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»Keine Spur!« versicherte Stan tapfer.

»Na, ich wohl«, gab Ted zu. »Wenn du mich fragst — mir stehen beinahe noch die Haare zu Berge. Die Sache hat was Unheimliches an sich. Beinahe fange ich an zu glauben, daß Madam Sonntag recht hatte. Hier treibt sich ein tupapau herum.«

Über Stans Miene huschte nicht, wie Ted erwartet hatte, ein spöttisches Grinsen. Er schaute starr geradeaus. »Mein Freund«, sagte er, »man kann weder Tür noch Fenster entdecken. Kurios, hein

Es stimmte. Die beiden Seiten des langen Bauwerkes, die sie von ihrem Standort aus überblicken konnten, waren von keiner Öffnung irgendwelcher Art unterbrochen. Kein Ton drang aus der Hütte nach draußen.

Stan legte seine Hand auf Teds Schulter. »Wir müssen den Eingang suchen.«

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Ted warnte: »Zuerst müssen wir uns vergewissern, daß niemand in der Nähe ist.« Instinktiv fuhr seine Hand in die Tasche, in der , fest und schwer die Pistole lag.

»Und angenommen, mon ami, es ist jemand drinnen?«

Ted zog bei dieser Vorstellung scharf die Luft ein. »Du glaubst doch nicht etwa, dein Vater könnte drinnen liegen — als Gefangener?«

»Ich weiß es nicht. Madame Sonntag war ja fest überzeugt, daß er in Papeete ist. Aber wie sollen wir wissen, ob Corkery ihn nicht entdeckt hat? Könnte er ihn nicht erwischt haben und nun gefangenhalten?«

»Ruf einmal laut«, drängte Ted, die Pistole aus der Tasche ziehend und griffbereit haltend. »Vielleicht bekommen wir eine Antwort.«

Doch schon als Stan die Stimme hob und rief: »Ist dort jemand?«, wußte Ted, daß es vergebens war. Kein Mann konnte in einem so leichten, dünnen Haus gefangengehalten werden — es sei denn, man hielte ihn ständig gefesselt und geknebelt.

Abermals senkte sich Schweigen auf sie herab. Ted ging voran.

Er brannte darauf, dieses merkwürdige Gebäude zu untersuchen, das mitten in der Wildnis auf einem verlassenen heidnischen Opferaltar errichtet worden war. Für eine Eingeborenenhütte war es insgesamt viel zu lang; eher schon ähnelte es einem geheimen Versammlungsort, an dem sich hundert und mehr Männer treffen und Kriegspläne schmieden konnten. Doch die Tage der wilden Stammesfehden waren auf diesen friedlichen Inseln lange vorüber. Wozu also war das Haus hier errichtet worden?

Vorsichtig schlichen die beiden jungen Männer um die langen Flechtmatten-Wände mit dem tief hängenden Dach aus Palmwedeln

herum. Teds Augen entdeckten weder Tür noch Fenster. Stan jedoch kannte die Finessen der Südsee-Architektur besser.

»Schau, mein Freund«, sagte er, als sie zum Ausgangspunkt am Ende des Dschungelpfades zurückgekehrt waren, »ein Teil dieser Seite ist oben eingehängt und läßt sich wie eine Leinwand aufklappen, um eine Art Sonnendach zu bilden. Hier siehst du zwischen den Steinen am Boden zwei Löcher, in die Pfähle gesteckt worden sind.« Ted nickte in atemloser Spannung. Das also war das Geheimnis des Eingangs! »Ist er verschlossen?« fragte er.

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Stan lächelte. »In der Südsee gibt es keine Schlösser. Pack mal mit an, dann heben wir die Matte hoch.« Er selbst lag bereits auf den Knien und tastete nach der Wand.

Ted ging drei Schritte weiter. Einen Augenblick später hatten sie gemeinsam das leichte, geflochtene Wandstück angehoben und die zwei schlanken Holzpfähle, die aus jeder Ecke niederfielen, in die Löcher gestellt.

Eine kurze Weile standen sie schweigend da, ins dunkle Innere des Riedhauses blickend. Im schräg einfallenden Dämmerlicht unterschieden sie Fässer mit öl, Kanister voll Benzin, große Ballen Baumwollstoff — lauter Handelsware zur Belieferung der Inseln.

»Das begreife ich nun gar nicht mehr«, stammelte Stan benommen, die lange Hütte betretend und sich genauer umschauend.

»Wer stapelt denn ausgerechnet hier seine Waren auf?«

»Wer?« Ted sprach hastig. In seinem Hirn wirbelten die Vorstellungen durcheinander. »Begreifst du das wirklich nicht? Corkery natürlich. Dies ist sein verstecktes Lagerhaus. Hier verbirgt er die Ladungen, die er als verloren meldet.«

Stan gab ihm durch einen schnellen Blick zu verstehen, daß er begriffen hatte. »Oder die er bei Ridley & Co. unterschlagen hat!«

In der Erregung dieser unerwarteten Entdeckung kam und ging ihm der Atem schwer. »Corkery hat seine Schoner vermutlich hier beladen und dann die Ware gegen Kopra und Perlmutt getauscht und so doppelte Gewinne gemacht.«

»Aber lohnt sich denn dafür das ganze Theater?« wollte Ted wissen. »Für ein bißchen Öl und Benzin und ein paar Ballen Stoff?«

»Ein bißchen Öl und Benzin! Mein lieber Freund, hast du eine Ahnung, was gerade diese Waren hier auf den Inseln wert sind?

Mindestens den fünffachen Preis, den sie in den Staaten bringen würden. In einem einzigen Handelsjahr kann ein Mann damit ein kleines Vermögen verdienen.«

Plötzlich hörte Stan auf zu sprechen und wirbelte herum. Vom Dschungelpfad her klang ein Ruf an ihre Ohren. Es näherte sich ihnen jemand — und zwar jemand, der sie für Freunde hielt.

»Wer kann das nur sein?« wisperte Ted in Stans Ohren.

»Ich weiß es auch nicht. Er spricht tahitisch. Hörst du?«

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Wieder klang aus der Richtung des alten Kriegskanals ein lauter Gruß herüber. Nun wurde Stan doch blaß. »Wer immer es auch ist, er denkt, wir seien Corkery und seine Helfer. Schnell. Wir müssen uns verstecken!«

Mit einem Satz war Stan im Dunkel der Hütte verschwunden. Ted jedoch blieb nahe dem Eingang stehen. »Glaubst du, daß es mehr als einer oder zwei sind?« fragte er.

»Nur einer, möchte ich meinen. Wahrscheinlich der Bursche, der dieses Versteck hier bewacht.«

»Ah!« Der Ausruf sprang ihm unwillkürlich von den Lippen.

»Dann ist er auch wahrscheinlich verantwortlich für das Verschwinden jene zwei neugierigen Eingeborenen, von denen uns Madame Sonntag erzählte. Er muß bewaffnet sein.«

»Genau das, mon ami.«.

Ted zwängte sich in ein Eckchen zwischen ein paar Kisten und Ballen. Von hier aus konnte er, obwohl selber den Blicken verborgen, mit der Pistole den Eingang bewachen. »Wir müssen es irgendwie schaffen, den Burschen gefangenzunehmen«, flüsterte er. »Kannst du ihn in die Hütte locken, ohne daß er zuviel Verdacht schöpft? Ich möchte nur schießen, wenn es unumgänglich ist. Wenn wir ihn auf die Araby mitnehmen können, verrät er wahrscheinlich genug, um Corkery zu überführen. Verstanden?«

»Jawohl, Sir.« Es war der Seemann Stan Ridley, der seinem Vorgesetzten antwortete. »Ich werde ihn schon hereinlocken.«

Ted mußte die Kühnheit des Jungen bewundern, der sich dort in voller Größe dem Feind darbot, der eben aus dem Dschungel vortrat.

Stan legte die Hände um den Mund und rief grüßend: »Ia orana!«

Aus seinem Versteck überblickte Ted den Pfad. Die rechte Hand umschloß die Pistole. Mit heftig klopfendem Herzen wartete er.

Einen Augenblick später wurde die hohe, geschmeidige Gestalt eines Mannes sichtbar, der näher kam. Teds erster Eindruck war, daß es sich um einen Amerikaner handle, doch als der Fremde noch näher gekommen war, erinnerten die dunkelbraune Haut und die entschieden tahitisch geschnittenen Züge Ted plötzlich an das Halbblut, das Madame Sonntag erwähnt hatte. War das etwa Pierre, Corkerys Assistent auf dem Windreiter?

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»Bon soir, monsieur«, rief Stan ihm aus dem Schatten der Hütte entgegen. »Heute hat Monsieur Corkery mich geschickt, die Ware zu holen.«

»Ah so.« Der Mann sprach fließend französisch. Nun betrat er die steinerne Plattform. »Mir wurde gesagt, der Schoner sei bei der Pflanzung vor Anker gegangen. Aber ich begreife nicht ganz.

Hatten wir ihn draußen —. Wer sind Sie überhaupt, monsieur?«

Stan lachte kurz auf. »Das ist eine Überraschung, wie? Monsieur Corkery unterrichtete mich schon, daß Sie nicht allzu liebenswürdig sein würden, ehe Sie meine Beglaubigung gesehen hätten.