»Wieso? Ich nicht!« protestierte Ted. »Sie wollen mich wohl aufziehen?«
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»Wenn Sie sich ein bißchen sauber gemacht haben, gehen wir nach achtern, und dann können Sie selbst sehen, ob ich recht habe.«
Als sie eine kurze Weile später den Offizierssalon betraten, erhob sich Stan vom Tisch, um seinen Begleiter dem Freunde vorzustellen. » Mon ami, dies ist Dad. Erkennst du ihn?«
Ted schaute zweifelnd auf den Fremden. Stanhope Ridley war, in den makellos weißen Anzug der Tropen gekleidet, ein schlanker, hochgewachsener Mann von blendender Haltung und mit feingeschnittenen Zügen. Als er nun die Hand ausstreckte, war sein Lächeln ein Abbild dessen, das auf dem Gesicht seines Sohnes lag. »Nun, junger Mann«, sagte er, »hier treffen wir uns also wieder.«
Der Dritte Offizier schüttelte den Kopf in zunehmender Verwirrung.
»Wieder? Ich kann mich nicht erinnern, das Vergnügen bereits -«
»Wie? Sie erinnern sich nicht mehr an unser Gespräch in Taunoa? In jener Nacht gewannen Sie das Rennen.« Teds Gesicht hellte sich auf. »Der Strandläufer!« rief er.
»Ja, der Strandläufer.«
»Aber ich verstehe nicht ... Sagte Stan nicht, daß er den Burschen schon seit Jahren kenne?«
»Das tat er auch. Aber ich habe dem echten Strandläufer die Gefälligkeit, mir seine Kleider zu leihen, nicht schlecht bezahlt.
Dann habe ich ihn auf die andere Seite der Insel, nach Papara, geschickt und ihm aufgetragen, dort zu bleiben, bis ich wieder mit ihm tauschen wollte. Ja, ich habe jene Rolle gespielt, um Corkerys Handlungen überwachen zu können. Hinter ihm war ich in jener Nacht her — nicht hinter euch.«
»Dann wußten Sie also gar nicht, daß sich Stan an Bord der Araby befand?«
Mr. Ridley blickte zu Stan hin. »Doch. Aber ich wagte mich ihm nicht zu nähern aus Furcht, daß dann jemand meine Identität erraten könnte. Eines Nachts versuchte ich in der Rue Paul Gauguin mit ihm zu reden, doch er verschwand, ehe ich ihn eingeholt hatte.« Er lachte kurz auf. »Glauben Sie mir — es war eine riesige Erleichterung, mich wieder rasieren und mir die Haare schneiden zu lassen.«
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Kapitän Jarvis ließ sich in einen Drehsessel am Tisch fallen.
»Setzen Sie sich doch alle«, schlug er vor. Dann lehnte er sich zu Ted hinüber. »Ich entdeckte auch nicht, wer dieser Strandläufer war, ehe ihr beiden euch nach Bora Bora eingeschifft hattet. Doch er schien so viel über diesen Fall zu wissen, daß ich mißtrauisch wurde. Er enthüllte mir seine Identität auch erst, nachdem er sich überzeugt hatte, daß ich nur hergekommen war, um der Gerechtigkeit zum Siege zu verhelfen. Anschließend steckten wir die Köpfe zusammen. Wir waren noch nicht bereit, etwas Entscheidendes zu unternehmen, ehe wir handfeste Beweise besaßen.
Deshalb ließ ich die Araby hier in der Hafenmitte vor Anker gehen, und Mr. Ridley blieb als mein Gast an Bord.«
»Sie wußten also, wer Gorilla Smith war?« erkundigte sich Ted atemlos.
»Ja. Am gleichen Morgen, an dem ihr beiden wegfuhrt, sagte mir mein Webmuster, daß Smith der Verräter an Bord war. Zunächst erfuhr ich von dem eingeborenen Fahrer, daß der Seemann, den er mit Corkery zusammen von Taunoa zurückgebracht hatte, nicht lahmte. Es war also nicht der Bootsmann! Der Gefahr, in der ihr schwebtet, wurde ich mir jedoch erst bewußt, als mir Chapman später am Tag berichtete, daß Smith mit euch gefahren sei. Oh, das gehörte zu Corkerys gerissenen Plänen, da könnt ihr ganz sicher sein! Und beinahe hätte er ja auch die Oberhand behalten, weil ihr nicht auf der Hut wart.«
Ted nickte nachdenklich. »Ja, ich kam zu dem gleichen Schluß, als es beinahe zu spät war.« Er berichtete nun, was sich auf ihrer Fahrt alles ereignet hatte.
Als er von dem geheimen Lagerhaus auf Taiarea erzählte, lehnte sich Mr. Ridley gespannt vor. »Wollen Sie sagen, daß ihr beiden jungen Leute ein Lagerhaus mit gestohlener Ware entdeckt habt?«
Er wandte sich schnell an Jarvis. »Wir haben ihn! Das wird Corkery erst mal ins Gefängnis bringen und hinter Gittern halten, bis wir alle anderen Beweise gegen ihn in Händen haben.«
»Ganz recht«, stimmte ihm Jarvis bei.
»Reden Sie weiter, junger Mann«, drängte Mr. Ridley. »Wir möchten auch die restliche Geschichte hören.«
In knappen Worten schilderte Ted die Ereignisse, die auf dem Schoner stattgefunden hatten: wie Smith die Kontrolle an sich
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riß, wie Tahiti Jaques plötzlich vor der Durchfahrt auftauchte und wie Smith einen verzweifelten Versuch unternahm, den Windreiter am Riff zerschellen zu lassen.
»Gott sei Dank, daß ihr Sieger geblieben seid!« sagte Mr. Ridley inbrünstig. Dann wandte er die Augen, in denen es feucht schimmerte, auf seinen Sohn. »Kapitän Jarvis berichtete, Stan, daß du es warst, der ihn zuerst an meine Unschuld glauben machte.«
»Ich wußte, daß du niemals so handeln würdest, Dad«, erwiderte der Junge.
Kapitän Jarvis nahm Pfeife und Tabaksbeutel aus den Taschen.
»Als mein kleines Muster langsam Form annahm, erfuhr ich die Antwort auf verschiedene Fragen: Wer war der Verräter an Bord der Araby? Wer hatte Sparks niedergeschlagen und die Botschaft an Corkery hinausgefunkt? Wer hatte die Trosse gekappt und den Windreiter dem Sturm preisgegeben? Erinnern Sie sich an mein Experiment auf dem Bootsdeck, Joe Macaroni?«
»Ja, Kapitän Tom, und ich verstehe es nun auch.«
»Smith hatte gesagt, er habe Sparks an jenem Morgen in der Funkbude stöhnen hören; doch als ich den Schlauch nahm und Wasser über Deck spritzte, war mir sofort klar, daß Smith gelogen haben mußte. Er konnte es überhaupt nicht gehört haben. Sie mußten ja geradezu brüllen, ehe ich auch nur einen Ton verstand, Joe Macaroni. Smith hatte gelogen. Weshalb?« Jarvis hörte auf zu sprechen und sah Stan an. »Weil er einen roten Füller in Sparks' Kabine fallen lassen wollte. Smith war erst am Morgen in den Besitz des Füllers gelangt — er hatte ihn Chapman gestohlen. Vielleicht wußte er, daß das Ding Ihnen gehörte; vielleicht nahm er auch an, es gehöre Chapman. Jedenfalls bot es ihm eine Gelegenheit, den Verdacht auf jemanden anders zu lenken.
Deswegen tat er, als entdecke er Sparks' unselige Lage als erster.«
Jarvis lehnte sich in den Sessel zurück. Seine Hörer betrachteten ihn mit wachsender Bewunderung. »Ja, Smith war unser Mann«, fuhr der Kapitän fort. »Doch wenn er so interessiert war an dieser Affäre — wer war er dann? Nun, er mußte entweder X, Y oder Z sein — einer der drei Detektive, die hierher gesandt worden waren, um die Affären von Ridley & Co. zu untersuchen.
Doch Z war tot am Ufer der Lagune aufgefunden worden, Y war verschwunden, und X hatte sich auf Tahiti eine Plantage gekauft
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und lebte nun dort. Deswegen konnte Gorilla Smith nur Y oder X sein. Der gesunde Menschenverstand sagte mir jedoch, daß Y wenn er spurlos verschwunden war, wohl das gleiche Schicksal betroffen hatte wie Z. Wie aber konnte Smith X sein, wenn doch X auf Tahiti leben sollte?«
Jarvis machte eine kurze Pause; sein Blick streifte die drei Hörer am Tisch: Mr. Ridley, selbstsicher und gelassen nun nach den schrecklichen Monaten des Zweifelns; Stan mit weit aufgerissenen Augen; Ted Moran, der vor Spannung mit dem Oberkörper halb über dem Tisch hing. »Dann erfuhr ich von euch Jungens, daß Mr. X, den man hier auf den Inseln unter dem Namen Thatcher kannte, vor einigen Monaten wieder in die Staaten gefahren war. Thatcher! Die Initialen des Mannes, der in jener Nacht die Radiobotschaft an Corkery abgesandt hatte, lauteten J. T. Ich hatte es — Gorilla Smith und Thatcher waren der gleiche Mann.«