten vergnügt. »Ich bin fertig, und ich bin sehr zufrieden, mein Junge«, erwiderte er.

»Hat Ridley Ihnen berichtet, was er letzte Nacht erlebte?«

»Ja.« Jarvis schien nicht besonders interessiert zu sein. Er trat dichter an den Dritten heran. »Ich habe versucht, zu rekonstruieren, wo sich die einzelnen Leute zu dem Zeitpunkt befanden, an dem die Trosse gekappt wurde«, vertraute er ihm an. »Aber der Bootsmann wußte nicht mehr genau, wer ihm hier oben geholfen hat.«

»Der Bootsmann selbst war also die ganze Zeit über hier?«

»Offensichtlich.« Jarvis wandte den Kopf, und Ted, der seinem Blick folgte, sah den Funker auf sie zukommen.

»Post für Sie, Kapitän Jarvis«, sagte der junge Mann.

Jarvis nahm die Briefe entgegen und blätterte die Umschläge geschwind durch. »Danke, Sparks«, nickte er. Der Funker ging zu seiner Kabine hinüber.

Plötzlich schaute der Kapitän Ted an. »Hier ist ein Brief von einer der Inseln. Nun möchte ich bloß wissen — «

Er riß den Umschlag auf, entfaltete einen kleinen Bogen billigen Schreibpapiers und las, während zugleich ein Lächeln über sein wettergegerbtes Gesicht fuhr. »Toppy hat ihn geschrieben«, verkündete er glücklich. »Sie sind unversehrt in Bora Bora gelandet.

Lesen Sie selbst, Joe Macaroni.«

Ted nahm mit bebender Hand den Brief entgegen. Die Nachricht, daß Toppy und Jorgenson, diese beiden feinen Seeleute, sich heil und wohlbehalten auf einer der abgelegenen Inseln befanden, schnürte ihm die Kehle zu. Beim Lesen jedoch wurde seine Stim-

- 144 -

mung wieder ganz vergnügt. In krakeliger Schrift hatte Toppy am Tag vorher geschrieben:

»Kap. Jarvis dies is nur det Sie wissen det der Windreiter vor Borabora zu Anker liegen tut un ich sofort heutjen Tags abmustern tue. Der Schwede un ich ham die Trosse rinjeholt und gesehen wo Sie abgeschnitten ham. Schicken Si ein paar Matrosen riber wenn der Schoner kommen soll denn der Windreiter is wieder ein Schiff ohne Mannschaft.