Выбрать главу

Sie haben recht behalten. Er hat den Sturm überstanden.«

- 148 -

Stans Augen glänzten. Er schien der Zukunft hoffnungsvoll entgegenzusehen. »Ich kenne Bora Bora genau, Sir. Es ist nicht weit von meiner Heimat Taiarea entfernt.«

»Aha!« sagte Kapitän Jarvis mit plötzlich aufflackerndem Interesse. »Müßten Sie einen großen Umweg machen, um dort einmal hereinzuschauen?«

»Wir würden den Kurs um nicht mehr als einen Grad ändern.«

»Gut. Ich möchte gern, daß Sie sich mit dieser Madame Sonntag unterhalten, von der Ted gesprochen hat. Wenn sie seit Jahren in Ihrer Familie lebt, weiß sie vielleicht sogar, wo sich Ihr Vater aufhält.«

Stans Stimme zitterte. »Wenn es überhaupt ein Mensch weiß, dann ist sie es.«

»Das dachte ich mir.« Jarvis' Brauen zogen sich entschlossen zusammen. »Wenn Sie den Windreiter bemannt haben, segeln Sie zuerst Taiarea an und besuchen Sie Madame Sonntag. Dann kommen Sie so schnell wie möglich hierher. Ich erwarte den Schoner in spätestens drei Tagen. Das ist alles.«

Zwei Stunden später saß der Dritte Offizier Moran mit Stan Ridley und Gorilla Smith unter einem Sonnensegel an Deck eines Schiffes, das zwischen den Inseln Handel trieb. Als sie die Ufer von Tahiti am Horizont verschwinden sahen, waren die beiden jungen Männer im siebten Himmel, Gorilla Smith freilich, fand Ted, schien nicht sehr erfreut zu sein.

Das mürrische Gesicht des Mannes, schwarz dort, wo der Bart wuchs, war von einer kleinen weißen Segelmütze beschattet, die er tief auf die Ohren gedrückt hatte. Seine Augen starrten blicklos auf den wirbelnden weißen Schaum im Kielwasser der Schaluppe. Hin und wieder nur, wenn die beiden Jungen sich fröhlich miteinander unterhielten, schweiften die Blicke des Mannes verstohlen in ihre Richtung, um einen Augenblick mit seltsam bösartigem Ausdruck auf ihren Gesichtern zu verweilen. Seine breiten Schultern sackten ein wenig nach vorn, während die nackten Arme die Knie umschlangen — Arme, deren hart hervorspringende Muskeln die schindende Plackerei des Stauers verrieten — oder das Training eines Ringers.

- 149 -

Durch das Riff

Papeete, 21. April

Innerhalb des Riffs von Bora Bora

befindlich wird gemeldet:

Schoner Windreiter,

Besitzer Ridley & Co.

Bulletin

Madame Sonntag

Auf Bora Bora wartete ein wütender, arg verstimmter Toppy auf den Dritten Offizier Moran. »Det is wat ick 'ne Schweinerei nenne«, protestierte Toppy erbittert. »Lausig! Kappt der Olle doch tatsächlich de Trosse, un der Schwede un ick könn sehn, wo wer bleiben! Nun frag ick Sie: wieso hat er uns det nich jesagt?«

»Aber, Toppy«, beschwichtigte der Dritte, »hab ich Ihnen nicht schon sechsmal auseinandergesetzt, daß der Skipper das Ding gar nicht gekappt hat?«

»Nich gekappt? Det ich nich schrill lache, Joe Macaroni! Meinen Sie vielleicht, ick wees nich, wovon ick rede?«

»Schon — aber es ist ohne Wissen des Skippers passiert.«

»Denn frag ich Ihnen: wer hat et denn jemacht?«

»Weiß ich auch nicht. Jemand, der nicht wollte, daß der Schoner wieder nach Papeete zurückgebracht würde.«

»Aha, Sie jeben et also selbers zu! De Trosse is also doch jekappt worden!« Triumphierend war Toppy wieder dort angelangt, von wo er ausgegangen war. »Ick jedenfalls jeh nich mit Ihn'.«

Das tat er freilich doch. Schwede Jorgenson war es, der ihn schließlich wieder über die Planke an Deck des Windreiters lockte.

Unverzüglich ließ Ted den Anker lichten. Der kleine Schoner ließ Bora Bora hinter sich und setzte, mit einer Geschwindigkeit von fünf Knoten in der Stunde, Kurs auf das vierzig Kilometer entfernte Taiarea. Obwohl Ted Moran offiziell das Kommando übertragen war, steuerte Stan, der Maat, das kleine Schiff selbständig durch das ruhige Wasser zwischen den beiden Inseln.

Es war April, also Winteranfang in der Südsee. Die beiden jungen Leute wurden immer vergnügter, je weiter nördlich die Sonne ihren Bogen schlug. Ihre Fröhlichkeit wirkte ansteckend.

Schwede Jorgenson warf sich auf die Arbeit mit der Lust eines Mannes, der vor dem Mast gesegelt ist und stets den Irrtum bedauerte, auf ein Dampfschiff übergewechselt zu sein. Gorilla Smith erledigte schweigend die Aufträge, die ihm gegeben wurden, und verbrachte seine freie Zeit an Deck mit dem Papagei, der sich ihm wie einem lang verlorenen Freund angeschlossen hatte.

»Hallo, Jim«, knarrte er jedesmal, mit den grünen Flügeln flatternd, »Ia orana! Ia orana!«

- 153 -

»Wat quatscht 'n der Kleene da?« fragte Toppy Gorilla Smith.

»Is det 'n Froschdialekt?«

»Von wegen! Ridley sagt, das ist tahitisch. Bedeutet soviel wie:

›Hallo. Wie geht es dir?‹ Kluger Vogel«, gab Smith grinsend zu.

»Spricht zwei Sprachen außer seiner eigenen Papageiensprache.«

Toppy kümmerte sich am wenigsten um die Stille und den Frieden der Szenerie, die sie durchsegelten — die tiefe Bläue des Meeres, das Murmeln des Wassers um den Schiffsrumpf, das Wispern des Windes im Takelwerk und den herzerfreuenden Anblick der geschwellten Segel, die den Windreiter vorwärts trieben.

Spät am Nachmittag durchführen sie das Riff vor Taiarea. Jorgenson stand im Heck am Ruder, und Stan sang im Bug den komplizierten, verwickelten Kurs aus, und miteinander navigierten sie den Schoner durch den schmalen Kanal im Riff und quer über die Lagune zum Anlegeplatz bei Stanhope Ridleys alter Plantage.

Auf dem hölzernen Steg, der weit über die Korallenbänke des Ufers ins Wasser hinauslief, stand die große, kräftige Gestalt einer eingeborenen Frau.

»Das ist Madame Sonntag!« schrie Stan. Er wedelte wild mit den Armen durch die Luft und stieß helle Rufe aus.

Als der Schoner an die Anlegestelle glitt, sprang Stan auf den Steg. Unverzüglich drückte Madame Sonntag ihren ehemaligen Schützling in einer überschwenglichen Umarmung an den üppigen Busen. Sie trug ein blaues Mutter-Hubbard-Gewand, das, bis zum Boden niederfallend, nur ihre wahrhaft gigantischen bloßen Füße freigab. Das tiefdunkelbraune Gesicht überzog ein strahlendes Lächeln; ihre weißen Zähne blitzten im Sonnenlicht, doch in den braunen Augen funkelten Tränen. So wuchtig und formlos sie auch dastand, strömte sie doch einen solchen Charme und so viel Güte aus, daß sich Ted auf der Stelle zu ihr hingezogen fühlte. Während die drei Matrosen sich um das Festmachen des Schiffes kümmerten, folgten Ted und Stan der plump voranschreitenden Eingeborenen auf einem Pfad durch ein Kokospalmenwäldchen bis zum Haus. Dabei unterhielten sich Madame Sonntag und Stan aufgeregt auf französisch, englisch und tahitisch und manchmal auch in einer Mischung von allen drei Sprachen. Ted fing die Namen Windreiter, Tahiti Jacques und Thatcher

- 154 -

auf, die mehrmals in dem Wasserfall von Worten vorkamen; doch da es ihm im übrigen unmöglich war, der sich überstürzenden Unterhaltung zu folgen, blickte er sich lieber auf der Plantage um, die einmal die Heimat seines Freundes gewesen war.

Das Haus glich den Wohnungen anderer Weißer, die er auf Tahiti und Bora Bora schon gesehen hatte: ein langer, niedriger Bungalow stand auf hohen Pfählen da, und die breite Veranda rundum war beschattet von den rotblühenden Büschen der Bougainvillea.

Als sie näher darauf zugingen, wurde der beißende Geruch trocknender Kopra, untermischt mit dem Duft der Vanille, immer spürbarer. Scharen von Mynah-Vögeln unterbrachen ihr unaufhörliches Geschwätz, um sich schutzsuchend auf den nächsten Mongo- oder Brotfruchtbaum zu flüchten. Über allem aber lag der tiefe Frieden einer solchen Inselheimstatt.